Militärforschung
  Ukraine-Krieg 2.0 - 63. Update
 

Ukraine-Krieg 2.0 – Update 63 vom 29. April (D+63)

Gerhard Piper

Lageentwicklung:

Hohe Vertreter der russischen Geheimdienste und des Militär sollen derzeit unzufrieden mit der Kriegsstrategie ihres Präsidenten sein. Und Putin könnten seine „Silowiki“ noch gefährlich werden. Denn die Zeichen stehen nicht gerade auf Deeskalation, wie das „Center for European Policy Analysis“ (CEPA) in Washington nach Recherchen feststellte. Die Eroberung der Süd-Ukraine bis nach Transnistrien ist den Silowiki zu wenig, sie wollen einen Krieg gegen die ärgerliche NATO. Während die westliche Allianz der Ukraine immer schwerere Waffen liefert, würden die russischen Truppen noch unter „Friedensbeschränkungen“ kämpfen und beispielweise „nur“ Luftangriffe auf einige Schlüsselbereiche der ukrainischen Infrastruktur fliegen. Jetzt brauche es den totalen Krieg, heißt es von Seiten des russischen Establishments.

So schrieb der Geheimdienstveteran und Blogger Alexander Arutjunow an Putin gerichtet: „Lieber Wladimir, entscheide dich, kämpfen wir in einem Krieg oder spielen wir nur herum?“ Zum ersten Mal scheinen sich hohe Vertreter der „Sicherheitsministerien“ vom russischen Präsidenten zu distanzieren. Tatsächlich ist eine weitere Eskalation des Kriegsgeschehens denkbar, denn Putin ist zwar Oberbefehlshaber, die Ausführung des Krieges liegt jedoch in der Hand von Militär und Nachrichtendiensten. (https://www.focus.de/politik/ausland/aerger-ueber-kriegsstrategie-putins-silowiki-enttaeuscht-russlands-machtelite-will-den-totalen-krieg_id_89757223.html)

Kriegsverbrechen:

Die britische Regierung schickt Experten zur Untersuchung der Kriegsverbrechen unterstützen. Die Experten sollen demnach bereits Anfang Mai nach Polen reisen. Auch die Niederlande schicken 30 Grenzpolizisten zur Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen. Die Ermittler sollten in der ersten Maihälfte nach Kiew aufbrechen und dort unter der Hoheit des Internationalen Strafgerichtshofs tätig werden.

Gefechte:

Kiew:

Zwei Wochen lang wurde Kiew nicht angegriffen. Aber kaum war der UN-Generalsekretär António Guterres zu einem offiziellen Besuch in der Stadt, wurde sie von den Russen mit fünf Raketen beschossen. Aber es gelang den Russen nicht, den UN-Generalsekretär zu killen. Der Herr Generalsekretär war etwas angepisst.

Getroffen wurde hingegen eine Raketenfabrik. Das russische Verteidigungsministerium erklärte: „Hochpräzise, luftgestützte Langstreckenwaffen der russischen Luftwaffenkräfte haben die Produktionsgebäude des Raketen- und Raumfahrtunternehmens Artiom in Kiew zerstört.“

Außerdem wurde ein 25-stöckiges Wohnhaus zerstört. Dabei kam die Journalisten Vira Hyrych, eine Produzentin des „Radio Liberty“, ums Leben. Sie hatte seit Februar 2018 für den ukrainischen Dienst des Senders gearbeitet. Zehn weitere Personen wurden verletzt.

Kiew-Umgebung:

Der Polizeichef des Kiewer Gebiets, Andrij Njebytow, erklärte, man habe bisher 1.187 Tote geborgen, rund 200 Menschen gelten demnach noch als vermisst.

Osten:

Aus US-Kreisen verlautet, Russland hinke in Donbass offenbar seinem militärischen Zeitplan hinterher. Die russischen Truppen seien demnach schon wieder mehrere Tage in Verzug gegenüber den ursprünglichen Plänen. „Wir glauben, dass sie bei der völligen Einkreisung der ukrainischen Truppen im Osten schon viel weiter hätten sein sollen.“ Die ukrainische Regierung sprach von schweren Verlusten auf beiden Seiten.

