Gerhard Piper
Russland: Militarisierung der Arktis
7. November 2013
Am 18. September 2013 stürmte eine bewaffnete Sondereinheit des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB das Schiff „Artic Sunrise“ der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Die dreißig Öko-Kämpfer ("Arctic 30") wollten auf der Bohrinsel Priraslomnaja des russischen Öl-Konzerns Gazprom ein Protesttransparent entfalten, um die internationale Öffentlichkeit auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die mit der Gewinnung von fossilen Rohstoffen in dieser ökologisch hochsensiblen Region verbunden sind. (1) Seitdem befinden sich alle Greenpeace-Aktivisten in Haft. Die Umweltschützer hätten „provozierend und lebensgefährdend eine ökologische Katastrophe in Kauf genommen" begründete das russische Außenministerium in einer zweifelhaften Erklärung das gewaltsame Vorgehen der russischen Spezialeinheit. (2) Offensichtlich will das autoritäre Regime des Ölmagnaten Wladimir Putin ein Exempel statuieren. Aber das internationale Medienecho, das dieser Vorfall erregte, lenkt zugleich die Aufmerksamkeit auf die aggressive Rolle, die Russland im Nordmeer zu spielen gedeckt.
Grenzverlauf entlang von Rohstoffvorkommen
Die Arktis ist eine unwirtliche Gegend, wo nur wenige Menschen leben. Dabei war diese Region in der Zeit des Kalten Krieges militärisch hoch brisant, lagen sich doch die beiden Supermächte USA und UdSSR hier geographisch direkt gegenüber. Gelegentlich kam es zu (geheimen) Zwischenfällen, wenn mal wieder ein amerikanisches U-Boot mit einem sowjetischen Kriegsschiff irrtümlich zusammenstieß, aber ein „echter“ Grenzkonflikt zwischen beiden Seiten konnte vermieden werden. Dies könnte sich zukünftig ändern: In den letzten Jahren entsandte die russische Regierung mehrere geologische Expeditionen in die Arktis, um ihrem geographischen Anspruch auf eine Ausweitung ihres Territoriums einen berechtigten „wissenschaftlichen“ Anstrich zu verleihen.
Laut dem internationalen Seerechtsübereinkommen („United Nations Convention on the Law of the Sea - UNCLOS ) vom 10. Dezember 1982 darf ein Küstenstaat seinen Kontinentalschelf auf 200 Seemeilen (370 Kilometer) verlängern. Das bedeutet, dass theoretisch die fünf Anrainerstaaten des Nordpolarmeers USA, Kanada, Norwegen, Dänemark und Russland territoriale Ansprüche auf Teile des Nordpolarmeeres erheben dürfen. Tatsächlich haben bisher Kanada, Norwegen, Dänemark und Russland solche Forderungen gestellt. (3)
Sollte Russland den Beweis erbringen, dass die arktischen Unterwasser-Gebirgsrücken Lomonossow und Mendelejew, die sich in Richtung Grönland erstrecken, eine geologische Fortsetzung des russischen Kontinentalschelfs sind, wäre es berechtigt, seine Seegrenze sogar bis auf 350 Seemeilen (648 Kilometer) auszuweiten. Ein entsprechender Antrag vom 20. Dezember 2001 wurde von der UNO zwar nicht direkt abgelehnt, aber zur weiteren Prüfung und einer späteren Entscheidung zunächst abgewiesen. (4)
Nach den Forschungsreisen von 2010 bis 2012 gebe es nun gute Chancen, dass die UN-Kommission für Kontinentalschelfgrenzen (Commission on the Limits of the Continental Shelf - CLCS) Russland 1,2 Millionen Quadratkilometer Schelf zuspricht, behauptete Alexander Popow, Chef der russischen Föderalen Agentur für Bodenschätze, bereits am 24. Oktober 2012. (5) Nach den völkerrechtlichen Bestimmungen kann Russland bis 2014 einen nachgebesserten Antrag erneut bei der UNO einreichen und wird dies in den nächsten Monaten tun.
