Das russische, strategische Atomarsenal und seine Modernisierung
Gerhard Piper
22. März 2018
Allgemeines
Am 1. März 2018 hielt der russische Präsident Vladimir Vladimirovich Putin eine Rede zur Lage der Nation vor dem russischen Föderationsrat zur Lobpreisung der „neuen“ Stärke Russlands. Anlass war die nächste Präsidentschaftszustimmungsabstimmung am 18. März, bei denen Putin als amtierender Staatspräsident erneut kandidierte und das Volk die Wahl hat zwischen Wahl und Nichtwahl, so dass niemand an einer Wiederwahl zweifelte. Zweimal zehn Tage Demokratie in den letzten tausend Jahren (August 1991 und Dezember 2011) russischer Tyrannei waren nicht genug, um ein kritisches politisches Bewusstsein nachhaltig zu kultivieren. Nun bleibt Putin Präsident bis 2024 oder solange, bis ihn seine Geheimdienst- und Oligarchenmafia durch eine andere Figur ersetzt. Dank dem Engagement seiner Bodyguards vom Federalnaja Sluschba Ochrany (FSO, dt.: Föderaler Dienst für Bewachung) hat Putin bisher 5 bis 6 Attentatsversuche in Moskau, Sankt Petersburg, Baku etc. überlebt. Der Umfang und die Struktur seiner Kamarilla werden von den verschiedenen Analytikern unterschiedlich bemessen. Putins aktuelle Wiederwahl wurde von den deutschen Faschisten und Kommunisten sogleich bejubelt. So forderte Sarah Wagenknecht: ein „Reset“ des „Resets“ der deutsch-russischen Beziehungen: „Keine Verschärfung des Kalten Krieges, sondern neue Entspannungspolitik: Nach Wiederwahl von Putin ist Neustart der Beziehungen mit Russland nötig. Statt Vorverurteilungen & immer absurderen Sanktionsforderungen muss das Sanktionsregime beendet werden.“ (1)
Immerhin darf Vladimir Putin zufrieden sein; so konnte der Parvenü aus den Hinterhöfen der Baskowgasse im damaligen Leningrad in den letzten 19 Jahren ein erhebliches „Privatvermögen“ zusammenraffen. Dessen Schätzungen fallen höchst unterschiedlich aus: 36 Milliarden („BBC“), (2) 80 Milliarden („Forbes“), 130 Milliarden („Sunday Times“), bis zu 200 Milliarden („CNN“) (3) – US-Dollar nicht Rubel!
Als Präsident bleibt Putin zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Die Befehlsgewalt über die Atomwaffen liegt beim ihm, beim Verteidigungsminister „General“ Sergey Kuzhugetovich Shoygu und beim Chef des Generalstabs General Valery Vasilyevich Gerasimov. Es ist zu vermuten, dass die eigentliche Entscheidungskompetenz beim Präsidenten liegt und die beiden Militärs zum Schutz gegen einen Machtmissbrauch von höchster Stelle lediglich ein positives Vetorecht ausüben.
Jeder der drei genannten Befehlshaber ist dazu mit einem Kommunikationskoffer ausgestattet, der ihm jederzeit und überall hin nachgetragen wird und mit dem er über das Kavkaz-Kommunikationssysteme eine Verbindung zu seinen militärischen Kommandospitze herstellen kann: Das Natsional'nyi tsentr upravleniya oborono (NTsUO) nahm am 1. Dezember 2014 seinen Betrieb auf und hat seinen Sitz im Hauptgebäude des Verteidigungsministeriums (Ministerstvo oborony – MO oder Minoboron) in Moskaus (Frunzenskaya Embarkment, 20). Es wird derzeit von Generalleutnant Mikail Metsev geleitet, dem über 1.000 Stabsoffiziere unterstehen. (4) Die Datenverarbeitung läuft über das Computersystem Astra Linux von RusBitTech. Hinzu kommt Baksan, die alte Kommandozentrale des Generalstabs (TsKP-GSh) in Moskau (Ulitsa [= Strasse] Znamenka, 19). Möglicherweise dient sie noch zur Reserve. (5)
Der Codename für den Atomkoffer heißt CHEGET, er ist auch unter der Bezeichnung „chemodanchik“ bekannt. Der Befehlskoffer wurde in der damaligen Sowjetunion erst im März 1985 eingeführt. Zur Entscheidungsfindung verbleiben dem russischen Präsidenten im Falle eines (amerikanischen) Angriffs ca. 2 bis 4 Minuten. Der atomare Kriegsplan wird von der Operationsabteilung des Generalstabs in ausgearbeitet und vorgehalten. Er ist unter der Bezeichnung Plan operatsii strategicheskikh yadernykh sil (POSYaS) bekannt und wird von den Amerikanern „Red Integrated Strategic Operational Plan“ (RISOP) genannt. (Zur Transkription der kyrillischen Buchstaben siehe die Anmerkung am Ende des Textes.)
Staatspräsident Vladimir Putin kann seine Einsatzbefehle von seiner ex-zaristischen Datscha in Novo-Ogaryovo (Rubljowo-Uspenskoje-Chaussee) oder vom Kommandobunker auf dem Kreml-Gelände erteilen, oder er lässt sich über das geheime U-Bahnsystem, die so genannte „Metro-2“ (= „Metro Dva“) als Teil des (jahrhundertealten) Bunkersystem unterhalb der Stadt, aus der Hauptstadt zu einem Kommandoflugzeug evakuieren.
Dieses U-Bahnnetz besteht aus drei Linien, die alle am Kreml vorbeiführen: Die Parallellinie zur offiziellen U-Bahnlinie „3“ ist 27 km lang und führt zum über die Stationen Leninbibliothek, Smolensker Platz und Sperlingsberge zum Bunkerkomplex Ramenski-43 auf dem Gelände der Moskowski gossudarstwenny uniwersitet imeni M. W. Lomonossowa (MGU – dt.: Staatliche Universität Lomonosow). Eine weitere Linie führt zum Regierungsflughafen Vnukovo-2. Die dritte Linie parallel zur öffentlichen Linie „2“ ist ca. 25 km lang und führt vom Kreml über das FSB-Hauptquartier (Federal'naya sluzhba bezopasnosti Rossiyskoy Federatsii) in der Lubyanka zum Militärstützpunkt Balachicha-Sarja. Hier befindet sich seit 1998 das Hauptquartier Glavkomat der Luftwaffe (Voenno-vosduschnye sily - VVS) in dem Gebäudekomplex, in dem sich früher das Hauptquartier der Luftverteidigung PVO befunden hatte. Die vierte Linie ist 60 km lang und führt vom Kreml zum „Sanatorium“ für die Partei- und Staatsbosse in der Gemeinde Bor. Die U-Bahnzüge verlaufen in einer Tiefe von 50 bis 200 m. Zwischen dem öffentlichen Nahverkehrsnetz und dem geheimen Regierungsnetz gibt an mehreren U-Bahnstationen (Borovizkaya, Troparevo etc.) Übergangsstellen. (6)
Der Generalstab hat seinen Sitz im Verteidigungsministerium in Moskau, ein verbunkertes Hauptquartier befindet sich im Berg Yamantau bei Mezhgorye im Südural. Von der Operationszentrale des Generalstabs würde der nukleare Angriffs- bzw. Gegenangriffsbefehl im Falle eines feindlichen Raketenangriffs (ataka raketa) an die strategischen Verbände weitergeleitet. Dies ist die Funktion der über Russland verteilten landgestützten Kommandozentralen und spezieller Kommandoflugzeuge wie die Ilyushin Il-80 / IL-86VKP Aimak (US/NATO-Code: MAXDOME). „VKP“ bedeutet Vozdooshniy Komanndniy Poonkt, also „luftgestützter Gefechtsstand“. Die eingesetzten Maschinen tragen u. a. folgende Seriennummern: RA-86146, RA-86147, RA-86148, RA-86149, RF-93642. (7) Hinzu kommen sechs Maschinen vom Typ Ilyushin Il-96-300 PU (= Punkt Uprawlenija = Führungsstelle). Diese Maschinen tragen folgende Seriennummern: RA-96012, RA-96016, RA-96018, RA-96019, RA-96020 und RA-96021, die u. a. vom russischen Präsidenten genutzt werden. (8) Ein Teil dieser Spezialflugzeuge ist als ziviles Passagierflugzeug getarnt und mit dem Anstrich der Airline „Aeroflot“ versehen. Sie sind auf dem 6991. Fliegerhorst Chkalovsky rund 30 km nordöstlich von Moskau stationiert. Der Verband nannte sich früher „8. Luftwaffendivision z. b. V.“.
Über die Abschussprozedur für die frühere Interkontinentalrakete R-12 (US/NATO-Code: SS-4 SANDAL) aus den sechziger Jahren berichtete der frühere Offizier Juriy Lisitsch:
„„Den Job im Bunker hätte auch ein Idiot machen können", sagt Lisitsch. „Das ist wie Auto fahren, die Bewegungen gehen in Fleisch und Blut über.“ Der Abschussbefehl wäre vom Oberkommando der Sowjetarmee aus Moskau gekommen. Am Kontrollpult hätte ein Lämpchen aufgeleuchtet und ein Summen wäre ertönt. Auf einem Monitor wäre das Wort „Pusk“ (russisch: Start) erschienen. Der befehlshabende Offizier hätte einen Tresor geöffnet, in dem sich zwei Schachteln mit jeweils zwei Schlüsseln befanden. Ein Schlüssel war für den Befehlshaber, der andere für den Co-Offizier bestimmt. Die beiden hätten die Schlüssel gleichzeitig in die Zündvorrichtung einsetzen müssen.
Danach wäre auf einem anderen Monitor ein sechsstelliger Code erschienen. Dann hätte der Befehlshaber aus dem Oberteil des Tresors eine dritte Schachtel herausgeholt. Darin befand sich ein versiegelter Briefumschlag mit einer weiteren sechsstelligen Zahlenfolge. Wenn deren letzte Ziffer mit dem letzten Zeichen des Codes auf dem Monitor übereingestimmt hätte, wären die Offiziere zum Abschuss der Raketen berechtigt gewesen.
Nur beide Offiziere gleichzeitig hätten die Raketen zünden können. Dazu hätten sie mit der linken Hand den Startknopf gedrückt gehalten. Mit der rechten Hand hätten sie die Zündschlüssel gegen den Uhrzeigersinn um 90 Grad drehen müssen. Diese Prozedur musste zwei Mal erfolgen, nur dann wären die Raketen gestartet. „Diesen Ablauf haben wir jahrelang geübt“, erzählt Lisitsch.
Nach dem Abschuss hätte die Mannschaft nur noch warten können. „Wahrscheinlich wäre der Stützpunkt von gegnerischen Atomraketen getroffen worden“, sagt Lisitsch. Dem Angriff hätte der Bunker standgehalten. Vierzig Tage hätten die Offiziere in totaler Isolation überleben können. Es standen Notrationen bereit, sogar eine Mikrowelle gab es im Bunker. „Die Notverpflegung war besser als das normale Essen.“ Nach Verbrauch der Vorräte wären die Soldaten in ein Rohr gekrochen und in einer Luftdruckkapsel nach oben geschossen worden. „Der Lift hätte nicht mehr funktioniert.“ Oben hätten sie sich Schutzanzüge übergezogen und wären in die verstrahlte Gegend hinausgegangen.“ (9)
Das russische Atompotential
Insgesamt verfügen die russischen Streitkräfte gegenwärtig über 7.000 Atomsprengköpfe; amerikanische Militärexperten aus dem Pentagon befürchten, dass Russland sein Arsenal auf 8.000 Stück bis zum Jahr 2026 steigern könnte. (10) Mit Stand vom 1. April 2017 verfügten die russischen Streitkräfte über 1.765 strategische Atomsprengköpfe. Diese waren auf 523 Trägersysteme (Interkontinentalraketen, U-Boot-Raketen und Bomber) verteilt. Allerdings unterstellt diese Zählweise nach den Kriterien des New START Treaty, dass pro Bomber nur eine Atomwaffe mitgeführt wird, was definitiv nicht der Fall ist, sodass die tatsächliche Zahl der Atomsprengkörper wesentlich höher einzuschätzen ist. (11)
Das russische strategische Atomarsenal (Stand: 2016)
Typ
|
Zahl der Trägersysteme
|
Jahr
|
Sprengköpfe pro Träger
(Anzahl / Sprengkraft KT)
|
Gesamtzahl Sprengköpfe
|
Interkontinentalraketen
|
RS-20V
|
46
|
1988
|
10 / 500
oder 10 / 800
|
460
|
RS-18
|
20
|
1980
|
6 / 400
|
120
|
RS-12M Topol
|
90
|
1988
|
1 / 800
|
90
|
RS-12M1 Topol-M
|
18
|
2006
|
1 / 800?