- Donezk:

Ukrainische Truppen haben ein Öldepot in der von prorussischen Separatisten gehaltenen Stadt Donezk in Brand geschossen und beschädigt.

Süden:

- Kherson:

Nach ukrainischen Angaben klauen die russischen Truppen im großen Stil Getreide: „Der Diebstahl von Getreide im Gebiet Kherson gefährdet genauso wie die Blockade der ukrainischen Häfen und die Verminung von Schiffsrouten die globale Lebensmittelsicherheit.“ (https://www.n-tv.de/politik/18-20-USA-sehen-keine-Bedrohung-durch-russische-Atomwaffen--article23143824.html)

- Mariupol:

Die Russen haben das letzte funktionierende Feldlazarett in Mariupol, in dem sich rund 500 Verwundete und Ärzte aufhielten, beschossen. Dabei kam mindestens ein Soldat ums Leben, rund 100 Patienten erlitten weitere Verletzungen. (https://www.n-tv.de/politik/18-20-USA-sehen-keine-Bedrohung-durch-russische-Atomwaffen--article23143824.html)

- Odessa:

Die südukrainische Hafenstadt Odessa geriet am Abend des 28. April unter Raketenbeschuss. Dabei habe die Luftabwehr drei russische Raketen abgeschossen. Zuvor sei bereits eine russische Aufklärungsdrohne zerstört worden.

Russland:

- Bjelaja Berjoska:

Nach Angaben des Gouverneurs Alexander Bogomas ist in Bjelaja Berjoska in der Region Brjansk ein Grenzkontrollposten von der Ukraine aus unter Granatenbeschuss genommen worden. Zu Schaden gekommen sei bei dem Angriff niemand. Es seien aber Strom- und Wasserleitungen beschädigt worden. Auch ein Friedhof sei getroffen worden.

- Krupez:

In dem russischen Grenzort Krupez in der Region Kursk ist nach Angaben des dortigen Gouverneurs, Roman Starowojt, ein Kontrollposten unter Beschuss geraten. Die Grenzwachen und das Militär hätten das Feuer erwidert. Es habe keine Opfer oder Schäden gegeben. (https://www.focus.de/politik/ausland/der-kriegsverlauf-in-der-ukraine-im-ticker-us-kaempfer-in-der-ukraine-getoetet_id_52139887.html)

Schwarzmeerflotte:

Russlands Militär hat erstmals vom Einsatz eines U-Bootes bei Raketenangriffen auf ukrainische Ziele berichtet. Im Schwarzen Meer seien von dem Boot militärische Einrichtungen der Ukraine mit Raketen des Typs KALIBR beschossen worden. Bei dem U-Boot handelt sich vermutlich um ein Exemplar der Kilo-II-Klasse.

Verluste:

Willy Joseph Cancel, ein amerikanischer Söldner, ist am 25. April in der Ukraine im Kampf gegen russische Truppen getötet worden. Der ehemalige US-Marineinfanterist stand in den Diensten einer privaten Firma zur Vermittlung von Söldnern.

ABC-Waffen:

Atomwaffen / AKWs:

Das US-Verteidigungsministerium erklärte, dass trotz der jüngsten verbalen Aufrüstung Moskaus keine konkrete Bedrohung durch russische Atomwaffen besteht. Auch könnten die USA keine Bedrohung für NATO-Gebiete erkennen: „Wir beobachten weiterhin jeden Tag ihre atomaren Kapazitäten so gut wir können. Wir haben nicht den Eindruck, dass es eine Bedrohung durch einen russischen Einsatz von Atomwaffen gibt.“

- Nukleares Kommandosystem:

Die Kampfkraft eines Atomarsenals ergibt sich nicht nur aus der Anzahl der Trägersysteme und der Gefechtsköpfe sowie ihrer Sprengkopfstärke, sondern auch aus der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Kommandosystems. An dieses Kommunikationssystem zur Befehlsgebung werden im Frieden und im Kriegsfall extreme Anforderungen gestellt. Es verbindet die militärpolitischen Entscheidungsträger mit den atomaren Kampfeinheiten, unabhängig davon, wo sich wer, wann aufhält. Um technische oder kriegsbedingte Ausfälle von Teilen des Systems zu kompensieren, stehen parallel zueinander mehrere Kommunikationssysteme redundant zur Verfügung, damit soll sichergestellt werden, dass ein einmal gegebener Einsatzbefehl – nach Möglichkeit – alle Adressaten erreicht. Dabei enthält der Entscheidungs- und Einsatzlogarithmus mehrere positive oder negative Veto-Optionen der verschiedenen Amts- und Funktionsträger. Durch die technisch-operativen Regelungen soll gleichzeitig sichergestellt werden, dass ein atomarer Angriffsbefehl unbedingt ausgeführt werden kann, dass diese Ausführung aber auch nur dann erfolgt, wenn zuvor tatsächlich ein echter Befehl erteilt wurde.

Das russische Kommandosystem trägt seit 1985 die Bezeichnung „KASBEK“. Es setzt sich aus verschiedenen Sub-Systemen zusammen. Es dient dazu, möglichst schnell vom Friedensbetrieb in den Kriegsbetrieb umzuswitchen.

Das bekannteste und sichtbarste der KASBEK-Elemente ist das TSCHEGET-System, das 1985 eingeführt wurde. Dabei handelt es sich um drei Kommandokoffer. Sie sind dem Präsidenten der Russischen Föderation (Wladimir Wladimirowitsch Putin), der laut der Verfassung von 1993 zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, dem amtierenden Verteidigungsminister (Armeegeneral Sergei Kuschugetowitsch Schoigu) und dem Generalstabschef (Armeegeneral Waleri Wassiljewitsch Gerassimow) zugeteilt. Die Koffer werden den jeweiligen „Besitzern“ von Begleitoffizieren überall dorthin nachgetragen, wo sich die „Besitzer“ gerade aufhalten.

Jeder einzelne Koffer besteht aus einem Akku, einer Fernmeldeanlage mit Kryptoelement und einem Laptop. Außerdem beinhaltet er Kriegsdokumente.

Im Kriegsfall wird der Inhaber über die akute Alarmlage informiert, er soll dann - mit Hilfe des Begleitoffiziers – aus den vorgeplanten nuklearen, kleineren oder größeren Optionen ein Operationsset herauswählen und dieses mit seinem entsprechenden Code an die Operationszentrale des Generalstabs in Moskau – gegebenenfalls über mehrere Vermittlungsstellen - übermitteln. Der Code setzt sich aus einer mehrstelligen Zahlen-, Buchstaben oder gemischten Kombination zusammen, die drei Einzelgruppen enthält: Code zur Identifizierung des Kofferinhabers, vermutlich eine aktuelle Zeitkomponente und den Einsatzcode der Waffenauswahl. Der Code wird über das eingebaute Fernmeldesystem abgesendet. Es gibt weder einen „roten Knopf“, noch einen „roten Schalter“ oder ähnliches.

In der Operationszentrale der Operationsabteilung des Generalstabs kommt ein eingehender Code in der Kommandokonsole BAKSAN an. Hier wird er identifiziert, d. h. auf seine Echtheit überprüft. Dies erfolgt gleichzeitig am Sitz des Generalstabs im verbunkerten Untergeschoss des Verteidigungsministeriums in Moskau, aber auch in der strategischen Ausweichzentrale im Yamantau-Berg im Ural und an Bord von Kommandoflugzeugen. Früher mussten alle drei Träger des TSCHEGET einem Nukleareinsatz zustimmen, heute sollen es nur noch zwei der drei Personen sein, davon müsste einer der Oberbefehlshaber sein: nur wenn er für einen Nuklearangriff votiert, kann dieser ausgeführt werden. Man darf unterstellen, dass in der Praxis alle drei Amtsinhaber den Nuklearbefehl erteilen, zumindest wird dies erwartet. Unklar ist, wie die Abstimmung über die gewählte Nuklearoption erfolgt. Wahrscheinlich wird sie allein vom amtierenden Oberbefehlshaber bestimmt und die beiden anderen TSCHEGET-Beteiligten müssen einem Nukleareinsatz nur prinzipiell zustimmen.