Russland ist mit einem Gebiet von über 17 Millionen Quadratkilometern der größte Flächenstaat der Erde, warum will es sich unbedingt auch noch eine Million qkm Meeresboden aneignen, mag sich der unbedarfte Beobachter fragen: Es geht um die im Dreieck Tschukotka – Murmansk – Nordpol vermuteten, bisher unangetasteten Rohstoffvorkommen: geschätzte 90 Milliarden Barrel Rohöl und ca. 50 Billionen Kubikmeter Erdgas, das entspricht fast einem Fünftel der weltweiten Reserven. Bis 2015 wollen die russischen Energiekonzerne Rosneft und Gazprom 12,2 Milliarden Euro in die Erschließung der arktischen Rohstofffelder investieren. (6)
Hinzu kommen die Vorkommen an Metallen und Mineralien: „Auf den Halbinseln Kola und Taimyr und in den Gebieten Tschukotka, Jakutien und Norilsk lagern Apatitkonzentrat (über 90% [der russischen Vorräte, G. P.]), Nickel (85%), Kupfer (ca. 60%), Wolfram (über 50%), Lanthanide (über 95%), Platinmetalle (über 98%), Zinn (über 75% der erkundeten Vorräte in Sewero-Janskoe), Quecksilber (überwiegend in der Jano-Tschukotskaja Provinz, weitere große Lagerstätten auf der Taimyr-Halbinsel) sowie Reserven an Gold, Silber (ca. 90%) und Diamanten (über 99% in Jakutien, dem Gebiet Archangelsk und dem Autonomen Kreis Taimyrskij). Der Großteil der russischen Vorkommen an Gold (40%), Chrom und Mangan (90%), Platinmetallen (47%), Einzeldiamanten (100%), Vermiculit (100%), Kohle, Nickel, Antimon, Kobalt, Zinn, Wolfram, Quecksilber, Apatit (50%) und Phlogopit (60-90%) lagern in der Arktis. Die Kohlevorkommen werden auf mindestens 780 Mrd. Tonnen geschätzt.“ (7)
Außerdem ist das nördliche Eismeer ein großes Fischreservoir. Nicht zuletzt könnte sich der „Nördliche Seeweg“ durch die Klimaerwärmung zukünftig zu einer der wichtigsten internationalen Verkehrswegen für den Güterverkehr zwischen Asien, Amerika und Europa entwickeln. Dieser Seeweg könnte dann auch von Kriegsschiffen der NATO verstärkt genutzt werden.
Um die verstärkten russischen „Schutzmaßnahmen“ zu rechtfertigen, griff der stellvertretende Sekretär des staatlichen Sicherheitsrates Jewgeni Lukjanow tief in die Mottenkiste und beschwor im Januar 2013 folgendes Bedrohungsszenario: „Die jüngsten Klimaveränderungen haben Transporte in der Arktis leichter gemacht. Zugleich kann eine intensivere Schifffahrt (in der Region) auch Schmuggler, illegale Migranten und Drogenhändler aktiv machen. Zudem schließt Russland das Einschleusen von Terroristen nicht aus." (8)
„Es ist für uns extrem wichtig, unsere nationalen Interessen in der (Arktis-) Region abzustecken. (…) Tun wir das nicht, verlieren wir den großen Kampf um die Ressourcen, das heißt den großen Kampf um das Recht auf die eigene Souveränität und Unabhängigkeit.", schwadronierte Vizepremierminister Dmitri Rogosin am 4. Dezember 2012 in Moskau. (9)
Um ihre Territorialforderung deutlich zu machen, griff die Regierung in Moskau zunächst zu Methoden der Symbolpolitik: Anfang August 2007 tauchten zwei russische U-Boote vom Typ Mir in eine Tiefe von 4261 Metern unter dem Meeresspiegel und setzten am geografischen Nordpol eine russische Flagge in den Erdboden. Anschließend sorgte der russische Propaganda-Apparat dafür, dass die entsprechenden Filmaufnahmen weltweite Verbreitung fanden. Während die kanadische Regierung die russischen Handlungen scharf kritisierte, sah die dänische Regierung darin nur einen „bedeutungslosen Gag für die Medien“. Mittlerweile hat sich die Tonlage verschärft. Um ihre Ansprüche in der Arktis zu untermauern, kündigte der russische Präsident Wladimir Putin im November 2011 an, seine Regierung werde in den nächsten drei Jahren mehr als 21 Milliarden Rubel (mehr als 501 Millionen Euro) für Projekte zum Ausbau der Infrastruktur im Nordpolarmeer bereitstellen. (10)