|
18
|
RS-12M2 Topol-M
|
60
|
1997
|
1 / 800
|
60
|
RS-24 Yars (mob)
|
63
|
2010
|
4 / 100?
|
252
|
RS-24 Yars (Silo)
|
10
|
2014
|
4 / 100?
|
40
|
Zwischensumme
|
307
|
|
|
1.040
|
U-Boot / U-Boot-Raketen
|
RSM-50
|
2 / 32
|
1978
|
3 / 50
|
96
|
RSM-54 Sineva
|
6 / 96
|
2007
|
4 / 100
|
384
|
RSM-56 Bulava
|
3 / 48
|
2014
|
6 / 100
|
288
|
Zwischensumme
|
11 / 176
|
|
|
768
|
Bomber
|
Tu-95MS6
|
27
|
1984
|
6 / Kh-55
|
162
|
Tu-95MS16
|
30
|
1984
|
16 / Kh-55
|
480
|
Tu-160
|
13
|
1987
|
12 / Kh-15
oder 12 / Kh-55
|
156
|
Zwischensumme
|
70
|
|
|
798
|
Gesamtsumme
|
553
|
|
|
ca. 2.600
|
Quelle: Norris, Robert S. / Kristensen, Hans M.: Nuclear Notebook: Russian Nuclear Forces, 2016, in: Bulletin of the Atomic Scientists April 2016, hier: www.atomwaffena-z.info/heute/atomwaffenstaaten/russland.html
Eigentlich besteht das strategische Atomwaffenarsenal aus nur wenigen Systemen, aber Waffentypen splitten sich weiter auf in verschiedene Versionen, Varianten und Modifikationen, die durch Umbauten oder Modernisierungen im Lauf der Jahre entstanden sind. Außerdem ist jedes Waffensystem gleich unter mehrere Bezeichnungen bekannt:
1. Eine Projektnummer während des Entwicklungsprozesses im Konstruktionsbüro,
2. Manchmal tragen die Waffensystem auch eine Betriebsbezeichnung der Herstellerfirma,
3. Infanteriewaffen, Artilleriesysteme und Landraketen etc. tragen einen so genannten GRAU-Index, das ist eine systematisierte Buchstaben-Zahlen-Kombination, die ursprünglich von der Glavnoye raketno-artilleriyskoye upravleniye MO (GRAU = dt.: Hauptverwaltung für Raketen und Artillerie des Verteidigungsministeriums) vergeben wurde und heute von der Nachfolgeorganisation GURVO (dt.: Verwaltung Raketenbewaffnung) vergeben wird,
4. Einen Namen, unter dem das Waffensystem bei den Streitkräften bekannt is (z. B. Tu-160)
5. Manche Atomwaffen haben auch einen Spitznamen, den ihnen die Soldaten verliehen haben (z. B. „Belyy lebed“ für den Schwenkflügelbomber Tu-160),
6. Eine von der russischen Regierung vergebene internationale Bezeichnung, die in erster Linie bei den Rüstungskontrollabkommen angewendet wird,
7. eine amerikanische Bezeichnung, unter der das jeweilige Waffensystem bei der US-Regierung geführt wird. Diese ist bei den Raketen eine Buchstaben-Zahlen-Kombination auf Basis von SS(M)-…., die Abkürzung für „Surface-Surface(-Missile)“ bzw. „Boden-Boden(-Rakete)“ (z. B. „SS-9“); sowjetische bzw. russische Bomber erhalten einen Codenamen, der mit einem „B“ anfängt (z. B. „BLACKJACK“),
8. das „Air Standards Coordinating Committee“ (ASCC) der NATO vergibt für jedes bekannte russische Waffensystem ebenfalls einen eigenen Codenamen oder übernimmt – im Falle der Bomber – die amerikanische Bezeichnung.
Gleichzeitig haben die Konstruktionsbüros und Produktionsstätten im Lauf der Jahre und Jahrzehnte nicht nur ihr Personal mehrfach ausgetauscht, sondern oftmals auch ihren Namen gewechselt. So ist das bespielsweise das Designbüro von Vladimir Nikolaevich Chelomej u. a. unter den Bezeichnungen „OKB-52 GRAT“, „TsKBM“ oder „Reutov“ bekannt. Im Fall der so genannten „geheimen Städte“ wurde mittlerweile der Codenamen durch eine richtige Ortsangabe ersetzt (z. B. heißt das frühere „Sverdlovsk-45“ jetzt „Lesnoy“). Darüber hinaus wird der Name i. d. R. nicht vollständig angegeben und z. B. die Bezeichnung für die Rechtsform des Unternehmens schlicht weggelassen.
Angesichts dieser komplexen und komplizierten Sachlage kann es nicht überraschen, dass die Angaben zur den technischen Maßen und zur Entwicklungsgeschichte der einzelnen Waffensysteme nicht nur lückenhaft sondern z. T. auch widersprüchlich sind. Dafür gibt es verschiedene Gründe:
1. Die amtliche Angabe der russischen Regierung ist richtig.
2. Die offizielle Angabe ist falsch, weil es sich nur um eine sowjetisch-russische Übertreibung zu Propagandazwecken oder zur Irreführung handelt.
3. Die Angabe stammt aus der US-/NATO-Militäraufklärung und ist entweder richtig oder falsch.
4. Die Angabe ist zu oberflächlich und daher falsch.
5. Die Angabe ist veraltet und daher falsch.
6. Der Autor der Quelle hat die an sich richtige Information auf die falsche Version/Variante eines Waffensystems bezogen, daher ist die Angabe in dieser Verbindung falsch.
So liegen zwei sich widersprechende Angaben vor und man kann nicht entscheiden, welche davon die wahrscheinlich richtige ist. Beim Hinzuziehen einer dritten Quelle wird manchmal eine der beiden Informationen bestätigt, allzu oft kriegt man aber eine dritte abweichende Angabe und die Verwirrung ist noch größer.
Die Entwicklung neuer Waffensysteme unterliegt einer strengen Geheimhaltung, daher ist man i. d. R. auf die Erkenntnisse der Gegenseite, in diesem Falle der USA oder der NATO, angewiesen. Aber deren Aufklärung ist lücken- und fehlerhaft. So kam es vor, dass die sowjetischen bzw. russischen Militärs zwischen zwei Waffensystemen unterschieden, die die NATO-Intelligence für ein und dasselbe Waffensystem hielten, und es gab sogar den umgekehrten Fall, dass die NATO zwischen zwei Waffensystemen unterschied, während die Militärs in Moskau behaupteten, die Waffe sei „nur“ eine modernisierte Variante eines alten, längst bekannten Systems.
Modernisierung des Atomarsenals
Im Rahmen der Streitkräftemodernisierung gemäß dem Programm Gosudarstvennaya Programma Vooruzhenya 2020 (GPV 2020) werden auch die russischen Atomstreitkräfte umgestaltet. Allerdings sind die Rüstungsprojekte in Russland - wie im Westen – geprägt durch jahrelange Verzögerungen und Kostensteigerungen. Daher ist die Unterscheidung zwischen einem „neuen“ und einem „alten“ System nicht immer überzeugend. Darüber hinaus wird das ein oder andere Projekt noch in der Entwicklungsphase eingestellt, ohne das darüber sogleich Informationen nach außen dringen.
Am 10. Januar 2018 kündigte der russische Verteidigungsminister Shoigu die Entwicklung neuartiger Atomwaffen in den nächsten Jahren an: „The main focus should be made on further bolstering strategic nuclear power. The share of advanced armaments in the Russian nuclear triad should constitute at least 90 percent by 2021.” (12)
In seiner Wahlkampf- und Propagandarede vom 1. März 2018 kündigte Putin die Entwicklung von mehreren neuen strategischen Waffensystemen an. (13) Während die bürgerliche „Qualitätspresse“ in Deutschland, die für das miese Niveau ihrer militärischen und militärpolitischen Berichterstattung bekannt ist, in der Putinrede gerade einmal vier Waffensysteme ausmachen konnte, waren es tatsächlich sieben Systeme, darunter sechs Atomwaffenprojekte:
1. das bereits bekannte Projekt der Interkontinentalrakete Sarmat,
2. ein modernisierte Marschflugkörper auf Basis der Kh-101,
3. Unterwasser-Drone mit Atomantrieb,
4. hypersonische Rakete Kinzhal,
5. neue strategische Rakete mit einen Gefechtskopf mit Gleitflügeln,
6. Raketensystem Rubezh bzw. Avanguard,
7. Laserwaffe.
Ein Teil dieser Projekte befindet sich bereits in der Einführung, ein anderer Teil noch in der Entwicklung. Da Waffenentwicklungsprogramme immer einer strengen Geheimhaltung unterliegen, kann man den Entwicklungsstand oft nicht einschätzen. So muten manche der genannten Waffenprojekte wie Science-fiction-Systeme an. Sie erinnern an (gescheiterte) Waffenprojekte, die bereits während der Technik-Euphorie in den 50er Jahre angedacht wurden: Tu-95LAL Lastochka (LAL = Letayushchaya atomnaya laboratoriya = dt.: Fliegendes Atomares Laboratorium) und Tu-119 mit Atomantrieb mit Kusnezov NK-14A Triebwerken, MKR, RSS-52 Buran, LA-350 Burya oder Tu-133 etc.. Damals fehlten noch die Technologien, um diese Wunschprojekte zu realisieren.
Die Erklärungen von Präsident Putin wurden sicherlich mit den Experten im russischen Verteidigungsministerium abgestimmt, dennoch wurden seine technischen Behauptungen und Ausführungen von westlichen Experten angezweifelt. So erklärte der Physiker und Atomwaffenexperte Dr. Igor Sutyagin vom Royal United Services Institute (RUSI) in London: “I’m not sure if he understands what he said about low altitude, but intercontinental ballistic missiles have been flying at low altitude since at least the 1980s.” (14)
Während Putin suggerierte, die russische Rüstungsindustrie könne trotz der allgemeinen Rezession Atomwaffen wieder wie Würstchen produzieren, leiden die Unternehmen – nach wie vor – an Finanzierungsproblemen. Außerdem macht der „Brain drain“ den Laboratorien und Entwicklungsbüros zu schaffen. Viele qualifizierte Techniker und Ingenieure sind angesichts der Perspektivlosigkeit im Russland des autokratischen, bürokratischen und kleptokratischen Putin-Regimes ins Ausland geflüchtet. Probleme gibt es auch bei der Materialbeschaffung wie bei der Ersatzteilversorgung, was sich auf die Einsatzbereitschaft der Waffensysteme niederschlagen muss.
1. Interkontinentalraketen
Das Hauptquartier der Raketniye Voiska Strategicheskogo Naznacheniya (RVSN – Raketentruppen Strategischer Bestimmung) befindet sich in Kuntsevo bzw. Vlasikha bei Moskau (Codename: Odintsovo-10), der Ausweichgefechtsstand GROT ist unterirdisch im Berg Kosvinsky-Kamen bei Kytlym im Ural untergebracht. Ein weiterer Ausweichgefechtsstand befindet sich bei Sverdlovsk. Als Kommandeur amtiert z. Zt. General Sergei Karakayev. Innerhalb des Stabes der Raketentruppen ist die Abteilung Glavnoye upravleniye raketnykh vooruzheniy (GURVO) für die Beschaffung neuer Raketentypen zuständig, während die Abteilung GUERVO für die Instandhaltung der vorhandenen Waffensysteme verantwortlich ist. Die Streitkräfte verfügen über verschiedene Flugkörpertypen (RS = raketa strategicheskaya).
- Gegenwärtige Systeme
-- R-36M2 Voyevoda (US/NATO-Code: SS-18 M5 SATAN)
Von der R-36M (R = raketa) gibt es sechs Versionen, von denen nur noch die Version R-36M2 Voyevoda im Einsatz ist. Die R-36M war eine Weiterentwicklung der R-36 (US/NATO-Code: SS-9 SCARP), die von Mikhail Kuzmich Yangel vom Konstruktionsbüro Konstruktorskoye Bjuro Yuzhnoye (GKBYu) in Dnepropetrovsk (Ukraine; jetzige ukrainische Bezeichung: Dnipro) entwickelt worden war. Die Flugkörper wurden dann von der Fabrik Yuzhny Zavod (jetzige ukrainische Bezeichnung: Vyrobnyche Ob'yednannya Pivdennyy Mashynobudivnyy Zavod imeni O. M. Makarova [PA Yuzhmash]) gebaut und 1974 bei den sowjetischen Raketentruppen eingeführt. Die ersten R-36M (SS-18 Mod. 1 SATAN) wurden von Vladimir Fyodorovich Utkin vom selben Konstruktionsbüro entwickelt. Der Flugkörper hatte seinen Erstflug am 20. April 1988. Die ersten R-36M der Version RS-20B (US/NATO-Code: SS-18 Mod. 5 SATAN) folgten im Verlauf des Jahres 1988. Damals galten sie mit ihrem Triebwerk der ersten Stufe RD-274 als die leistungsstärksten ICBMs der Welt.
