Militärforschung
  Cumbre Vieja
 

Schicksalsberg Cumbre Vieja: Warten auf die Entwarnung

Gerhard Piper

30. September 2021

Auf der Kanareninsel La Palma ist am 19. September 2021 ein Vulkan der Bergkette "Cumbre Vieja" ausgebrochen. Mehrere Dörfer mussten evakuiert werden. Der Ausbruch erinnert an die globalen Gefahren, die von der Cumbre Vieja ausgehen.

Die „Cumbre Vieja“ (dt. Alter Gipfel) ist eine alte Vulkankette auf der Insel La Palma, der nordwestlichsten der sieben Hauptinseln der Kanaren. Der 14 km-lange Höhenzug liegt im Süden der Insel. Er besteht aus 120 Schloten, darunter acht Hauptvulkanen. Der kleinste ist der Volcán Teneguía mit 439 Metern, der höchste Gipfel die Deseada (1949 m). Die Landschaft um die Vulkane gilt als Naturpark. Im Jahr 1949 spuckte der Duraznero Feuer; im Jahr 1971 die Teneguía.

Seit dem 11. September 2021 hatte es eine Reihe leichter Erdbebenstöße gegeben, die einen Vulkanausbruch andeuteten. Seit dem 19. September 2021 spuckt die Vulkankette wieder Feuer, Lava, Asche und giftigen Rauch. Die erste Ausbruchsstelle befindet sich oberhalb von Las Manchas bei Cabeza de Vaca. Die Erdfontänen erreichen eine Höhe von 1.500 m. Später kam eine weitere Ausbruchsstelle nördlich von Tacante hinzu. Der Boden hat sich im Vulkangebiet um bis zu 30 cm angehoben. Im Hafen von Tazacorte kam es zu einem kleineren Felssturz. Große Lavabomben fliegen Kilometerweit durch die Luft. Der Lavastrom fließt auf einer Breite von ca. 50 m Richtung Westen und hat am 29. September bei Playa Nueva den Atlantik erreicht. Die Lavaschicht türmt sich stellenweise bis zu 50 m auf. Wo die glühend heiße Lava auf das Meerwasser trifft, befürchten die Behörden die Entstehung von Salzsäure-haltigen Dämpfen.

Bisher wurden 600 Gebäude zerstört. Das Dorf Todoque existiert nicht mehr. Die Ortschaften Tajuya und Tacande mussten komplett evakuiert werden. Betroffen sind bisher 6.000 Menschen. Der Sachschaden beläuft sich gegenwärtig auf 400 Millionen Euro – Tendenz steigend. Zeitweise musste der Flugverkehr auf dem internationalen Airport von La Palma, rund zehn Kilometer östlich der Vulkankette eingestellt werden, da die Startbahn mit Asche bedeckt war. Dennoch hat der Vulkanausbruch die Zahl der Touristen auf der Insel steigen lassen. Viele Hotels sind ausgebucht. Es wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Man rechnet damit, dass die Eruptionen noch wochenlang andauern werden. (1)

Dies ist aber nicht die größte Gefahr: Als der Duraznero am 24. Juni 1949 bei San Nicholas ausbrach, tat sich ein 2,0 bis 2,5 km langer Erdspalt auf und ließ die Westseite der Cumbre Vieja um etwa 2 m abrutschen. Bei einem neuen Ausbruch besteht prinzipiell die Gefahr, dass der gesamte Hang auf der Westseite mit 1,5 Billionen Tonnen Gestein (Lava, Tuff, …) ins Meer abrutscht. Dann würde sich ein Tsunami entwickeln, der auf die Ostküste der USA zurast mit katastrophalen Folgen für die Megacities an der US-Ostküste. Außerdem würde die Meereswelle die Westküste Europas treffen.