Remilitarisierung der Arktis
Nach dem Ende des Kalten Krieges zogen sich die russischen Streitkräfte im Jahre 1993 aus dem nördlichen Eismeer weitgehend zurück. Die dortigen Militärbasen wurden geschlossen. Nur die Nordmeerflotte blieb mit einem verkleinertem Schiffsbestand und reduzierter Einsatzbereitschaft weiter im Dienst. In dieser Demilitarisierung wittern Vertreter der russischen Regierung neuerdings eine Ursache für eine vermeintliche Gefährdung der nationalen Sicherheit:
„Der Mangel bzw. das völlige Fehlen von technischen Mitteln zum Führen von Kampfhandlungen unter den Bedingungen der Arktis-Zone, das Fehlen der nötigen Erfahrung und der Fertigkeiten der Kampfführung unter den Bedingungen der Arktis-Zone, das Fehlen eines schnellen Eingreifsystems bei einer Aggression durch andere Staaten und die Möglichkeit eines unkontrollierten Übertritts der russischen Staatsgrenze“, heißt es in einer Erklärung des Ministeriums für regionale Entwicklung vom November 2013. (11)
Dieser Zustand soll sich in den kommenden Jahren massiv ändern. Gemäß den „Grundlagen der Staatspolitik in der Arktis bis 2020“ wird die russische Militärpräsenz in der Arktis ausgebaut. Allerdings ist jede zusätzliche Stationierung von Truppen unter den extremen klimatischen Bedingungen dieser Region eine logistische Herausforderung.
Zur Begründung des neuen nationalistischen Kurses erklärte ein russischer Militärsprecher im September 2013: „Die dort bestehenden Kontroversen führen bereits zu Spannungen zwischen den Anrainern sowie zur Militarisierung der Region. Außerdem beanspruchen mehrere außerhalb der Arktis liegende Länder die dortigen Öl- und Gasvorräte. (...) Die Frage von unserer Präsenz dort muss also ohne jegliche Verzögerung gelöst werden.“ (12)
So planen die russischen Heeresstreitkräfte von 2015 bis 2020 eine „Arktis-Armee“ aus zwei speziellen Panzergrenadierbrigaden zur Winterkriegführung unter arktischen Bedingungen aufzustellen, die voraussichtlich in Murmansk und Archangelsk stationiert werden: „Angesichts der zu erwartenden Lieferungen von zukunftsreicher Spezialtechnik im Jahre 2015 soll zu diesem Zeitpunkt eine Brigade gebildet werden, die allen entsprechenden Anforderungen gerecht wird“, sagte der Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte Russlands Generaloberst Alexander Postnikow am 21. Februar 2012. (13)
Für den Kampf unter den extremen klimatischen Bedingungen werden die Soldaten mit dem neuen Kampfanzug Zifra ausgestattet: „Mit der neuen Uniform kann man sogar vier Stunden in einer Schneeverwehung jenseits des Polarkreises schlafen, ohne dass die Gesundheit darunter leidet“, erklärte der Leiter des militärischen Versorgungsamtes Oberst Andrej Podoprigorin. (14) Außerdem werden die beiden Brigaden mit einschlägiger Spezialtechnik ausgerüstet.