Die verschiedenen Versionen unterschieden sich u. a. in der Wahl des Gefechtskopfes: Die alte Version R-36M (SS-18 Mod. 1) hatte einen Monoblock-Sprengkopf von 18 bis 25 MT TNT-Äquivalent, die alte R-36MP trug einen Monoblock-Gefechtskopf 8F021 mit einer Sprengkraft von 2 bis 5 MT, die frühere R-36M (SS-18 mod. 3) trug einen Gefechtskopf 8F675 mit einer Sprengkraft von 18 bis 25 MT, dem größten serienmäßig gebauten sowjetischen Atomsprengkopf, die gegenwärtige RS-20B / R-36M2 Voyevoda (Variante SS-18 Mod. 5) transportiert einen Gefechtskopf mit einer Sprengkraft von 1MT und die anscheinend bereits ausgemusterte RS-20V / R-36M2 Voyevoda (SS-18 Mod. 6) besaß einen Sprengkopf 15F175 mit 20 MT. (15) Die SS-18 kann zehn Gefechtsköpfe á 500 bis 800 KT mitführen. Allerdings behauptete die russische Nachrichtenagentur TASS im Jahr 2010, es seien angeblich bis zu 36 Sprengköpfe möglich. Für die Mehrfachsprengköpfe wird u. a. die Typenbezeichnung „15F173“ angegeben.
Die R-36M2 hat bei einer Länge von 34,3 m und einem Querschnitt von 3,0 m ein Startgewicht von 211,1 Tonnen. Der Gefechtskopfsteil hat ein Eigengewicht von 8,8 Tonnen. Die Reichweite beträgt zwischen 11.000 (Monoblock) und 16.000 km (Mehrfachsprengköpfe). Die Zielabweichung liegt bei 500 m.
Die Entwicklung der R-36M2 begann am 9. August 1983. Sie hatte am 21. März1986 ihren Erstflug. Der Flugkörper wurde am 23. August 1990 in Dienst gestellt. Es sollen noch 68 RS-20B vorhanden sein. 18 Raketen befinden sich bei der 13. Rotbanner-Raketendivision in Dombarovskiy, 28 Raketen bei der 62. Raketendivision in Uzhur, und weitere Flugkörper sollen noch in Solnetschny disloziert sein. Die verbliebenen SS-18 sollen bis Ende 2019 ausgemustert werden, um sie als Satellitenträgerraketen noch zu verwenden. Sie werden bei den Raketentruppen durch SS-30 Sarmat ersetzt. (16) Die ursprüngliche Nutzungsfrist von zehn Jahren wurde durch entsprechende Arbeiten verlängert.
Auf Grund der großen Sprengkraft wurde an die Entwicklung einer Spezialversion gedacht, um einen Asteroiden, der mit der Erde zusammenzustoßen droht, abzuschießen.
-- RS-18B / UR-100NUTTH / UR-100NUTTKh (US/NATO-Code: SS-19M3 STILETTO)
Die Interkontinentalrakete(engl. Intercontinental Ballistic Missile – ICBM) hat – nach unterschiedlichen Angaben - eine Länge von 24,3 bis 27 m bei einem Durchmesser von 2,5 m. Sie hat ein Gewicht von 105,6 Tonnen. Die Version UR-100NU (SS-19 Mod. 2) war mit einem Atomgefechtskopf von 5 MT bestückt und wurde Anfang der achtziger Jahre ausgemustert, die neuere Version UR-100NUTTKh (= SS-19 Mod. 3) trägt sechs Atomsprengköpfe á 400 bis 550 KT (UTTKh = uluchshenniye taktikotekhnicheskie kharakteristiki = verbesserte taktische und technische Charakteristika). Die Reichweite beträgt ca. 10.000 km.
Entworfen wurde der Flugkörper von Vladimir Nikolaevich Chelomej und Gerbert Aleksandrovich Jefremov vom NPO Mashinostroyeniya. Die Herstellung der Flugkörper erfolgte im Mashinostroitelnyy zavod imeni M. V. Khruschicheva in Moskau (Ulitzsa Novozavoskaya, 18). Die ursprüngliche Version UR-100N wurden 1974 bei den Streitkräften eingeführt. Die Version U-100NUTTKh wurde erstmals 1977 getestet und am 6. November 1979 in Dienst gestellt. Die Serienproduktion endete bereits 1985. Die Lagerungsdauer der aufgetankten Flüssigkeitsrakete wurde von 10 auf mindestens 25 Jahre verlängert.
Zur Zeit sind noch – nach unterschiedlichen Angaben - 30 bis 72 Raketen der Version UR-100UTTKh im Bestand: So sollen noch einige Exemplare in Koselsk disloziert sein, 30 Raketen bei der 60. Raketendivision in Tatishchevo und mehrere UR-100NUTTH mit hypersonischen Erprobungsgefechtsköpfen (Project 4202) bei der 13. Rotbanner-Raketendivision in Dombarovskiy. Die SS-19 wird ab 2019 ausgemustert und durch SS-27 mod. 2 ersetzt.
Mit Beteiligung der deutschen Daimler Benz Aerospace wurde auf Basis der UR-100NUTTH die Satellitenträgerrakete Rokot/Briz entwickelt, deren Erstflug fand am 20. Dezember 1991 statt.
-- RS-12M / RT-2PM Topol (US/NATO-Code: SS-25 SICKLE)
Bei der Rakete mit der GURVO-Bezeichnung „5Zh58“ bzw. Topol handelt es sich um mobile Interkontinentalraketen, die von einem Werferfahrzeug auf Basis der Fahrgestelle MAS-7912 oder MAS-7917 aus gestartet werden. „RT“ steht für „raketa tverdotoplivnaya“ (dt.: Feststoffantrieb). Die Rakete hat eine Länge von 21,5 m bei einem Durchmesser von 1,8 m der ersten Stufe. Das Startgewicht beträgt 45,1 Tonnen. Sie kann nur einen einzigen Atomsprengkopf tragen, der ein Eigengewicht von 1.000 kg bei einer Sprengkraft 550 bis von 800 KT hat. Die Reichweite beträgt rund 10.500 bis 11.000 km. Die Treffgenauigkeit liegt bei 500 m.
Die Flugkörper wurden von Alexander D. Nadiradse und Boris Nikolayevich Lagutin vom Moskovskiy institut teplotekhniki (MITT oder MIT, dt.: Moskauer Institut für Wärmetechnologie) in Moskau (Ulitsa Berezovaya alleya d. 10/1) in Zusammenarbeit mit Yuzhnoye im damaligen Dnepropetrovsk (Ukraine) entwickelt. Die Entwicklung des Waffensystems begann am 19. Juli 1976. Gebaut wurden die Raketen vom Maschinenbauwerk in Votkinsk. Der Erststart einer RT-2PM am 27. Oktober 1982 war ein Fehlschlag, erst der Test am 8. Februar 1983 verlief erfolgreich. Das erste Regiment mit RT-2PM wurde frühestens am 23. Juli 1985 in Dienst gestellt. Ursprünglich waren die Raketen für eine Lebensdauer von zehn Jahren ausgelegt. Der Atomsprengkopf wurde vom Vsesoyuznyy nauchno-issledovatelskiy Institut eksperimental´noy fisiki (VNIIEF) unter Leitung von S. G. Kotscharjanz entwickelt.
Die Raketen sind mobil und werden durch ein Werferfahrzeug MAZ-7917 (14 x 12) aus abgefeuert. Dieser Werfer hat bei einer Länge von 19,5 m und einer Breite von 3,00 bis 3,85 m ein Eigengewicht von 47,0 bis 52,9 Tonnen. Die Höchstgeschwindigkeit auf der Straße beträgt 32 km/h bzw. 13 km/h im Gelände. Der Treibstoffverbrauch beträgt 365 Liter auf 100 km. Die Antriebsformel „14 x 12“ bedeutet, dass das Fahrzeug 14 Reifen besitzt, von denen 12 angetrieben werden. Die technische Lebensdauer des Werfers ist auf 500 Betriebsstunden ausgelegt. (17) Das Spezialfahrzeug wurde von den Konstrukteuren W. A. Shurygin und V. M. Sobolev vom Konstruktionsbüro TsKB Titan des Werks PO Barrikady in Volgograd entworfen.
Die Stationierungsräume der Topol sind bzw. waren in Barnaul, Irkutsh, Yoshkar-Ola, Nizhniy Tagil, Novosibirsk, Teykovo und Vypolsovo. (18) Gegenwärtig sind noch etwa 36 mobile RT-2PM Topol bei der 35. Raketendivision in Barnaul stationiert. (19) Sie werden in den nächsten Jahren durch modernere Raketen ersetzt.
-- RS-12M2 / RT-2PM2 / RT-2UTTH Topol-M (US/NATO-Code: SS-27 Mod. 1 SICKLE-B, früherer Codename: STALIN)
Die Topol-M ist wie das kleinere Vorgängermodell Topol eine dreistufige Feststoffrakete. Sie hat bei einer Länge von 22,7 m und einem Querschnitt von 1,9 m ein Startgewicht von 47,2 Tonnen. Die Topol-M soll nur einen einzigen Atomsprengkopf mit einem Eigengewicht von 1,2 Tonnen mitführen, der eine Sprengkraft von wahrscheinlich 800 bis 1.000 KT hat. Demgegenüber behauptete ihr Konstrukteur Yuri S. Solomonov, sie trage vier bis sechs Gefechtsköpfe. Jedenfalls wurde der Atomsprengkopf von G. Dmitriev vom Waffenlabor Vsesoyuznyy nauchno-issledovatelskiy Institut eksperimental´noy fisiki (VNIIEF) entworfen und hat ein Eigengewicht von 1.000 bis 1.200 kg. Die Reichweite des Trägersystems beträgt ca. 10.500 km bei einer Treffgenauigkeit von 200 bis 300 m.
Von der Topol-M gibt es zwei Varianten: die mobile RS-12M1 / RT-2UTTH und die ortsgebundene RS-12M2 / RT-2UTTH in verbunkerten Silos. Die mobile Version wurde vom Moskovskiy institut teplotekhniki (MITT) unter der damaligen Leitung von Boris Nikolayevich Lagutin entwickelt; die Silo-Version entwickelte das Konstruktionsbro Yushnoye. Gebaut wurden die Flugkörper im Votkinskiy mashinostroitel'nyy zavod in Votkinsk.
Die mobile RS-12M1 / RT-2UTTH ist in einem Startrohr auf einem Werferfahrzeug montiert. Zunächst wurden Fahrzeuge mit dem Fahrgestell vom Typ MAZ-7917 eingesetzt. Das Nachfolgemodell MZKT-79221 Albatros / Universal (16 x 16) hat bei einer Länge von 18 bis 19,5 m ein Gewicht von rund 50 bis 52 Tonnen. Der Motor JaMZ-847.10 bringt eine Leistung von 800 PS. Das Fahrzeug erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h, der Aktionsradius beträgt 500 km. Der Wendekreis liegt bei mindestens 36 m. Der Treibstoffverbrauch liegt bei 300 l/100km. Das Spezialfahrzeug wurde von Konstrukteuren W. A. Shurygin und V. M. Sobolev vom Konstruktionsbüro Titan entworfen. Der Bau der Werferfahrzeug erfolge durch das Minski Sawod Koljosnych Tjagatschei (MZKT) in Minsk (Belarus) in Zusammenarbeit mit der PO Barrikady.
Der Erststart des Flugkörpers erfolgte am 20. September 1994 von Versuchsgelände Plesetsk aus. Die Raketen wurden zwischen 2000 und 2012 in Dienst gestellt. Gegenwärtig sind noch 18 RS-12M1 bei der 54. Garde-Raketendivision im Raum Teykovo stationiert; 50 bis 60 RS-12M2 sind in Silos der 60. Raketendivision im Raum Tatishchevo untergebracht. (20)
- Projekte
-- RS-24 Yars (US/NATO-Code: SS-27 Mod. 2)
Die Interkontinentalrakete hat bei einer Länge von 20,9 m und einem Durchmesser von 2 m ein Startgewicht von 49,6 Tonnen. Das Waffensystem ist innerhalb von 7 Minuten feuerbereit. Das Wurfgewicht des oder der Gefechtsköpfe beträgt 1,2 Tonnen. Der Flugkörper soll – nach unterschiedlichen Angaben – mindestens drei Köpfe á 500 KT oder sechs bis zehn kleinere Gefechtsköpfe á 150 bis 300 KT mitführen. Die Gefechtsköpfe wurden vom Waffenlabor Vsesoyuznyy nauchno-issledovatelskiy institut eksperimental´noy fisiki (VNIIEF) in Chelyabinsk-70 bei Snezhinsk entwickelt. Die Reichweite beträgt 11.000 bis 12.000 km bei einer Treffgenauigkeit von 150 bis 250 m. Die Endgeschwindigkeit beläuft sich auf über Mach 20 (= 24.500 km/h).