Darüber hinaus müssen Vorkehrungen für den Fall getroffen werden, dass der Oberbefehlshaber im Kriegsfall ausfällt. Für diesen Fall muss ein Amtsnachfolger vorab bestimmt und technisch ausgestattet werden. Gemäß Art. 92, Abs. 3 der Verfassung handelt es sich um den Ministerpräsidenten (Michail Wladimirowitsch Mischustin), der ist aber an das TSCHEGET-System gar nicht angeschlossen. Als Wladimir Putin und Dmitri Medwedew 2008 ihre Herrschafts-Rochade inszenierten, gab es eine Diskussion darüber, ob nicht auch der ex-Präsident und neue Ministerpräsident Putin an das TSCHEGET-System angeschlossen werden sollte.

Die diensthabenden Offiziere in der Operationszentrale des Generalstabs haben nur begrenzte Kompetenzen, die atomaren oder konventionellen Kampfeinheiten in einen Alarmzustand zu versetzen. In der Regel können sie nur einen Voralarm auslösen. Um darüber hinaus zu gehen, müssen sie auf die entsprechenden „Befehle von Oben“ warten: Der atomare Angriffsbefehl der militärpolitischen Führung geht nur an die Operationszentrale des Generalstabs, nicht aber an die atomaren Kampfeinheiten selbst, dafür ist der Code und das Funksystem des TSCHEGET nicht ausgelegt. Der eingetroffene Code wird von den diensthabenden Offizieren in der Operationszentrale analysiert und gemäß der Optionswahl in die äquivalenten Militärcodes umgesetzt. Diese Codes besitzen sich ausschließlich in den Händen der Militärs. Sie müssen daher einem militärpolitischen Angriffsbefehl stillschweigend zustimmen oder diesen eben verweigern. Dann wird der Befehl zeitgleich über die verschiedenen Kanäle des KAVKAZ-Systems aus Landkabeln, Funksender und Kommunikationssatelliten an die Einsatzzentralen der nuklearen Verbände (Raketendivisionen, Raketenregimenter, Bombergeschwader, U-Boot-Geschwader, etc.) übersandt, wo sie an weiteren Kommandokonsolen des BAKSAN-Systems erneut auf ihre Echtheit überprüft werden. Von dort werden sie an die einzelnen Kampfeinheiten (Raketenabschusseinheiten, Bomberbesatzungen, U-Boote) weitergesendet. Im Fall der strategischen Raketengeschwader stehen dafür u. a. die Systeme SIGNAL-A und SIGNAL-M zur Verfügung. Der ganze Abschussprozess dauert von der Befehlsgebung des Präsidenten bis zum Abschuss der Interkontinentalraketen nur wenige Minuten.

Zur strategischen Triade gehören derzeit 310 Interkontinentalraketen mit ca. 800 Sprengköpfen, 10 Atom-U-Boote mit 176 Raketen und 624 Sprengköpfen und ca. 60 bis 70 Bomber mit nuklearen Abstandswaffen. Neben diesen „strategischen“ Atomwaffen verfügt Russland z. Zt. über 1.912 „taktische“ Atomwaffen.

Bei den Nuklearwaffen muss man zwei Kategorien unterscheiden: Bei den strategischen Interkontinentalraketen und den strategischen Raketen an Bord der Atom-U-Boote sind die atomaren Gefechtsköpfe auf Trägerraketen festmontiert, bei den strategischen Bombern und allen taktischen Systemen sind Träger und Nuklearsprengkopf getrennt. Letztere lagern in zentralen Sonderwaffendepots und müssten für einen Einsatz erst herausgeholt werden und zu den Atomeinheiten herangebracht werden. Nukleargranaten könnten durch Kanonen und Haubitzen abgefeuert werden, Atombomben müssten am Flugzeug erst angebracht werden. Solange diese separaten Nuklearsprengkörper in Depots lagern, unterstehen sie der 12. Hauptverwaltung des Verteidigungsministeriums (Glavnoye Upravleniye Ministerstvo Oborony - GUMO). Zu Zeiten der Sowjetunion gab es im ganzen Land und in den osteuropäischen Satellitenstaaten über 500 Atomwaffendepots, davon sind heute noch 80 Nuklearlager übriggeblieben, davon gelten 15 bis 30 als Zentrallager (Installation S). Die Bomben für die strategischen Bomber sind jeweils in der Nähe des Fliegerhorstes eingelagert, diese Depots werden „Reparatur und Technische Basis“ (Remontno-Tekhnicheskaya Baza - RTB) genannt. Über die Anlage eines sowjetischen/russischen Atomwaffenlagers heißt es beispielshaft von Seiten der CIA:

 

„[The] site consists of a douple-fenced area mesuring approximately 4,900 by 1,650 feet and a small single-fenced support area. The douple-fenced area consits two cruciform buildings, a drive-through checkout building, and a small unidentified building. Each [of the cruciform buildings, measuring 175 by 190 feet] is a heavily constructed drive-through building and is encircled by a road. The support area consists of a administration building and four support buildings.“

Zwar kann die Verladung eines Atomsprengkopfes nicht direkt beobachtet werden, aber sollte ein Lkw in dem Depot vorfahren, würde dies von den US-Überwachungssatelliten registriert werden. Der einzige Grund dafür, dass ein Lkw ins Depot kommt, ist der Abtransport von ein oder mehreren Atomsprengkörpern. Vom Lager würde der Lkw seinen Weg zur Nukleareinheit fahren und dort die Sprengkörper an die 6. Abteilung der Einheit übergeben, die diese dann weiterverteilt. Die Atomwaffen werden dann gemäß dem „Operationsplan der (Strategischen) Nuklearstreitkräfte“ und in Übereinstimmung mit der herrschenden Nukleardoktrin („On Basic Principles of State Policy of the Russian Federation on Nuclear Deterrence“) vom 2. Juni 2020 eingesetzt. Die neue Nukleardoktrin erlaubt auch den Ersteinsatz von Atomwaffen bei einem „nur“ konventionellen Angriff auf Russland: “aggression against the Russian Federation with the use of conventional weapons when the very existence of the state is in jeopardy“.

Eigentlich sollte das KASBEK-System in den neunziger Jahren ersetzt werden durch das System VERSHINA, aber aufgrund des Zerfalls der Sowjetunion, des Chaos der Jelzin-Ära und der Finanzknappheit blieb es z. T. beim alten System.

Für den Fall, das im Verlauf eines nuklearen Schlagabtausches die Niederlassungen und technischen Anlagen des Kommandosystem ausfallen, hat die Sowjetunion in den achtziger Jahren das sogenannte SYSTEMA PERIMETER aufgebaut, das von den Soldaten „mjortwaja ruka“ (dt.: „tote Hand“) genannt wurde. Dieses besteht aus mehreren Interkontinentalraketen, die allerdings keinen atomaren Gefechtskopf trugen, sondern einen Funksender. Bei Ausfall aller anderen Systeme können diese Raketen abgefeuert werden und übersenden dann für die Dauer ihres Überfluges über die Sowjetunion bzw, Russland (20 bis 50 Minuten) den Abschussbefehl über UHF-Frequenzen an alle Bodenstationen, Raketensilos und U-Boote in Reichweite des Gefechtskopfsenders. Bei den ersten Kommandoraketen handelte es sich um 15A11 oder 15P011, einer Variante der MR-UR-100 (NATO-Code: SS-17 SPANKER) mit einem 15B99 Funksender. Mehrere der Kommandoraketen waren/sind auf dem Testgelände Kasputin Jar bei Snamensk stationiert.