In letzter Zeit haben die russischen Streitkräfte ihre Mänövertätigkeit im arktischen Gebiet ausgeweitet. So fand im September 2012 ein triphibisches Großmanöver mit 7.000 Soldaten, 150 gepanzerten Fahrzeugen, 50 Flugzeugen und 20 Kriegsschifffen statt. Das Manövergebiet erstreckte sich von der Grenze nach Norwegen bis hin zum Ural. Im Oktober 2013 folgte auf der Halbinsel Kola erstmals eine Heeresübung zur Gebirgskriegsführung unter arktischen Bedingungen. (15)
Die russische Luftwaffe betreibt in Nordrussland drei Fliegerhorste: Oleonogorsk auf der Kola-Halbinsel ist der vorgeschobene Luftstützpunkt Nr. 6950 für die atomaren Mittelstreckenbomber Tu-22M3 Backfire. Außerdem sind hier z. Zt. mehrere Transportflugzeuge AN-12BK stationiert. In Workuta nördlich des Urals dient die 527. Luftwaffenkommendantur den Bomberbesatzungen als Zwischenstation zum Auftanken.
Ebenfallls auf der Kola-Halbinsel befindet sich der Fliegerhorst Nr. 7000 in Monchegorsk. Hier sind 1.460 Soldaten vom 98. Aufklärungsgeschwader (20 Su-24M/MR, 26 MiG-25RB/RU Foxbat) und vom 174. Jagdfliegergeschwader (33 MiG-31B/BM Foxhound) stationiert. Weit abgelegen an der sibirischen Arktisküste liegt einsam die Basis Tiksi-3 mit einer 3.000 m langen Startbahn. Hier ist normalerweise die 24. Selbstständige Fliegerstaffel mit Transportflugzeugen AN-12BK, AN-26 und Hubschrauber Mi-8 sowie ein Grenzkommando des FSB stationiert. Aber die Basis ist seit Oktober 2012 geschlossen, um umfassende Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchführen zu können.
Außerdem begann die Luftwaffe in diesem Jahr damit, eingemottene Fliegerhorste aus Sowjetzeiten nach zwanzigjähriger Pause wieder in Betrieb zu nehmen. So wurde im Sommer 2013 auf der Inselgruppe Nowaja Semlja, dem früheren Atomtestgelände der Sowjetunion, der Flugplatz Rogatschjowo (Amderma-2) modernisiert, dazu erneuterte man die Start- und Landepiste. (16) Zur Gruppe der „Neusibirischen Inseln“ gehört das Eiland Kotelny. Der dortige Fliegerhorst Temp wurde im Oktober 2013 reaktiviert und Hubschrauber der Typen Mi-8 und Mi-26 disloziert. Zukünftig sollen hier auch Transportflugzeuge vom Typ An-72 und An-74 sowie Iljuschin Il-76 stationiert werden. Zur Unterbringung der Soldaten errichtet man z. Zt. 13 Häuser. Geplant ist in den kommenden Jahren auch den einstmals nördlichsten Flugplatz der Welt wieder in Betrieb zu nehmen: Dieser Fliegerhorst auf der Insel Graham Bell (Franz-Josef-Land) wurde in Sowjetzeiten von atomaren Langstreckenbombern als Zwischenbasis genutzt. (17)
„Wir sind in dieses Arktisgebiet gekommen oder besser gesagt zurückgekehrt, und zwar für immer und ewig. (…) Vor uns stehen schwere Aufgaben, aber wir werden sie unbedingt erfüllen. (…) Das Verteidigungsministerium wird die Aufgabe zur ständigen Militärpräsenz in der Arktis vollwertig erfüllen, um den Zugang zu den Ressourcen in dieser Region zu garantieren,“ verkündete Vizeverteidigungsminister General Arkadi Bachin im September 2013. (18)
Die verstärkte Präsenz der russischen Luftstreitkräfte erhöhte bereits die Spannungen in der Region. Im Verlauf des Jahres 2012 mussten norwegische Abfangjägerf 41-mal Alarmstarts durchführen, um russische Militärmaschinen abzudrängen. Auch die finnische Regierung beschwerte sich im Mai und Juni 2013 gleich zweimal, russische Militärflugzeuge hätten ihren Luftraum verletzt. (19) Zuletzt fand im Juni 2013 eine Luftübung mit zwanzig Flugzeugen und Hubschraubern in Karelien statt.