Die Yars wurde von Yuri S. Solomonov vom Moskovskiy institut teplotekhniki (MITT) entwickelt und von der Maschinenbaufabrik Votkinskiy mashinostroitel'nyy zavod in Votkinsk gebaut. Der Erststart fand am 29. Mai 2007 in Plesetsk statt. Die ersten Raketen wurden im Juli 2010 in Dienst gestellt.
Von der Yars gibt es mehrere Varianten: Mindestens eine Version ist seit 2010 mobil auf einem Werferfahrzeug untergebracht. Eine jüngere Version steckt stationär in einem Raketensilo und wurde erstmals 2014 disloziert. Das Werferfahrzeug auf Basis des kleineren MZKT-79221 Universal (16 x 16) transportiert die Rakete in einem Abschussrohr. Das Werferfahrzeug wird in Minsk (Weißrussland) produziert.
„Wikipedia“ gibt die Zahl der Yars unterschiedlich an. Einmal heißt es, es seien 90 Yars einsatzbereit: So seien 6 mobile Yars der 14. Raketendivision in Yoshkar-Ola zugeteilt, 18 mobile Raketen unterständen der 54. Garde-Raketendivision in Teykovo, weitere 27 mobile Flugkörper befänden sich bei der 42. Raketendivision in Nizhniy Tagil und 27 mobile Yars gehörten zur 39. Raketendivision in Uzhur. Und bei der 28. Garde-Raketendivision in Kozelsk seien zusätzlich 12 Yars in Silos untergebracht. (21) An anderer Stelle berichtet „Wikipedia“, es seien 110 Yars einsatzbereit, darunter 20 Flugkörper in Silos. (22)
Am 1. März 2018 erklärte Präsident Putin: „Zwölf Raketenregimenter verfügen jetzt über die neue ballistische Interkontinentalrakete (RS-24) Jars.“ (23) Da jedes Raketenregiment über voraussichtlich 9 Flugkörper verfügt, entspricht dies einer aktuellen Gesamtzahl von 108 ICBMs.
Zuletzt am 20. September 2017 führte die 14. Raketendivision auf dem Testgelände in Plesetsk einen Probeabschuss durch.
-- RS-26 Yars-M (US/NATO-Code: SS-29A)
Der frühere Stabschef der Strategischen Raketentruppen Generaloberst Victor Yesin erwähnte einmal, dass im Jahre 2014 mit den Tests einer Rakete der Version Yars-M begonnen werden würde. Ursprünglich dachte man, es handele sich bloß um einen Versprecher und der Stabschef habe mit der „Yars-M“ tatsächlich die Topol-M gemeint. (24) Andere vermuten, „Yars-M“ sei ein anderer Name für das Raketensystem RA-26 Rubezh, obwohl die technischen Daten beider Systeme voneinander abweichen. (25) Jedenfalls verzögerte sich der Erstflug bis August 2016. Möglicherweise wird der Flugkörper 2018 bei der Truppe eingeführt. Entwickelt wurde er durch das Moskovskiy institut teplotekhniki (MITT). (26)
Die Yars-M hat ein Gewicht von 50 Tonnen. Sie transportiert 6 Gefechtsköpfe über eine Entfernung von 12.000 km. (27)
-- RA-26 Rubezh / Avanguard (US/NATO-Code: SS-X-31 [Delta Destroyer?])
Seit mehreren Jahren entwickeln die russischen Streitkräfte eine neue Rakete, deren Charakteristika und Status nach wie vor unklar ist. Es handelt sich um die RS-26 Rubezh (NATO-Code: SS-X-31). Seit dem 27. September 2011 fanden ein halbes Dutzend Tests der Prototypen auf dem Testgelände in Plesetsk und danach in Kapustin Yar statt. Zunächst ist die Rubezh als Interkontinentalrakete mit einer Reichweite von 5.800 km getestet worden, danach nur noch über eine Mittelstreckendistanz. Möglicherweise handelte es sich bei diesen Prototypen nur um eine zweistufige Ableitung der neuen dreistufigen Interkontinentalrakete RS-24 Yars, die bereits am 2007 ihren Erstflug absolvierte. Im Juni 2013 kündigte Generaloberst Vladimir Zarudnitskiy an, im Jahr 2014 würde das erste Regiment in Dienst gestellt werden, was sich aber bis heute verzögerte. (28) Eigentlich war eine Einführung der Rubezh bereits für Dezember 2014 angekündigt worden, dann für 2016; sie steht aber immer noch aus. Anfang März 2018 gab die Nachrichtenagentur TASS bekannt, dass die Serienproduktion aufgenommen wurde. (29)
Von halbamtlicher Seite heißt es, die Rubezh sei mit einem „glide vehicle“ bestückt. Ansonsten wurde in den Medien darüber spekuliert, dass die Raketen mit ein bis 16 Atomsprengköpfen bestückt werden könnten. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei Mach 20 (= 24.500 km/h). Die Treffgenauigkeit wird mit 90 bis 250 m angegeben. Die Rubezh ist ein mobiles System und wird von einem modifizierten Werferfahrzeug auf Basis des MZKT-79291 Universal (hier: 12 x 12) oder einem Schwerlast-Lkw MZKT-79221 oder ein ähnliches Modell aus Minsk abgefeuert. (30)
Sollte die Rubezh ein Mittelstreckensystem sein, dann wäre ihre Einführung ein Verstoß gegen den INF-Vertrag (INF = Intermediate Nuclear Forces) über ein Verbot von atomaren Mittelstreckensystemen vom 8. Dezember 1987. Dazu heißt es bei „Wikipedia“:
“The missile have been criticized by western defense observers for indirectly breaching the INF Treaty. The missile demonstrated, with a light or no payload, the ability to reach above the agreed 5500 km limit of the treaty. However all further testing have been flights with significantly shorter ranges. The RS-26 was twice tested at a distance of about 2000 km. The deployment of the missile is speculated to have the same strategic impact as the SS-20 Saber. While the RS-26 is technically an ICBM, its range falls just barely inside the ICBM category. In reality, the RS-26 is exactly the same concept and a direct replacement for the RDS-10 Pioneer—known to NATO as the SS-20 Saber—which was banned under the INF treaty. (…)
In March 2015 it was acknowledged that RS-26 Rubezh is a shorter version of the RS-24 Yars ICBM with one less stage, much similar to the SS-20 Saber being a shorter version of the SS-16 Sinner.” (31)
Ein Vertragsbruch wird von Seiten der russischen Regierung bestritten. Möglicherweise dienten die Tests in Kapustin Yar nicht der Entwicklung einer neuen Rakete, sondern nur der Konstruktion neuer Wiedereintrittskörper zur Überwindung des geplanten US-Raketenabwehrsystems. Nun wird man abwarten, welche technischen Eigenschaften der Flugkörper tatsächlich hat und welcher Kategorie er dementsprechend zuzurechnen wäre.
In seiner Rede von 1. März 2018 erwähnte Vladimir Putin die Rubezh nur am Rande: „Außerdem haben russische Industrieunternehmen bereits mit der Entwicklung einer weiteren neuartigen strategischen Waffe begonnen, die Avangard genannt wird.“ (32)
-- RS-28 Sarmat (US/NATO-Code: SS-X-30 SATAN 2)
Die Sarmat ist eine super-schwere interkontinentale Flüssigkeitsrakete mit einer Masse von 100 (33) oder 200 Tonnen (34) und mit einem Wurfgewicht von 10.000 kg. Sie wird mit einem MIRV-Bus Yu-71 oder Yu-74 bestückt. Mal ist von 10 bis 24 Gefechtsköpfen die Rede (35), mal von 15 Gefechtsköpfen mit einer Sprengkraft von jeweils 150 bis 300 KT. Auch sollen konventionelle Köpfe zum Einsatz kommen können. Die Endgeschwindigkeit im Zielanflug beträgt Mach 17 (= 24.910 km/h). Die maximale Entfernung liegt – nach unterschiedlichen Angaben – bei 10.000 km (36) bis 17.000 km. (37)
Die Sarmat wurde seit circa 2010 vom Staatlichen Konstruktionsbüro Makeev (GRT Makeev oder KBM) in Miass unter Leitung von Vladimir Degtyar, Yury A. Kaverin und M. G. Agafonov entwickelt. (38) Gebaut werden soll der Flugkörper in der Maschinenfabrik Krasnoyarskiy mashinostroitel'nyy zavod in Krasnoyarsk. Zu ihren Produzenten gehören KrasMash, MZ, NPO Energomash, NPO Mashinostroyeniya und Proton-Perm Motors in Perm. Die Rakete absolvierte ihre ersten Testflüge Ende 2016. Der letzte Testflug fand im Dezember 2017 in Plesetsk statt. Sie soll – nach unterschiedlichen Angaben - Ende 2018 bis 2020 eingeführt werden. (39) Die Raketen sollen zumindest in den 46 verbliebenen Raketensilos der alten Voyevoda (US/NATO-Code: SS-18 SATAN) disloziert werden. (40)
In seiner Rede vom 1. März 2018 äußerte sich Präsident Putin ausführlich zur Sarmat und nannte die Rakete dabei konkret beim Namen:
„Die Sarmat-Rakete hat erweiterte Fähigkeiten. Sie wiegt mehr als 200 Tonnen, hat eine sehr kurze Beschleunigungsphase und ist deshalb kaum von Abwehrraketen zu treffen. Die Reichweite der neuen Rakete ist viel größer als die der Wojewoda, und sie kann auch mehr Atomsprengköpfe tragen. Die Sarmat kann mit einer breiten Auswahl unterschiedlicher Atomsprengköpfe – auch solchen mit Hyperschallgeschwindigkeit – ausgestattet wer - den und Abwehrsystemen ausweichen. Wegen des verstärkten Schutzes der Raketenabschussvorrichtungen und der hohen Startgeschwindigkeit der Sarmat kann sie auch unter schwierigen Bedingungen starten.
Die Reichweite der Wojewoda ist 11.000 km, die der Sarmat praktisch unbegrenzt.
Wie der Video-Clip zeigt, kann sie Ziele sowohl über den Nord- als auch über den Südpol angreifen.
Die Sarmat ist eine furchterregende Rakete, die wegen ihrer stark verbesserten Eigenschaften noch nicht einmal von den fortschrittlichsten Raketenabwehrsystemen aufgehalten werden kann.“ (41)
-- Strategisches Raketensystem mit atomarer Gleitflügel-Ladung
In seiner Rede vom 1. März 2018 führte Präsident Putin folgendes aus:
„Ein weiterer technologischer Durchbruch ist die Entwicklung eines strategischen Raketensystems, das mit einem völlig neuen Sprengkopf mit Gleitflügeln ausgestattet ist, der ebenfalls erfolgreich getestet wurde. (…)
Als das System bei einem Manöver der Atomstreitkräfte in Jahr 2004 erstmals getestet wurde, habe ich auf einer anschließen den Pressekonferenz Folgendes geäußert: "Wenn andere Staaten die Anzahl und Qualität ihrer Raketen und ihr militärisches Potenzials vergrößern, wird Russland ebenfalls sicherstellen müssen, dass es über Waffen der neuesten Generation und die entsprechende Technologie verfügt.
Deshalb möchte ich Sie darüber informieren, dass die während des Manövers durchgeführten Tests so erfolgversprechend verliefen, dass die russischen Raketentruppen in naher Zukunft über interkontinentale Präzisionsraketen verfügen werden, die ihre Ziele in Hyperschallgeschwindigkeit anfliegen und ihre Flughöhe und Flugbahn auch noch während des Anfluges verändern können. Das ist eine sehr wichtige Ankündigung, weil noch kein anderer Staat auf der Welt eine solche Waffe in seinem militärischen Arsenal hat." (…)
Im Unterschied zu anderen Raketen kann dieses System bei Interkontinentalflügen sogar Spitzengeschwindigkeiten über Mach 20 erreichen.