Die Entwicklung des SYSTEMA PERIMETER (GRAU-Index: 15E601) begann am 30. August 1974. Zuständig war das Ingenieurbüro „Konstruktorskoye Bjuro Yuzhnoye“ (OKB-586), das sich damals in Dnepropetrowsk (Sowjetrepublik Ukraine) befand. Die Entwicklung des Systems erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Speziellen Konstruktionsbüro des Polytechnischen Instituts im damaligen Leningrad (Leningradskii polyteknicheskii institut imeni Kalininia – LPI). Zu den Projektleitern gehörten Generaloberst Varfolomei Korobushin und Valery Yarynich. Das System wurde im Januar 1985 in Betrieb genommen. Im Falle einer internationalen Krise hätte der Generalstab das System durch Eingabe eines Teils des nuklearen Einsatz-Codes aktiviert und vorgeschärft.

Die ursprüngliche Version sah vor, dass nach Aktivierung des Systems ein Zeitfenster geöffnet wird, in dem ein Gegenbefehl gegeben werde muss, um den automatisierten Abschuss der Kommandoraketen noch zu verhindern. Damit wollte die Sowjetführung sicherstellen, dass im Falle eines von der US-Führung als „First Strike“ angedachten Nuklearangriff, der tatsächlich die gesamte Sowjetführung lahmgelegt hätte - wenn dies denn in der Praxis überhaupt möglich ist – trotzdem noch ein „Second Strike“-Gegenschlag ausgelöst werden könnte. Dazu war das System mit einem Netzwerk von radiologischen Sensoren ausgestattet, die ständig das Niveau der Radioaktivität in der Luft maßen und an Computer meldeten, die aufgrund ihrer Software errechneten, ob die Daten ein hinreichendes Indiz für einen gerade stattfindenden Atomschlag seien. Sollte der Computer zu dieser Erkenntnis gelangen, hatte er die Befugnis, einen Befehl zum atomaren Gegenschlag zu erteilen.

Dieser Grad von Automatisierung der nuklearen Befehlsgebung erachtete man später als zu gefährlich. Bei der zweiten Version muss nach Aktivierung des Systems, ein direkter Abschussbefehl durch einen verantwortlichen Menschen aktiv eingegeben werden, um die Kommandoraketen tatsächlich zu starten.

Den US-Geheimdiensten blieb die Existenz von PERIMETER bis zum Ende des Kalten Krieges verborgen. Durch PERIMETER werden nur die landgestützten Interkontinentalraketen erfasst, in den neunziger Jahren sollten auch die seegestützten U-Boot-Raketen einbezogen werden, dafür wurde das System MORE geplant, aber – aus Finanzgründen – nie verwirklicht. Mit KRYLO sollte auch ein halbautomatisiertes Kommandosystem für die Bomber der Fernfliegerflotte geschaffen werden, aber auch dieses Projekt wurde eingestellt. Ab Mitte der neunziger Jahre war das Kommandosystem der russischen Atomstreitkräfte so marode, dass es kurz vor dem Zusammenbruch stand. Für die Interkontinentalraketen ist PERIMETER – soweit bekannt – nach wie vor im Einsatz.

Unter Wladimir Putin haben die Russen in den letzten Jahren ein neues System zumindest geplant: Die Entwicklung dieser neuen „Doomsday machine“ wurde durch eine Sicherheitspanne bekannt: Am 10. November 2015 traf sich Präsident Putin mit seinen führenden Generälen in Sochi zu einer Besprechung über die weitere Entwicklung der strategischen Streitkräfte. An dem Treffen nahm auch ein Kamerateam des russischen Fernsehens teil, um darüber zu berichten. Ein Kameramann warf einen Blick auf ein Dokument, das ein Offizier genauer betrachtete, so dass man einen Teil des Textes bei einer Standbildeinstellung lesen konnte. Bis heute ist unklar, ob es sich bei diesem Kameraschwenk um eine klassische Sicherheitspanne oder um eine beabsichtigte Desinformation handelte. Bei dem neuen System soll es sich möglicherweise um einen Torpedo mit Nuklearantrieb oder eine Drohne handeln. (https://www.milfors.de/Die-Modernisierung-der-strategischen-Atomstreitkr.ae.fte-Russlands.htm)

USA:

Politik: US-Präsident Joe Biden wies gestern Vorwürfe aus Moskau zurück, die NATO führe in der Ukraine einen Stellvertreterkrieg gegen Russland. Biden beklagt eine „beunruhigende Rhetorik aus dem Kreml“". Er erklärte: „Wir greifen Russland nicht an. (…) Russland ist der Aggressor.“ Die Welt müsse Russland dafür zur Verantwortung ziehen.