Die Luftverteidigungsstreitkräfte unterhalten im Norden Russlands die Radarstationen „Dnjepr“ bei Olenogorsk, Narjan Mar und „Darjal“ bei Petschora zur Warnung vor einem amerikanischen Raktenangriff. Zur Abwehr eines hypothetischen NATO-Luftangriffs sind mehrere Regimenter mit Flugabwehrraketen S-300 vorhanden, u. a. in Olenogorsk (583. FlaRak-Regiment), Sewerodwinsk (1528. Regiment) und Seweromorsk (161. Regiment) sowie eine Fernmeldebrigade in Wasskowo.
Die russische Marine unterhält in Eismeer ihre Nordmeerflotte (russ: Sewernij flot), die z. Zt. von Admiral Wladimir Iwanowitsch Koroljow kommandiert wird. Zum Schiffsbestand der Nordflotte gehört u. a. die „Admiral Kusnezow“ mit ihren Su-27K Flanker-D, Russlands einziger Flugzeugträger, drei Raketenschlachtkreuzer (Admiral Nadimow, Pjotr Weliki und Admiral Uschakow), ein Lenkwaffenkreuzer (Marschall Ustinow) und sieben Lenkwaffenzerstörer (Admiral Charlamow, Admiral Lewtschenko, Admiral Tschabanenko, Admiral Uschakow, Besuderschny, Severomorsk und Vize-Admiral Kulakow). (20) Hinzu kommen fünf Landungsschiffe (Kondopoga, Moskalenko, Popjedonossez, Olenogorski Gornjak und Otrakowski). Außerdem gehören zur Nordflotte die 11. U-Boot-Brigade in Saosersk und die 12. U-Boot-Brigade in Gadschijewo mit ihren strategischen Atom-U-Booten.
Die russische Marine plant im kommenden Jahr einen Verband aus Patroillenschiffen aufzustellen. Dazu sollen in den nächsten Jahren 16 eisgängige Schiffe gebaut werden. (21)
Wichtige Kriegshäfen sind die Marinebasen Gadschijewo, Jagelnaja Guba, Murmansk, Sewerodwinsk, Seweromorsk, der Olenja Fjord mit drei Stützpunkten (Bolschaja Lopatka, Malaja Lopatka und Nerpitschja), Ostrownoi, Poljarnij, Sapadnaja Liza und Widjajewo. (22) Außerdem sollen die Seehäfen auf den Franz-Josef-Land und auf der Insel Nowaja Semlja modernisiert werden. (23)
Das 61. Marineinfanterieregiment ist in Sputnik stationiert. Außerdem sind in Widjajewo, Gadschijewo und Sputnik Sondereinheiten (OOB PDSS) zur Abwehr gegnerischer Diversanten disloziert. Die Marineflieger unterhalten mehrere Geschwader: Das 924. Garde-Geschwader ist mit seinen ca. 30 TU-22M3 in Olenja stationiert, eine Ausweichbasis befindet sich in Katunino. Das 279. Jagdfliegerregiment des Flugzeugträgers hat seine Landbasis in Seweromorsk-3. Zu dem Verband gehört auch eine Staffel mit 38 Su-33. In Fedotowo befindet sich das 7. U-Jagd-Geschwader mit 25 TU-142M/MR. Das 403. Transportgeschwader (An-12, An-26, Il-38 und Tu-134) und das 830. Hubschraubergeschwader (Ka-27 und Mi-8) befinden sich mit 1.400 Soldaten in Seweromorsk-1.
Früher führte die Nordflotte regelmäßig Patrouillen entlang der russischen Arktisküste durch, allerdings wurden diese 1991 eingestellt. Dies änderte sich erneut im Sepember 2013: Ein Schiffsverband mit dem atomgetriebenen Raketenkreuzer Pjotr Weliki, mehreren Landungs- und Tankschiffen und drei Atomeinbrechern (Jamal, 50 Let Pobedy und Waigatsch) patrouillierte erstmals wieder um die „Neusibirischen Inseln“. Außerdem führte die russische Marine im Juni 2012 ein Manöver in der Karasee durch.