Aufgrund unterschiedlicher Daten, Kalkulationen und Computerprogramme sind die wissenschaftlichen Studien zur Cumbre Vieja etwas unterschiedlich, aber in der Quintessenz stimmen sie überein:

- Bereits 1999 warnte der britische Geologe Bill McGuire vor einem Abrutschen der Westflanke der Vulkankette und machte diese Information mit seinem Buch „Apokalypse: a Natural History of Global Disasters“ allgemein zugänglich.

- Danach legten die Wissenschaftler Prof. Dr. Bill McGuire, Dr. Simon Day, Dr. Steven N. Ward vom britischen Benfield Greig Hazard Research Center (BGHRC) in London 2004 eine dramatische Studie vor:

Bis zu 500 Milliarden Tonnen Gestein der Westflanke der Cumbre Vieja könnten sich bei weiteren Vulkanausbrüchen lösen, in den Atlantik stürzen und dort so gewaltige Wellen werfen, dass noch 6000 Kilometer entfernt Teile New Yorks von 25 Meter hohen Brechern verheert würden.“ (2)

- Hans-Erwin Minor und Willi Hager von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (Schweiz) simulieren Bergrutsche. Sie fanden heraus, im Fall des Falles würde sich eine 650 Meter hohe Welle direkt bei La Palma auftürmen. Mit Jet-Geschwindigkeit von 720 Kilometern in der Stunde würde diese Welle über den Ozean jagen, dabei aber schwächer werden. Wenn sie nach einer Stunde die Küste Marokkos erreichte, wäre sie hundert Meter hoch. Ein paar Stunden später würden sich vor New York 25 Meter hohe Wellen auftürmen und bis zu zwanzig Kilometer landeinwärts die amerikanische Ostküste verheeren. (3)

- Die „Technische Universiteit Delft" (TUD) in den Niederlanden hat 2014 eine Studie der Wissenschaftler Prof. Dr. Jan Nieuwenhuis, Janneke van Berlo, Dr. Ronald Brinkgreve und Robert Jan Labeur veröffentlicht. Bei „Wikipedia“ heißt es zusammenfassend:


„Einige Geologen befürchten, dass bei einem weiteren Ausbruch aufsteigendes Magma in wasserführende Gesteinsschichten der Cumbre eindringen könnte. Explosionsartiges Verdampfen des Wassers könnte den Berghang instablil werden lassen. Bis zu 500 Milliarden Tonnen Gestein könnten dadurch ins Meer rutschen. Ein solch gewaltiger Bergsturz würde einen Megatsunami im Atlantik auslösen.

Nach Untersuchungen der Technischen Universität Delft ist ein solcher Bergrutsch in den nächsten 10.000 Jahren jedoch unwahrscheinlich, da die Cumbre noch nicht hoch und nicht steil genug sei. Nur wenn Extreme aufeinanderträfen, wie beispielsweise sehr ergiebiger Regen bei gleichzeitig außergewöhnlich starkem Vulkanausbruch, wäre überhaupt ein Flankenrutsch möglich. Berechnungen der Universität besagen, dass Kräfte von bis zu 28 Billionen Newton wirken müssten.“ (4)

Juan Carlos Carracedo vom Institut für Vulkanologie auf der Nachbarinsel El Hierro fand heraus, dass dort vor 120.000 Jahren ein ähnlicher Bergrutsch hervorgerufen wurde. Der gesamte Nordwestteil eines 1500 Meter hohen Vulkans stürzte damals ins Meer. Die aufgeworfene Flutwelle traf auf die Bahamas und wuchtete dort 2000 Tonnen schwere Felsen zwanzig Meter über den Meeresspiegel.

Quellen:

(1) Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Vulkanausbruch_La_Palma_2021
(2) Knauer, Roland: Gefahr von den Kanaren, Frankfurter Allgemeine Zeitung Online, Frankfurt, 28. Dezember 2004, o. S., Online: www.faz.net/aktuell/gesellschaft/tsunami-simulation-gefahr-von-den-kanaren-1194921.html (Download am 30. September 2021

(3) ebd.

(4) Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Cumbre_Vieja