SOF-Einsatz: Die USA haben mehrere Spezialeinheiten in der Ukraine im Einsatz. Für die Koordination der amerikanischen Spezialkräfte ist in Stuttgart das US Special Operation Command Europe (SOCEUR) verantwortlich. Offiziell führen sie nur Ausbildungshilfe durch. So berichtete der „Focus“: „Die Green Berets vom 1st Special Forces Operational Detachment trainieren die Ukrainer im Häuserkampf.“ (https://www.focus.de/politik/ausland/der-kriegsverlauf-in-der-ukraine-im-ticker-us-kaempfer-in-der-ukraine-getoetet_id_52139887.html)

Diese Meldung ist so nicht richtig: Entweder es handelt sich um Angehörige des 1st Special Forces Command (Airborne) (USASFC) der „Green Berets“ aus Fort Bragg, oder es handelt sich um Angehörige des 1st Special Forces Operational Detachment-Delta (Airborne), (1st SFOD-D (A) aus Fort Bragg - also der „Delta Force“ und nicht der „Green Berets“. Hinzu kommen Ausbilder der Navy Seals, die ein altes Manövergelände im Westen des Landes als Trainingsstätte nutzen.

Außerdem ist in Litauen eine binationale britisch-amerikanische Sondereinheit mit mehr als 200 Mann stationiert. Sie soll gegebenenfalls den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus Kiew evakuieren. Seit Beginn von Putins Krieg soll es mindestens drei Attentatsversuche auf Selenskyj gegeben haben. Zu dieser Sonderformationen gehören vermutlich Mitglieder der amerikanischen Delta Force und des britischen 22nd Special Air Service Regiment (SAS).

Waffenexporte: In Anlehnung an eine Regelung aus dem Zweiten Weltkrieg wollen die USA die Lieferung von Rüstungsgütern an die Ukraine und andere osteuropäische Staaten erleichtern. Nach dem Senat beschloss am Donnerstag (Ortszeit) auch das Repräsentantenhaus einen entsprechenden Gesetzentwurf. 417 Parlamentarier stimmten dafür, nur zehn dagegen. Der Präsident wird zeitlich befristet bis 2023 ermächtigt, der Ukraine und anderen Staaten in Osteuropa, die vom russischen Angriffskrieg betroffen sind, militärische Ausrüstung zu leihen oder zu verpachten. Bestimmte formale Anforderungen bei dem Prozedere sollen dabei ausgesetzt werden.

Ein ähnliches Leih- und Pachtgesetz (Lend-Lease Act) hatte der US-Kongress am 18. Februar 1941 während des Zweiten Weltkrieges verabschiedet. Großbritannien, die UdSSR, China und viele andere Staaten erhielten damals aufgrund des Leih- und Pachtgesetzes Güter in einem Gesamtwert von knapp 50 Milliarden US-Dollar (ohne Transportkosten). (https://de.wikipedia.org/wiki/Leih-_und_Pachtgesetz)

Die US-Army bildet in ihren Kasernen in Deutschland ukrainische Soldaten im Gebrauch von Haubitzen, etc. aus.

BRD:

Bundeswehr: Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), begrüßt verstärkte Bemühungen um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr: „Der entsetzliche Krieg in der Ukraine verändert alles. Für die Soldatinnen und Soldaten bedeutet es, dass es ernst werden kann, dass es schnell gehen muss, und dass sie immer einsatzbereit sein müssen." Die Bündnis- und Landesverteidigung „wird jetzt sehr konkret“, behauptete Högl. (https://www.n-tv.de/politik/18-20-USA-sehen-keine-Bedrohung-durch-russische-Atomwaffen--article23143824.html)