Wie ich schon 2004 mitgeteilt habe, ist der Sprengkopf der Rakete wegen seiner Gleitfähigkeit noch im Zielanflug manövrierfähig – seitlich um mehrere Tausend Kilometer und natürlich auch vertikal. Er ist also absolut unverwundbar und von allen vorhandenen und vorstellbaren Luftverteidigungs- und Raketenabwehrsystemen nicht aufzuhalten. Die Verwendung neuer Kompositmaterialien hat einen praktisch in „Plasma Formation“ erfolgenden, langen und steuerbaren Gleitanflug möglich gemacht. Der Sprengkopf steuert wie ein Meteorit mit einem Feuerschweif zuverlässig sein Ziel an, wobei seine Oberfläche eine Temperatur von1.600 bis 2.000 Grad Celsius erreicht.
Aus offensichtlichen Gründen können wir die äußere Form dieses Systems hier nicht zeigen. Ich hoffe, jeder versteht, dass wir sie noch geheim halten müssen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass alle Komponenten existieren und gut funktionieren.“ (42)
Das so von Putin beschriebene Waffensystem – Interkontinentalrakete oder U-Boot-Rakete – kann keinem hier bekannten Waffenprojekt zugeordnet worden.
-- Barguzin
Seit Oktober 1987 setzte die damalige Sowjetunion mehrere spezielle Eisenbahnzüge P-450 mit mobilen Interkontinentalraketen RT-23(UTTH) (= 15Sh52) und RT-33UTTKh (= 15Sh61 Molodez) ein, die von speziellen Startwaggons SM-SP-35 gestartet werden konnten. Die drei Eisenbahn-Raketendivisionen waren in Kostroma, Bershet und Gladkoe stationiert.
Seit 2013 verfolgt das Moskovskiy institut teplotekhniki (MITT) ein ähnliches Projekt unter dem Namen „Barguzin“. Anscheinend sollten die Züge mit Interkontinentalraketen vom Typ RS-24 Yars ausgerüstet werden.
Demgegenüber hatte der russische Finanzminister Anton Siluanov im Oktober 2014 erklärt, dass das umfassende nukleare Aufrüstungsprogramm nicht zu finanzieren sei und einzelne Projekte bereits eingestellt worden seien, darunter die Entwicklung einer mobilen ICBM an Bord eines Eisenbahnzuges. (43) im Jahr 2016 wurde erneut die Meldung gestreut, dass Projekt sei eingestellt worden, obwohl am 1. November 2016 in Plesetsk ein Raketentest stattfand. (44) Der derzeitige Status des Projekts ist unklar. Möglicherweise wurde es mittlerweile eingestellt. Andernfalls wird mit einem ersten Raketentest frühestens für 2019 gerechnet. (45)
2. Atom-U-Boote
Die strategischen Atom-Boote mit ballistischen Raketen werden im Russischen als Podwodnaja Lodka Atomnaja s Raketami Ballistitscheskimi (PLARB) bezeichnet. Für die Entwicklung neuer Boote ist die Schiffbauabteilung der Marine (Glavnoe Upravlenie Korablestroeniya - GUK) zuständig, für den Unterhalt der bestehenden Flotte die technische Hauptverwaltung Glavnoye tekhnicheskoye upravleniye (GTU). Die Kommunikation mit den getauchten U-Booten ist sehr schwierig, da nur besonders langwellige Signale (Very Low Frequency – VLF) das Wasser durchdringen können. Weil dies zeitraubend ist, müssen müssen die Funksprüche entsprechend kurz gefasst werden. Sowjetische bzw. russische Sendestationen gibt bzw. gab es in Molodechno, Nizhni Novgorod, Tashkent, Krasnodar und Khabarovsk. Darüber hinaus gibt es eine Flotte von Kommandoflugzeugen Tupolev Tu-142MR. Nach Eingang des Befehls dauert die Zeit für dessen Verifizierung und die Abschussprozedur für einen Raketenstart ungefähr 15 Minuten.
- Gegenwärtige Systeme
-- Project 667BDR Kalmar (US/NATO-Code: DELTA III)
Die U-Boote der Kalmar-Klasse haben eine Länge über alles von 155 m, eine Breite von 11,7 bis 12,0 m und einen Tiefgang von 8,7 m. Die Wasserverdrängung bei der Tauchfahrt beträgt 13.000 bis 16.000 Tonnen. Der doppelwandige Rumpf unterteilt sich in zehn Sektionen: Torpedoraum mit vier Torpedorohren 533 mm, Unterkunft für die Besatzung, Zentrale, zwei Raketenabteilungen, Technische Abteilung mit Dieseltanks, vordere und hintere Maschinenabteilung mit Turbinen, Kondensatoren und Elektromotoren und Heckraum mit der Rudermaschine für die Heckruder. Der Antrieb erfolgt durch den Reaktorkomplex OK-700A mit zwei Druckwasserreaktoren VM-4-S mit zusammen 180 MW thermischer Energie; durch die Dampferzeugung werden zwei GTSA-Turbinen TG-3000 mit 14.710 kW angetrieben. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt Überwasser 14 Knoten, Unterwasser 25 Knoten.
Die Boote sind mit einem Raketenkomplex D-9R mit 16 Raketen vom Typ RSM-50 (SS-N-18 STINGRAY) ausgerüstet. Die Boote erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von 14 Knoten (= 26 km/h), die Tauchtiefe beträgt maximal 400 m. Zur Befehlsgebung steht ein Gefechtsinformationssystem Almas-BDR zur Verfügung, zur Kommunikation eine Schleppantenne Parawan und eine Satellitenantenne Molnija-M. Die Besatzung besteht aus 130 bis 135 Matrosen, darunter 40 Offiziere. Eine Einsatzfahrt dauert in Friedenszeiten rund 80 Tage. (46)
Die 14 U-Boote der Kalmar-Klasse wurden vom Chefkonstrukteur Sergey Nikitich Kovalev vom Zentral´noe Konstruktorskoe Bjuro Rubin (TsKBN MT Rubin, dt.: Zentrales Konstruktionsbüro Rubin - ZKB Rubin) in Sankt Petersburg (ulitsa Malata) ab 1972 konstruiert und von 1976 bis 1982 in der Halle Nr. 1 auf der Werft 402 Severnoye Mashinostroitelnoye Predpriyatie (Sevmash) in Severodvinsk gebaut. Anfang 2017 waren noch drei U-Boote der Kalmar-Klasse („K-223 Podolsk“, „K-433 Svyatoy Georgiy Pobedonosets“ und „K-44 Ryazan“) bei der Pazifikflotte in Rybachiy bei Petropavlovsk-Kamchatsky an der Ostküste der Halbinsel Kamchatka stationiert. Ihr Patrouillengebiet ist die Barents See und das Ochotskische Meer. Die Boote sind mittlerweile über 35 Jahre alt und werden demnächst ausgemustert.
-- Project 667BDRM Delfin (US/NATO-Code: DELTA IV)
Die Delfin-Klasse besitzt eine Länge über alles von 167 m und einen Durchmesser von 11,7 bis 12,0 m bei einem Tiefgang von maximal 8,8 m. Die Verdrängung im getauchten Zustand beträgt – nach unterschiedlichen Angaben – 13.600 bis 18.200 Tonnen. Sie sind mit einer Raketenanlage D-9RM mit 16 Flugkörpern RSM-54 Sineva (SS-N-23) ausgerüstet. Angetrieben werden die U-Boote durch eine Reaktoranlage OK-700A mit zwei Druckwasserreaktoren VM-4-SG mit zusammen 180 MW thermischer Energie. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 14 Knoten (= 26 km/h), die maximale Tauchtiefe 400 m. Als Gefechtsinformationssystem wird das System Omnibus eingesetzt. Zur Kommunikation steht u. a. eine Satellitenantenne Molnija LM1 oder Molnija MC2 zur Verfügung. Die Besatzung besteht aus 135 Matrosen. Eine Tauchfahrt dauert (in Friedenszeiten) 80 Tage.
Die insgesamt 7 U-Boote der Delfin-Klasse wurden von Chefkonstrukteur Sergey Nikitich Kovalev vom Konstruktionsbüro Rubin in Sankt Petersberg ab September 1975 entworfen, auf der Produktionsvereinigung (Proisvodstvennoe Obedinenie - PO) Sevmash-Werft in Severodvinsk ab Februar 1981 bis 1990 gebaut und zwischen Januar 1984 und Februar 1992 bei der Flotte eingeführt. Anfang 2017 waren noch sechs U-Boote der Delfin-Klasse („K-18 Karelia“, „K-51 Verchoturje“, „K-84 Yekaterinburg“, „K-114 Tula“, „K-117 Brjansk“ und „K-407 Novomoskovsk“) bei der Nordmeerflotte in Yagelnaya Bay disloziert. (47) Davon ist die K-117 z. Zt. nicht einsatzbereit, da sie seit dem 30. Dezember 2017 auf der Werft in Zevezdochka einer Grundüberholung unterzogen wird. Das siebte U-Boot, die „K-64 Podmoskovye“, dient seit August 2015 ausschließlich für Spionage- oder Sabotagezwecke.
-- Project 941 Akula (US/NATO-Code: TYPHOON)
Ursprünglich umfasste diese Klasse sechs „schwere Raketen-U-Kreuzer mit strategischer Bestimmung“ (TRPKSN). Es handelte sich um die Boote „TK-208 Dmitri Donskoi“, „TK-202“, „TK-12 Simbirsk“, „TK-13“, „TK-17 Archangelsk“ und „TK-20 Severstal“. Davon ist noch ein Exemplar, die „TK-208 Dmitri Donskoi“, im Einsatz.
Die TK-208 hat bei einer Länge von 172,8 m und einer Breite von 23,3 m eine Höhe vom Kiel bis zur Turmkante von ca. 28 m. Im Rumpf liegen zwei Druckkörper mit einem Durchmesser von jeweils 7,2 m nebeneinander. Es ist die größte U-Boot-Klasse, die je gebaut wurde. Das Boot wird angetrieben durch eine Reaktoranlage OK-650B mit zwei Druckwasserreaktoren die 2 Dampfturbinen GT3A mit jeweils ca. 49.000 PS antreiben. Der Reaktor wurde vom Experimentellen Konstruktionsbüro für Mechanisches Ingenieurwesen Afrikantov in Nizhny Novgorod konstruiert. Damit erreicht das U-Boot getaucht eine Höchstgeschwindigkeit von 27 Knoten, die maximale Tauchtiefe beträgt 450 bis 500 m. Zur Geräuschdämmung wurden die lauteren Maschinen von der Druckkörperhülle entkoppelt und auf Gummischichten gelagert. Außerdem besteht die Außenhülle aus einer Schicht geräuschdämmernder Kacheln. Im Kriegsfall könnte das U-Boot circa 260 Tage unter Wasser operieren ohne einmal auftauchen zu müssen. Als Satelliten-Kommunikationsanlage steht das System Tsunami zur Verfügung. Die Besatzung setzt sich aus 150 bis 180 Matrosen zusammen, darunter ca. 52 Offiziere.
Ursprünglich war das U-Boot mit 20 ballistischen Atomraketen vom Typ R-39 (US/NATO-Code: SS-N-20 STURGEON) ausgestattet, heutzutage dient es „lediglich“ als Übungsboot zum Test neuer U-Boot-Raketen. Zunächst wurde das U-Boot ab 1989 zur Erprobung der R-39UttKh Grom / RSM-52W Bark umgebaut. Aufgrund von Finanzierungsproblemen zog sich der Umbau – mit Unterbrechungen – bis 2002 hin. Als dieses Raketenprojekt aufgrund von Konstruktionsfehlern endgültig scheiterte, musste die entsprechende Technologie dieses Waffensystems wieder ausgebaut werden und durch andere Systeme zur Erprobung des alternativen Flugkörpers Bulava ersetzt werden. Der Erstflug des Bulava-Prototypen fand am 27. September 2005 von Bord der TK-208 statt.
Die Boote dieser Klasse wurden ab Dezember 1973 von Sergey Nikitich Kovalev vom Entwicklungsbüro Rubin in Sankt Petersburg konstruiert und auf der Sevmarsh-Werft in Severodvinsk zwischen 1981 und 1989 gebaut. Für jedes U-Boot mussten ca. 9.000 Tonnen Titan verbaut werden.
Die TK-208 wurde am 3. März 1977 auf Kiel gelegt und hatte ihren Stapellauf am 27. September 1979. Am 9. Februar 1982 wurde das U-Boot bei der 18. Division der Nordmeerflotte in der Nerpitshya-Bucht im Fjord Sapadnaya Litsa in Dienst gestellt. Die TK-208 ist gegenwärtig bei der Nordmeerflotte in Litsa Guba stationiert.
Ende Mai 1992 kam es an Bord der TK-17 zu einer Explosion, die einen Toten und fünf Verletzte forderte. Mitte 1995 feuerte ein U-Boot in der Nähe des Nordpols irrtümlich eine Rakete ab.