Ausbau des Grenzregimes
In der Russischen Föderation ist der Grenzschutz dem Inlandsgeheimdienst FSB unterstellt. Am 15. August 2013, nur einen Monat vor dem Greenpeace-Zwischenfall, beauftragte Präsident Wladimir Putin den Chef der Grenzschutzabteilung im russischen Inlandsgeheimdienst Wladimir Kulischow damit, der Bewachung der Landesgrenzen „besondere Aufmerksamkeit“ zu widmen. (24)
Schon heute betreibt der FSB mehrere Grenzstationen entlang der Arktisküste, u. a. in Nagurskoje und Tiksi-3. Eine Fliegereinheit der Grenztruppen ist in Workuta stationiert. In Zukunft sollen zwanzig weitere Grenzstationen mit jeweils bis zu zwanzig Soldaten in Dienst gestellt werden. (25) Zukünftig sollen auch vollautomatische Grenzstationen mit moderner Radartechnologie zur Grenzüberwachung beitragen. (26)
Außerdem hat das Innenministerium (MWD) hat in Murmansk mehrere Objektschutzbataillone und in Archangelsk die 28. Abteilung der Spetsnaz-Sondereinheiten stationiert.
Um dem Ausbau der militärischen Infrastruktur ein humanitäres Image zu verpassen, kündigte das russische Zivilschutzministerium am 18. November 2011 an, man werde bis 2015 zehn Rettungszentren entlang der Artikküste für etwa 910 Millionen Rubel (umgerechnet fast 22 Millionen Euro) errichten. Dazu werden die einzelnen Stationen mit Hubschraubern etc. ausgerüstet werden. (27)
Arktischer Rüstungswettlauf
Derweil verstärkt auch die NATO, insbesondere Kanada und Norwegen, ihre Militärpräsenz in der Nordpolarregion. Auch die USA wollen im Rahmen ihrer „National Strategy for the Arctic Region“ vom 10. Mai 2013 ihre Infrastruktur in der Region ausbauen: „We will enable our vessels and aircraft to operate, consistent with international law, through, under, and over the airspace and waters of the Arctic, support lawful commerce, achieve a greater awareness of activity in the region, and intelligently evolve our Arctic infrastructure and capabilities, including ice-capable platforms as needed. U.S. security in the Arctic encompasses a broad spectrum of activities, ranging from those supporting safe commercial and scientific operations to national defense.“ (28) Außerdem stellt sich die Frage, wann Finnland der NATO beitreten wird: „Finnland behauptet zwar, sein Nato-Beitritt würde nicht in Frage kommen, hat aber zuletzt seine Kooperation mit der Allianz wesentlich intensiviert. Unter anderem hoffen die Finnen, von der Nato einen Zuschuss für den Kauf von Rüstungen für ihre Armee zu erhalten, weil sie selbst kein Geld haben,“ kritisierte ein Sprecher des russischen Generalstabs im Juni 2013. (29) Nicht zuletzt nahmen am NATO-Manöver Cold Response 2012 mehr als 16.000 Soldaten aus 15 Ländern teil.
Wie sich die Remilitarisierung der Arktis in Zukunft auswirken wird, bleibt abzuwarten. Bisher werden alle Regionalkonflikte im „Arktischen Rat“ verhandelt, der 1996 von den NATO-Staaten USA, Kanada, Island, Norwegen und Dänemark, sowie Russland, Schweden und Finnland gegründet wurde und sich zunächst nur mit Umweltfragen beschäftigte. Seit diesem Jahr nehmen auch China, Indien, Japan, Südkorea, Singapur und Italien mit Beobachterstatus an den Beratungen teil. Für Konfliktstoff könnte u. a. ein seit Jahrzehnten ungeklärter Grenzstreit zwischen Norwegen und Russland sorgen.