Energieversorgung: Die deutschen Gasspeicher sind jetzt, am Ende der Heizperiode 2021/22 nur noch zu 34 Prozent gefüllt. Sollte der Gasverbrauch rationiert werden, werden die privaten Haushalte bevorzugt behandelt, hingegen müssten die Unternehmen auf Gasbelieferung verzichten. Grundlage für diese Prioritätensetzung ist die EU-Verordnung 2017/1938. Der Leiter der Bundesnetzagentur Klaus Müller und Vertreter der Industrie wollen dies nun geändert haben. So erklärte der Aufsichtsratschef von „E.on“ Karl-Ludwig Kley, die Politik solle „sehr ernsthaft darüber nachdenken, ob sie die Reihenfolge nicht umdreht und erst bei Privaten abschaltet und dann bei der Industrie“. Vielleicht probiert dies Herr Kley im nächsten Winter in seiner Villa einfach einmal aus.

United Kingdom:

Mehr als 100 Elitekämpfer des 22 Special Air Service Regiment (SAS) aus Hereford (UK), die sich zum Teil schon seit Putins Überfall auf die Krim im Jahr 2014 getarnt in der Ukraine aufhielten, drillen auf dem Territorium der Ukraine Berufssoldaten und Freiwillige der ukrainischen Armee im Gebrauch der Panzerabwehrwaffe NLAW. Hinzu kommen weitere Ausbilder anderer britischer Spezialeinheiten: Kampfschwimmer vom Special Boat Service (SBS) und Fallschirmjäger vom Special Reconnaissance Regiment (SRR). (https://www.focus.de/politik/ausland/der-kriegsverlauf-in-der-ukraine-im-ticker-us-kaempfer-in-der-ukraine-getoetet_id_52139887.html)

Großbritannien entsendet rund 8.000 Soldaten für militärische Übungen nach Osteuropa. Die für mehrere Monate angelegten Übungen sollen von Finnland im Norden bis Nordmazedonien auf dem Balkan reichen.

Zwei Mitarbeiter der NGO „Presidium Network“ sind bei Saporischschja von russischen Militärs entführt worden. Sie hatten Ukrainern bei ihrer Flucht aus den von Russen besetzten Gebieten unterstützt. Die Russen verdächtigen die Briten der Spionage.

Polen:

Polen unterstützt das Nachbarland Ukraine mit der Lieferung von mehr als 200 Panzern des sowjetischen Typs T-72, die Hälfte des polnischen Bestandes. Außerdem hat das Land Luft-Luft-Raketen für die Kampfflugzeuge Mig-27 (NATO-Codename: FLOGGER-D) und Mig-29 (NATO-Codename: FULCRUM) geliefert.

Rumänien:

Prorussische Hacker der Gruppe KILLNET haben nach Angaben von Rumäniens Inlandsgeheimdienst die Internetauftritte mehrerer rumänischer Institutionen durch eine DDoS-Attacke lahmgelegt. Die Websites der Regierung, des Verteidigungsministeriums, des Grenzschutzes, der staatlichen Eisenbahn sowie mehrerer Finanzinstitutionen seien stundenlang nicht erreichbar gewesen.

Russland:

Repression: Der Friedensnobelpreisträger und Chefredakteur der letzten unabhängigen russischen Zeitung „Nowaja Gaseta“, Dmitri Muratow, ist nach US-Informationen am 7. April 2022 Opfer eines Giftanschlags russischer Geheimdienste geworden. Muratow war an jenem Tag auf dem Weg, um von Moskau mit dem Zug in die Stadt Samara zu fahren. Noch im Bahnhof wurde er von einem Unbekannten mit einer Mischung aus roter Farbe und dem Lösungsmittel Aceton beworfen. Diese verursachten Verbrennungen in den Augen. (https://www.n-tv.de/politik/18-20-USA-sehen-keine-Bedrohung-durch-russische-Atomwaffen--article23143824.html)

Die russische Regierung wird zu ihrer 77. Siegesparade auf dem Roten Platz in Moskau diesmal keine ausländischen Staatschefs einladen. Man feiert unter sich.

OSZE:

Aufgrund der russischen Repression beendet die OSZE ihre seit März 2014 andauernde Beobachtermission.