- Projekte
-- Project 09551 Borej
Insgesamt plant die russische Marine die Beschaffung von mindestens acht U-Booten verschiedener Versionen der Borej-Klasse, ein strategisches Atom-U-Boot der vierten Generation. Diese wurden vom Zentralen Designbüro Rubin in Sankt Petersburg unter Leitung von Vladimir Zdornov entworfen. Das Konstruktionsbüro wird derzeit von Generaldirektor Igor Wilnit geleitet.
Die Borej-Boote sind 170 m lang und haben einen Durchmesser von maximal 13,5 m. Die Wasserverdrängung unter Wasser beträgt 24.000 Tonnen. Sie besitzen eine doppelte Hülle. Die Tauchtiefe soll bei 400 m liegen. Die Boote werden durch einen Atomreaktor vom Typ OK-650B mit einer thermischen Leitung von 190 MW bzw. einer Dampfturbine GT3A mit ca. 49.000 PS angetrieben. Die Boote erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von 27,8 km/h über Wasser und 53,7 km/h bis 56 km/h unter Wasser. Ihre größte Tauchtiefe beträgt 450 - 480 m. Die Besatzung besteht aus 107 Matrosen.
Jedes dieser drei U-Boote ist mit 12 bis 16 Raketen vom Typ Bulava ausgerüstet. Ursprünglich war eine Ausrüstung mit der Grom / Bark vorgesehen, aber als die Entwicklung der Rakete scheiterte wurde als Alternative eine Ausstattung mit Bulava-Raketen durchgeführt. (48)
Außerdem besitzt die Borej-Klasse sechs Torpedorohre mit einem Kaliber von 533 mm. Es wird daher darüber spekuliert, dass die U-Boote – zusätzlich zur Raketenbewaffnung – mit taktischen Marschflugkörpern vom Typ S-10 Granat (US/NATO-Code: SS-N-21 SAMPSON) mit einem Atomsprengkopf 200 KT und einer Reichweite von 2.400 bis 2.900 km ausgerüstet sind.
Die Borej-Klasse wurde auf der Sevmash-Werft in Severodvinsk gebaut. Das Typschiff ist die „K-535 Yuri Dolgurukiy“. Die Fertigstellung dieses Bootes verzögerte sich um Jahre, wie „Wikipedia“ berichtete:
„Die Entwicklung wurde wahrscheinlich noch vor dem Zerfall der Sowjetunion 1991, gleichzeitig mit den Projekten 667BDRM und 941, gestartet. Die grundsätzliche Entwicklung lief bis 1996 und wurde dem Westen bekannt, als das erste Boot dieses neuen Typs in der Sewmasch-Werft in Sewerodwinsk auf Kiel gelegt wurde. 1998 wurde das Projekt erneut geringfügig abgeändert. Der Bau wurde schließlich wegen finanzieller Probleme vorübergehend eingestellt: In einer russischen Fachzeitschrift war zu lesen, dass es der Werft an für den U-Boot-Bau geeignetem Stahl fehlte. Der bisherige Hauptlieferant Asowstal befindet sich seit dem Zerfall der Sowjetunion in der Ukraine, und das Verteidigungsministerium hatte kein Geld, dort den nunmehr sehr teuren Stahl zu kaufen. So kam der Bau der Juri Dolgoruki im Januar 1998 (damals nur zu 5 % fertig) zum Erliegen.
2001 wurde der Bau wiederaufgenommen. Ab diesem Zeitpunkt wurde das Boot mit dem Namen Juri Dolgoruki bezeichnet. (…) Die Juri Dolgoruki lief 17 Jahre nach dem letzten sowjetischen strategischen Atom-U-Boot vom Stapel. Daher ist die Jurij Dolgoruki das erste russische SSBN.“ (49)
Dieses Boot wurde schließlich am 10. Januar 2013 bei der Nordmeerflotte in Dienst gestellt.
Das zweite U-Boot der Borej-Klasse, „K-550 Alexander Nevsky“, wurde am 23. Dezember 2013 an die Flotte übergeben und im April 2015 in Dienst gestellt. Es gehört zur Pazifikflotte.
Das dritte und letzte U-Boot „K-551 Vladimir Monomakh“ wurde am 10. Dezember 2014 an die Flotte übergeben.
Der russische Präsident Vladimir Putin erklärte in seiner Rede vom 1. März 2018:
„Die strategischen Raketentruppen haben 80 neue ballistische Interkontinentalraketen erhalten, und drei atomar angetriebene U-Boote das Typs Borei wurden mit insgesamt 102 seegestützten ballistischen Raketen ausgerüstet.“
Die würde bedeuten, dass jedes U-Boot der Borej-Klasse mit 34 Raketen ausgerüstet werden könnte. Dies ist offensichtlich Unsinn oder in der Quelle liegt ein Übersetzungsfehler vor. (50)
-- Project 09552 Borej-A
Die U-Boote der Borej-A-Klasse (manchmal auch Borej-II genannt) haben bessere Stealth-Tarneigenschaften und ein geringeres Schraubengeräusch als die Borej-Klasse. Jedes Boot ist mit 20 Bulava-Raketen ausgerüstet.
Die Entwicklung erfolgte unter dem Namen „Project 955“. Im Jahr 2012 wurde das erste U-Boot der Borej-A-Klasse, die „Knyaz Vladimir“ (dt.: „Prinz Wladimir“), auf der Sevmash-Werft im Raum Archangelsk, die gegenwärtig von M. A. Budnichenko geleitet wird, auf Kiel gelegt. Am 17. November fand sein Stapellauf statt. (51) Das U-Boot wird voraussichtlich im Verlauf des Jahres 2018 in Dienst gestellt.
Am 27. Juli 2014 war die Kiellegung und damit der Baubeginn der „Knyaz Oleg“.
Am 18. Dezember 2015 war die Kiellegung der „Emperor Alexander III“.
Dem folgte die „Generalissimus Suvorov“.
Das achte und vorläufig letzte Boot, die „Knyaz Pozharsky“, wurde am 23. Dezember 2016 auf Kiel gelegt. (52)
-- Borej-B
Am 7. November 2017 gab der Chef des russischen Generalstabs, General Valery Gerasimov bekannt, dass eine verbesserte Borej-B-Klasse entwickelt werden soll. (53) Es sollen voraussichtlich vier Boote dieser Klasse gebaut werden. (54)
-- Husky
Die Husky-Klasse sind Atom-U-Boote der 5. Generation. Sie sollen – nach unterschiedlichen Quellen - eine Größe von 4.000 bis 6.000 Tonnen (55) oder von 8.000 bis 9.000 Tonnen (56) erreichen. Die Energie für den Antrieb wird durch einen Druckwasserreaktor erzeugt. Als Höchstgeschwindigkeit werden 32 bis 33 Knoten angestrebt. Es sind drei Versionen dieser Bootsklasse vorgesehen: Ein herkömmliches Angriffs-U-Boot, ein klassisches, strategisches Atom-U-Boot mit ballistischen Raketen und ein Atom-U-Boot mit seegestützten Marschflugkörpern. (57) Die Angriffs-U-Boote sollen mit der Überschall-schnellen Anti-Schiff-Rakete 3M22 Zircon ausgestattet werden, die eine Geschwindigkeit von Mach 10 erreichen sollen.
Die Boote werden vom maritimen Ingenieursbüro Malakhit des Konstruktionsbüros Volna in Sankt Petersburg konstruiert. Mit dem Baubeginn des ersten Bootes der Husky-Klasse wird erst ab 2023 gerechnet. Die ursprüngliche Planung sah vor, dass die Boote zwischen 2025 und 2030 von den Streitkräften übernommen werden. Mittlerweile rechnet man mit einer In-Dienst-Stellung nicht vor 2030, eventuell noch wesentlich später. (58)
3. U-Boot-Raketen
- Gegenwärtige Systeme
-- RSM-50 / R-29R Volna / R-29RK / R-29RL (US/NATO-Code: SS-N-18M1 STINRAY)
Die zweistufigen Flüssigkeitsraketen STINGRAY haben – nach unterschiedlichen Quellenangaben - eine Länge von 14,1 bis 16,6 m und einen Durchmesser von 1,8 m. Das Startgewicht soll bei 35,43 bis 36,3 Tonnen liegen. Von der STINGRAY gibt es drei Varianten, die sich in der Wahl der Atomsprengköpfe unterscheiden: R-29 R transportiert drei Gefechtsköpfe á 50 bis 200 KT über eine Entfernung von 6.500 bis 8.000 km, die R-29 RK tragen sieben Gefechtsköpfe mit jeweils 100 KT über dieselbe Entfernung, die Version R-29RL hat einen einzelnen Gefechtskopf von 450 KT, der 9.000 km weit fliegt. Theoretisch könnte die Rakete zehn Gefechtsköpfe tragen.
Die Entwicklung der R-29R Volna durch Victor Petrovich Makeev vom Staatlichen Konstruktionsbüro Makeev in Miass begann im Februar 1973. Der erste Flugtest fand im November 1976 statt. Sie wurden 1977/78 eingeführt. Man geht davon aus, dass heute nur noch die R-29R im Einsatz sind. Mit der STINGRAY sind die U-Boote der Delta-III-Klasse ausgerüstet.
-- RSM-54 / RM-29RM / RMU Shitl (US/NATO-Code: SS-N-23M1 SKIFF)
Die Flugkörper mit der GURVO-Bezeichnung „3M37“ haben eine Länge von 14,8 m und einen Durchmesser von 1,9 m und wiegen 40,3 Tonnen. Sie haben eine Reichweite von 9.300 km. Die Raketen können während der Tauchfahrt aus einer Tiefe bis zu 55 m gestartet. Von der Rakete gibt es zwei Versionen: Die eine Version transportiert vier Gefechtsköpfe á 250 KT, die andere zehn Sprengköpfe á 100 KT. Die Reichweite soll 8.300 bis 8.900 km betragen.
Die Flugkörper wurden ab Januar 1979 vom Designbüro Makeev entwickelt und von der Maschinenfabrik in Krasnoyarsk gebaut. Der Erststart erfolgte im Juni 1983. Die Raketen wurden ab dem 2. Juli 1986 bei der Marine in Dienst gestellt. Am 6. August 1991 feuerte das U-Boot „Novomoskovsk“ all seine 16 Raketen in einer Salve ab (Operation BEHEMOTH-2). Die Abschüsse dauerten insgesamt vier Minuten.
-- RSM-56 Bulava (US/NATO-Code: SS-N-32)
Die Rakete hat bei einem Durchmesser von 2,0 m eine Länge von 12,1 bis 13,5 m. Ihr Wurfgewicht beträgt 36.800 bis 39.000 kg. Die eins bis sechs oder zehn Atomsprengköpfe basieren auf den Gefechtsköpfen für die Interkontinentalrakete Yars. (59) Sie haben eine Sprengkraft von jeweils 100 bis 150 KT. Die Treffgenauigkeit soll bei 250 bis 350 m liegen. Die Reichweite der Rakete beträgt 8.300 km.
Die Entwicklung der Bulava begann in den neunziger Jahren. Sie wurde vom Konstrukteur Yuri S. Solomonov vom Moskovskiy institut teplotekhniki (MITT) entworfen. Das Entwicklungsprogramm verzögerte sich gegenüber den ursprünglichen Planungen um ca. 5 Jahre. Der Erstflug vom Boden am 24. Juni 2004 scheiterte, der Erststart von einem U-Boot am 23. September 2004 war ein Erfolg. Das erste U-Boot mit Bulava-Raketen wurde im Januar 2013 in Dienst gestellt. Der letzte Test fand am 26. Juni 2017 statt: Vom U-Boot „Yuri Dogoruki“ in der Barentssee startete ein Flugkörper in Richtung Kamchatka.
- Projekte
-- R-29 RMU Sineva (US/NATO-Code: SS-N-23A SKIFF)
Von der Sineva gibt es eine modernisierte Version. Der Flugkörper hat – wie seine Vorgängerversion - eine Länge von 14,8 m bei einem Querschnitt von 1,9 m und einer Startmasse von 40,3 Tonnen. Das Wurfgewicht liegt bei 2.800 kg. Von diesem Modell gibt es zwei Varianten. Die eine kann vier Sprengköpfe transportieren, die andere Variante acht Gefechtsköpfe. Theoretisch kann die Rakete bis zu zehn Sprengköpfe tragen, allerdings wurde diese Möglichkeit nie ausgeschöpft. Die Reichweite beträgt 8.100 bis 8.300 km, die Treffgenauigkeit 500 m.
Die Rakete wurde vom Staatlichen Konstruktionsbüro Makeev in Miass entwickelt. Die Herstellerfirma war ZMZ/KMZ. Am 17. März 2004 wurde der Erstflug von einem U-Boot durchgeführt und im Jahr 2007 die Rakete bei der Flotte eingeführt. Der letzte Test fand am 12. Oktober 2016 statt.