„Artic 30“
Die Bohrinsel Priraslomnaja wird vom Ölkonzern Gazprom Neft Shelf betrieben. Sie soll ein Ölfeld von 72 Millionen Tonnen in der Petschorasee mit 40 schrägen Bohrungen binnen elf Jahren leerpumpen. Aber der Förderbeginn wurde schon um mehrere Jahre verschoben – derzeit ist 2014 als Starttermin vorgesehen. Dabei sind die Verhältnisse hier noch einfach, schließlich ist das Meer an der Bohrstelle nur 20 Meter tief. (30) Aber die von Greenpeace attackierte Ölplattform wurde aus den Überresten der ausgemusterten Ölbohrinsel „Hutton“ zusammengeschustert, die der britische Ölkonzern British Petroleum 2006 abwrackte. „Achtzig Prozent der Anlagen auf der Bohrinsel müssen entweder ausgemustert oder erneuert werden,“ berichtet der Journalist Konstantin Garanin. So sei selbst das Notfallsystem defekt. Es besteht der Verdacht, dass die Ölkonzerne die Sicherheitsmaßnahmen vernachlässigen um Förderkosten zu sparen. Gleichzeitig planen sie den Bau von mindestens 15 Ölplattformen in der Arktis. (31)
Die internationale Umweltorganisation führte ihre Protestaktion quasi zum „richtigen“ Zeitpunkt durch, um auf die jüngste Militarisierung der Arktis durch die russische Regierung aufmerksam zu machen. Die „Arctic 30“ werden wegen „schwerem Rowdytum“ immer noch in Murmansk gefangengehalten. Dort dümpelt auch die beschlagnahmte „Arctic Sunrise“ vor Anker. Da das Schiff unter niederländische Flagge fährt, hat die holländische Regierung ein Verfahren vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg angestrengt, der am 6. November 2013 begann. (32)
Quellen:
(1) http://www.greenpeace.de/themen/oel/nachrichten/artikel/chronologie_arctic_30/
(2) http://www.zeit.de/gesellschaft/2013-09/russland-arktis-greenpeace-schiff-enterung
(3) file:///c:/Gerhard/A%20-%20Copy/-%20Rohstoffe/-%20Arktis/
271013%20Politischer%20Status%20der%20Arktis%20%E2%80%93%20Wikipedia.htm
(4) http://de.ria.ru/russia/20120111/262437867.html
(5) http://de.ria.ru/politics/20121024/264800619.html
(6) http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/russland-schickt-kriegsschiffe-in-die-arktis-a-922330.html
(7) http://library.fes.de/pdf-files/bueros/moskau/07995.pdf
(8) http://de.rian.ru/politics/20130121/265363139.html
(9) http://de.rian.ru/politics/20121204/265068526.html
(10) http://de.ria.ru/politics/20111122/261522313.html
(11) http://de.ria.ru/security_and_military/20131105/267214744.html
(12) http://de.ria.ru/zeitungen/20130917/266893066.html
(13) http://de.ria.ru/security_and_military/20120221/262733306.html
(14) http://de.ria.ru/security_and_military/20111020/261056362.html
(15) http://de.ria.ru/security_and_military/20131015/267078267.html
(16) http://de.ria.ru/zeitungen/20131017/267097189.html
(17) Hier sei der Leser auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen,
etwa die Broschüren „Die Streitkräfte der Russischen Förderation nach
der Streitkräftereform 2010“ (mehrere Bände) von Oberst a. D. der NVA Dieter Stammer.
(18) http://de.ria.ru/zeitungen/20130916/266883037.html
(19) http://de.rian.ru/zeitungen/20130614/266300442.html
(20) http://de.wikipedia.org/wiki/Russische_Seekriegsflotte
(21) http://de.rian.ru/security_and_military/20130102/265261840.html
(22) http://de.wikipedia.org/wiki/Nordflotte
(23) http://de.ria.ru/security_and_military/20131106/267228173.html
(24) http://de.ria.ru/russia/20130815/266675507.html
(25) http://de.ria.ru/security_and_military/20120913/264417671.html
(26) http://de.rian.ru/security_and_military/20120528/263672540.html
(27) http://de.ria.ru/society/20111118/261460654.html
(28) http://www.whitehouse.gov/sites/default/files/docs/nat_arctic_strategy.pdf
(29) http://de.rian.ru/zeitungen/20130613/266294156.html
(30) http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Arktis/ressourcen3.html
(31) http://de.ria.ru/zeitungen/20131018/267105267.html
(32) http://www.spiegel.de/politik/ausland/seegerichtshof-niederlande-kritisieren-russlands-abwesenheit-a-932161.html