-- R-29 RMU2.1 Layner (US/NATO-Code: SS-N-23 LINER)
Von der Sineva gibt es eine zweite modernisierte Version. Sie wird von der NATO als „LINER“ bezeichnet. Die Entwicklung dieses Modell erfolgte durch das Designbüro Makeev in Miass. Gebaut werden diese Flugkörper – wie ihre Vorgängermodelle Shitl und Sineva - von der Maschinenfabrik in Krasnoyarsk. Am 20. Mai 2011 erfolgte der erste Flugtest. Die Entwicklungsarbeiten wurden im Februar 2012 abgeschlossen und das System 2014 bei der Marine eingeführt.
Die Rakete hat bei einer Länge von 15 m und einem Querschnitt von 1,9 m ein Startgewicht von 40 Tonnen. Eine Version trägt vier Gefechtsköpfe mittlerer Größe, eine Version trägt acht Gefechtsköpfe und eine dritte Version transportiert zehn bis zwölf Sprengköpfe geringer Sprengkraft. Die Gefechtsköpfen basieren z. T. auf den Sprengköpfen die für die Raketentypen Bulava und Yars entworfen wurden. (60) Als Reichweite werden 8.300 bis 12.000 km angestrebt. Die Steuerung erfolgt teilweise über das GLONASS-Satellitensystem.
-- Bulava-30
Von der Bulava gibt es eine modernisierte Version, die etwas leichter ist als das Standardmodell. Sie bringt angeblich ebenfalls zehn Gefechtsköpfe ins Ziel. Der Flugkörper befindet sich seit ca. 2010 in der Entwicklung.
4. Strategische Nukleartorpedos
- Projekte
- Okeanskaya Mnogozelevaya Sistema ‘Status 6’ (US-Code: Kanyon)
Gegen Ende des Kalten Krieges verfügte die Sowjetunion über eine so genannte „Doomsday machine“ mit gigantomanischer Destruktionskraft. Das Waffensystem war unter den Bezeichnungen „Sistema Perimetr“ (GRAU-Index: 15E601) oder- umgangssprachlich – „Mjortwaja ruka“ (dt.: „tote Hand“) bekannt. Damit sollte sichergestellt werden, dass die senile und dekadente Sowjetführung im Falle eines amerikanischen Erstschlagversuches noch genügend Vernichtungspotential aufbieten könnte, um den Aggressor auch dann noch vernichtend schlagen zu können, wenn ein Großteil der eigenen Kommandozentralen bereits zerstört wäre. Dazu bestand das halbautomatische System, das im Falle eines Angriffs wahrscheinlich auf Automatik umgestellt werden konnte, aus mehreren Spezialraketen 15P011 auf Basis der Interkontinentalrakete UR-100U, die in diesem Fall keinen Gefechtskopf sondern einen Sender 15B99 an Bord hatten, der ein Signal zum zeitverzögerten Abschuss der atomar bewaffneten strategischen Raketen aussendete. Einer der Stationierungsorte dieser Kommandoraketen war das Raketentestzentrum in Kaputin Yar. Das System wurde ab 1974 vom Konstruktionsbüro Yuzhnoye (Konstruktorskoye Bjuro Yuzhnoye - GKBYu) in Dnepropetrovsk (Ukraine) in Zusammenarbeit mit dem Speziellen Konstruktionsbüro des Polytechnischen Instituts im damaligen Leningrad (Leningradskii polyteknicheskii institut imeni Kalininia – LPI) entwickelt. Zu den Projektleitern gehörten Generaloberst Varfolomei Korobushin und Valery Yarynich. Das System wurde erstmals am 13. November 1984 getestet und 1985 in Dienst gestellt. Es wurde später durch das Krylo-System zur Kommunikation mit den fliegenden Bomberverbänden ergänzt. Das Notfall-Kommandosystem ist anscheinend noch immer in Betrieb. Seinen Algorithmus beschrieb „Sputnik“ 2017 so:
„Das System basierte darauf, dass auf dem gesamten Territorium des Landes ununterbrochen Radioaktivität, Temperatur, Funkverbindungen und weitere Parameter automatisch registriert werden. Sobald Atomexplosionen auf dem Gebiet der UdSSR festgestellt würden (durch schlagartige Änderungen der genannten Parameter), schickt das System Anfragen an den Generalstab der Armee sowie an den Befehlsstand der strategischen Raketen.
Kommt keine Antwort von diesen Stellen, ist es für das System ein Zeichen, dass die Fernmeldeverbindungen, Raketenwarnsysteme sowie die Führung des Landes vernichtet wurden. Das System aktiviert sich selbst und startet „Kommandoraketen“. Diese dienen nur dazu – sobald sie aus den geheimen Silos kommen – ein Signal auszusenden und so die Freigabe von Atomwaffen ohne Zustimmung höherer Gefechtsstände an bereits vergleichsweise rangniedrige Offiziere zu erteilen.
Das Signal zur Atomwaffen-Freigabe kann dabei nicht blockiert oder neutralisiert werden und kann auf jeden Fall die Atom-U-Boote erreichen, die sich auf dauerhafter Patrouille in den Weltmeeren befinden.“ (61)
Mit seiner autonomen sensor-gesteuerten Entscheidungsfindung geht Perimetr über das amerikanische Emergency Rocket Communications System (ERCS) noch weit hinaus.
Nun ist die Rede von einem neuen „Doomsday“-System: Bei diesem System handelt sich möglicherweise um einen Torpedo mit Nuklearantrieb, obwohl halboffiziell von einem „self-propelled underwater craft“ (SPA) die Rede ist, also möglicherweise von einer Drohne. Die Länge des Geschosses beträgt 24 m bei einem Durchmesser von 1,6 m. Das Geschoss ist mit einer Stealth-Schutzschicht versehen. Die Gefechtskopfsektion hat eine Länge von 4 m und nimmt ein Volumen von 7 Kubikmetern ein. Das Waffensystem kann bis zu einer Tiefe von 1.000 m eingesetzt werden, erreicht eine hohe Geschwindigkeit von circa 100 km/h (= 54 Knoten) und hat eine Reichweite von 10.000 km. Voraussetzung für die Entwicklung einer solchen Waffe sind Fortschritte bei der Miniaturisierung von Atomreaktoren.
Das Waffensystem ist mit einem (ungetesteten) Atomsprengkopf von angeblich 100 Megatonnen ausgestattet, das entspricht der Sprengkraft der alten Wasserstoffbombe vom Typ RDS-220 Tsar.
Die Tsar wurde von einem Konstruktionsteam aus Yuly Borisovich Khariton, Andrei Dmitrievich Sakharov, Victor Adamsky, Yuri Nikolayeviç Babayev, Yuri Smirnov und Yuri Alexeyevich Trutnev entwickelt. Ein Prototyp mit verminderter Sprengkraft (ca. 51 bis 60 MT) wurde unter der Bezeichnung „AN602 Vanya“ am 30. Oktober 1961 auf dem Testgelände Sukhoy Nost auf der arktischen Insel Severny bei Novaya Zemlya getestet. Der Feuerball erreichte einen Durchmesser von 8 km, die Pilzwolke eine Höhe von 54 km; alle Häuser im Umkreis von 54 km wurden zerstört, Fensterscheiben gingen noch in einer Entfernung von 900 km zu Bruch.
Möglicherweise handelt es sich bei dem Sprengkopf des Systems Status 6 um eine dreiphasige Wasserstoffbombe mit einem Mantel aus Kobalt bzw. Kobalt-60. Durch seine Unterwasser-Detonation soll eine Tschunami mit einem Wellenberg von 500 m Höhe ausgelöst werden, der bis tief ins feindliche Hinterland ausläuft. So erinnert das System Status 6 an das alte Projekt einer Seebebenwaffe, die die USA von Kalifornien bis zu den Rocky Mountains überrollt. Hier stellt sich die Frage, ob damit nicht gegen das ENMOD-Convention (= UN-Convention on the Prohibition of Military or Any Other Hostile Use of Environmental Modification Techniques) verstoßen wird, die 1978 von der Sowjetunion ratifiziert wurde und „Umweltkriegführung“ verbietet.
Entwickelt wurde das Waffensystem vom Konstruktionsbüro Rubin in Sankt Petersburg. (62)
Als Trägersysteme sollen zwei U-Boote zum Einsatz kommen: Die „Belgorod“, ein U-Boot des Projekts 09852, wurde im Dezember 2012 auf der Sevmash-Werft auf Kiel gelegt. Das zweite U-Boot ist die „Khabarovsk“ des Projekts 09851 Kalitka-SMP, ihr Baubeginn war im Juli 2014. Jedes U-Boot soll anscheinend 3 bis 6 Waffensysteme Status 6 mitführen! Der Einsatz dieser beiden U-Boote soll taktisch unterstützt werden durch das Diesel-angetriebene Test-U-Boot „Sarov“ (Project 20120), das bei einer Länge über 72,6 m über einen Durchmesser von 9,9 m verfügt. Die Besatzung besteht aus 52 Matrosen. Das U-Boot wurde vom Konstruktionsbüro Rubin in Sankt Petersburg entworfen und auf der auf der Sevmash-Werft auf Kiel gelegt. Es wurde 2008 in Dienst gestellt.
Hinzu kommt ein Überwasser-Begleit- und Rettungsschiff „Zvezdochka“ (Project 20180) (Taktische Nummer: 600). Das Schiff hat eine Wasserverdrängung von 5.500 Tonnen und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 14 Knoten. Zur Ausstattung des Schiffes gehört ein Kran und das Rettungs-U-Boot „Quantum“. (63) Die Besatzung besteht aus 65 Matrosen. Das Schiff wurde vom Konstruktionsbüro Almaz in Sankt Petersburg konstruiert, auf der Zvezdochka-Werft in Severodvinsk gebaut und im Juli 2010 in Dienst gestellt. Es ist normalerweise in Sankt Petersburg stationiert. (64)
Mit dem Bau der neuen Waffe soll 2019 begonnen werden, erste Tests sind für 2019 oder 2020 vorgesehen.
Die Entwicklung dieser neuen „Doomsday machine“ wurde durch eine Sicherheitspanne bekannt: Am 10. November 2015 traf sich Präsident Putin mit seinen führenden Generälen in Sochi zu einer Besprechung über die weitere Entwicklung der strategischen Streitkräfte. An dem Treffen nahm auch ein Kamerateam des russischen Fernsehens teil, um darüber zu berichten. Ein Kameramann warf einen Blick auf ein Dokument, das ein Offizier genauer betrachtete, so dass man einen Teil des Textes bei einer Standbildeinstellung lesen konnte. Bis heute ist unklar, ob es sich bei diesem Kameraschwenk um eine klassische Sicherheitspanne oder um eine beabsichtigte Desinformation handelte. (65)
-- Globaler Nukleartorpedo mit Atomantrieb
Gegenwärtig verfügt die russische Marine über keinen strategischen Nukleartorpedo mit globaler Reichweite. Die vorhandenen taktischen Systeme, wie z. B. VA-111 Shkval, dienen „lediglich“ der Bekämpfung feindlicher Flottenverbände, wie z. B. einer amerikanischen Flugzeugträgerkampfgruppe.
Am 1. März 2018 kündigte der Präsident Vladimir Putin die Entwicklung eines strategischen Nukleartorpedos mit globaler Reichweite an, der von einem U-Boot aus verschossen wird. Der neue Torpedo trägt nicht nur einen Nukleargefechtskopf, er verfügt auch über einen Nuklearantrieb. Allerdings machte Präsident Putin kaum Ausführungen zu dem neuen Waffensystem:
„Ende 2017 hat Russland diesen Marschflugkörper mit Atomantrieb auf einem zentralen Trainingsgelände letztmals erfolgreich getestet. Während des Fluges erreichte der Atommotor seine volle Leistung und den erwarteten Vortrieb.
Nach den erfolgreichen Starts und Bodentests können wir jetzt mit dem Bau eines völlig neuen Waffentyps beginnen – eines strategischen Marschflugkörpers mit Atomantrieb.
Sie können sehen, wie der Marschflugkörper das Abwehrsystem umfliegt. Weil seine Reichweite unbegrenzt ist, kann er so lange manövrieren, wie das erforderlich ist.
Zweifellos hat bisher kein anderer Staat etwas Vergleichbares entwickelt. Eines Tages wird das sicher möglich sein, aber bis dahin werden unsere Experten etwas noch Besseres präsentieren können.“ (66)
-- Globale Unterwasserdrone mit Atomantrieb
In seiner Rede kündigte Präsident Putin auch die Einführung einer nuklearen Unterwasser-Drone mit weltweiter Reichweite an, ohne den Namen des Systems zu nennen:
„In Russland haben wir sogar unbemannte tauchfähige Schwimmkörper entwickelt, die sich ferngesteuert in sehr großen Tiefen von Kontinent zu Kontinent fortbewegen können – mit einer Geschwindigkeit, die mehrfach höher als die von U-Booten, normalen Torpedos oder sehr schnellen Überwasserschiffen ist. Sie sind wirklich außergewöhnlich. Sie sind geräuschlos, sehr manövrierfähig und vom Feind kaum auszuschalten. Es gibt einfach nichts auf der Welt, was sie aufhalten könnte.
Unbemannte Unterwasserfahrzeuge können entweder konventionelle oder atomare Sprengköpfe tragen, sind also gegen unterschiedliche Ziele einsetzbar – zum Beispiel gegen Flugzeugträger-Gruppen, Küstenbefestigungen oder Hafenanlagen.
Im Dezember 2017 hat eine dieser innovativen, mit Atomkraft angetriebenen Unterwasser- Drohnen einen Testzyklus beendet, der mehrere Jahre gedauert hat. Sein Atomantrieb ist trotz seiner geringen Größe einzigartig und hat trotz seines geringen Gewichts eine sehr hohe Antriebskraft. Der Antrieb ist hundertmal kleiner als der Antrieb eines modernen Atom-U-Bootes; die Unterwasser-Drohne kann aber sehr viel schneller schussbereit gemacht werden und mehr Zerstörungskraft freisetzen.
Nach erfolgreichen Tests können wir jetzt eine völlig neue strategische Waffe bauen, die die einen großen Atomsprengkopf tragen kann.“ (67)
Möglicherweise ist das genannte Waffensystem identisch mit dem System Status 6, allerdings behauptete Putin, das System habe offiziell noch keinen amtlichen Namen und forderte daher die russische Bevölkerung auf, Vorschläge auf der Internetseite des Verteidigungsministeriums einzureichen. (68)
Mehrere „westliche“ Experten halten die Ausführungen von Vladimir Putin über den nuklearangetriebenen Torpedo mit globaler Reichweite für reine Wunderwaffen-Propaganda:
„Es ist völlig undenkbar, dass die Russen eine solche Rakete tatsächlich zur Einsatzreife gebracht haben“, sagt der Raketentechniker Robert Schmucker, emeritierter Professor an der TU München. „Dafür wären jahrelange, umfangreiche Tests nötig, die auf Grund der Radioaktivität nicht unbemerkt bleiben können.“ Die technische Herausforderung sei, dass ein Atomreaktor viel Wärme erzeuge und während des Flugs laufend gekühlt werden müsse. Da die Rakete aber mit hoher Geschwindigkeit fliege, sei die vorbeiströmende Luftallein durch die Reibung stark erhitzt. „Man braucht erst einmal Materialen, die diese Geschwindigkeiten und Temperaturen aushalten.“
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Oliver Meier von der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Die Amerikaner haben ein solches Projekt eines nuklear getriebenen Marschflugkörpers in den Fünfziger- und Sechzigerjahren verfolgt, aber verworfen.““ (69)
5. Bomber
Während des Kalten Krieges wurde die sowjetische Bomberflotte als „Fernfliegerkräfte“ (Dal'naya Aviatsiya Vozdushnikh Syl – DA VS) bezeichnet, die strategische Bomberflotte Russlands heißt heutzutage 37-ya Vosdooshnya armiya Verkhovnovo Glavnokomahndovaniya (strategicheskovo naznacheniya) (37. VA VGK [SN]). Die Bomberflotte gliedert sich in Schwere Bomberdivisionen (Gvardeyskaya tyazholaya bombardirovochnaya aviadiveeziya – GvTBAD), die speziellen Bomberbasen zugeteilt sind.
- Gegenwärtige Systeme
Der Großteil der russischen Bomberflotte stammt noch – wie in den USA – aus den 50er-Jahren. Die hohe Lebensdauer dieser Flugzeuge konnte nur sichergestellt werden, indem jeder einzelne „bombardirovshchik“ beständig gewartet und modernisiert wurde. Zur Zeit verfügt die russische Luftwaffe über zwei strategische Bombertypen: Tupolev Tu-95 BEAR und Tupolev Tu-160 BLACKJACK. Hinzu kommen die Mittelstreckenbomber Tu-22MS / M3 BACKFIRE-C und moderne Jagdbomber der Hersteller Mikojan-Gurewitsch (MiG) und Suchoi (Su), die taktische Atomwaffen einsetzen können.
-- Tupolev Tu-95MS6 (US/NATO-Code: BEAR H6)
Die Bomber Tupolev Tu-95 haben i. d. R. eine Länge von 46,13 bis 46.50 m und eine Spannweite von 50,05 bis 51,1 m. Die Höhe beträgt 12,12 m. Sie haben eine Reichweite von maximal 10.500 km. Die Dienstgipfelhöhe beträgt 12.000 m. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 930 km/h.
Das viermotorige Propellerflugzeug wurde vom Sonderkonstruktionsbüro Opytnoe konstructorskoe bjuro Tupolev (OKB Tupolev) von Andrei Nikolayevich Tupolev bzw. Nikolai Il'ich Bazenkov entwickelt. Die Entwicklungsarbeiten begannen im Sommer 1948. Der Erstflug des Prototypen der Tu-95 fand am 12. November 1952 statt. Der Bomber wurde 1956 in Dienst gestellt. Für die Modernisierung des Bombers zeichneten ab Mitte der siebziger Jahre zuerst Nikolai V. Kirsanov und danach D. A. Antonov verantwortlich. Von 1956 bis 1993 wurden insgesamt über 500 Exemplare in mindestens 27 verschiedenen Versionen und noch mehr Varianten hergestellt.
Die Version Tu-95H wurde mehrfach modernisiert und erhielt dann den Suffix „MS“: Eine Tu-95MS6 hat eine Länge von 46,13 m, eine Höhe von 13,2 m und eine Spannweite von 50,04 m. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 830 km/h; die Reichweite beträgt 10.500 km. Sie kann sechs Marschflugkörper Kh-55SM (US/NATO-Code: AS-15A KENT) in einem Drehgestell (Mnogopozitsionnaya katapool´tnaya oostanovka) MKU-6-5U im Rumpf mitführen und vier weitere von Unterflügelflügelstationen aus einsetzen. Statt Marschflugkörpern könnten auch Atombomben eingesetzt werden. Die Besatzung besteht aus sieben Mann.
Der Erstflug der Tu-95MS fand 1979 statt. Im Jahr 1981/82 folgte die Truppeneinführung. Produziert wurden insgesamt 84 Flugzeuge - zunächst im Werk in Taganrog, später in Kuibyshev. Das Werk in Samara wurde 1995 geschlossen. Von der Tu-95MS6 sind heute noch circa 27 Flugzeuge im Einsatz.
Tu-95MS 6 / MS 16 / MSM 16:
Jahr
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Seriennummer
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Taktische Nummer
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Name
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Anmerkungen
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Nummer
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Farbe
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|
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01
|
rot
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Irkutsk
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Tu-95MS
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|
|
02
|
rot
|
Mozdok
|
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…
|
…
|
…
|
…
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…
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...
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|
05
|
rot
|
|
Tu-95MS
|
…
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…
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…
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…
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…
|
…
|
|
|
08
|
rot
|
Smolensk
|
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
|
|
10
|
rot
|
Saratov
|
Tu-95MS
|
|
|
11
|
rot
|
Vorkuta
|
Tu-95MS
|
|
|
12
|
rot
|
Moskva
|
Tu-95MS
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
|
|
15
|
rot
|
Kaluga
|
Tu-95MS
|
|
|
16
|
rot
|
Veliky Novgorod
|
Tu-95MS
|
|
|
17
|
rot
|
|
Tu-95MS
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
|
RF-34108
|
20
|
rot / schwarz
|
Dubna / Ryazan
|
Tu-95MS
|
|
RF-94121
|
21 / 21/1
|
rot
|
Samara
|
Tu-95MS
|
|
|
22
|
rot
|
Chelyabinsk
|
Tu-95MS
|
|
RF-34379
|
23
|
rot / schwarz
|
Tambov
|
Tu-95MS
|
|
|
24
|
rot
|
|
Tu-95MS
|
|
|
25
|
rot
|
|
Tu-95MS
|
|
|
26
|
rot
|
|
Tu-95MS
|
|
|
27
|
rot
|
|
Tu-95MS
|
|
|
28
|
rot
|
|
Tu-95MS
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
|
|
31
|
blau
|
|
Tu-95MS
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
|
|
33
|
blau
|
|
Tu-95MS
|
|
|
34
|
schwarz
|
|
Tu-95MS
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
|
RF-35363
|
36
|
blau/ schwarz
|
|
Tu-95MS
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
|
|
43
|
rot
|
|
Tu-95MS
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
|
|
45
|
rot
|
|
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
|
|
47
|
rot
|
|
|
|
|
48
|
rot
|
|
Tu-95MS
|
|
|
49
|
rot
|
|
|
…
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…
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…
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…
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…
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…
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51
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rot
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|
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…
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…
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…
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…
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…
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…
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55
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schwarz
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56
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rot
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Tu-95MS
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…
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…
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…
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…
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…
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…
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|
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59
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rot
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Blagoveshchensk
|
Tu-95MS
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…
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…
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…
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…
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…
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…
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62
|
rot
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…
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…
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…
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…
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…
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…
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94
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rot
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Ukraine, Mai 2001 verschrottet
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?
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?
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?
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?
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?
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?
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-- Tupolev Tu-95MS16 (US/NATO-Code: BEAR H16)
Die Bomber haben eine Reichweite von maximal 10.500 km. Eine Tu-95MS16 kann sechszehn Marschflugkörper – daher der Namenszusatz „16“ - abfeuern oder Atombomben abwerfen. Nach Angaben von dem Militärexperten Pavel Podvig trägt die Tu-95MS16 sechs Flugkörper Kh-55 auf dem Drehgestell im Rumpf und weitere zehn unter den beiden Flügeln an jeweils einem Zwillings- und an einem Drillingspylon aufgehängt. (70)
Von der Tu-95MS16 (incl. Tu-95MSM16) sind heute noch circa 30 Flugzeuge im Einsatz.
-- Tupolev Tu-95MSM16 (US/NATO-Code: BEAR H16)
Bei der Tu-95MSM16 handelt es sich um eine modernisierte Version der Tu-95MS, die mit einer neuen Avionik (Informationsverarbeitungssystem, Satelliten-Navigationssystem, Radarsystem und EloKa-Abwehranlage) ausgerüstet wurde.
Die Bomber wurden ab 2005 entwickelt und spätestens Anfang 2016 bei den Streitkräften eingeführt. Zur Zeit sind 12 bis 15 Exemplare im Einsatz. Diese sollen bis 2025 im Dienst bleiben. Alle verbliebenen Tu-95 der verschiedenen Versionen sind derzeit auf die beiden Fliegerhorste 6950. AB Engels-2 in Südrussland und 6952. AB Ukrainka in Fernost verteilt.
-- Tupolev TU-160 (US/NATO-Code: BLACKJACK)
Nach dem Muster des amerikanischen Schwenkflügelbombers Rockwell B-1 LANCER führte auch die damalige sowjetischen Bomberflotte einen eigenen Schwenkflügelbomber ein – die Tupolev Tu-160, die inoffiziell auch als „Belyy Lebed“ (dt.: weißer Schwan) bezeichnet wird. Ihr NATO-Codename lautet BLACKJACK.
Die Flugzeuge haben eine Länge von 54,1 m. Mit angelegten Flügeln (68 Grad Pfeilung) beträgt die Spannweite 35,6 m, mit ausgebreiteten Flügeln (20 Grad Pfeilung) 55,7 m. Die Bomber werden von vier Turbofan-Triebwerken Kusnezow NK-321 angetrieben. Sie haben eine Reichweite von maximal 13.200 km. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt auf optimaler Höhe 2220 km/h. Als Flugkörperkontrollsystem kommt das SURO-70 (= sistema upravleniya raketnym oruzhiyem) zum Einsatz. Die Besatzung besteht aus vier Mann: Pilot, Co-Pilot, Bordingenieur und Waffenoffizier.
Der Bomber kann bis zu 40.000 kg Munition an Bord nehmen. Es gibt mehrere nukleare Bewaffnungsoptionen: Ein solcher Bomber kann entweder 12 Luft-Boden Marschflugkörper Raduga Kh-55SM (US/NATO-Code: AS-15B KENT) in zwei Drehgestellen MKU-6-5U im Rumpf mitführen oder 24 Marschflugkörper Raduga Kh-15 (US/NATO-Code: AS-16 KICKBACK) in vier verkleinerten Drehgestellen MKU-6-1U oder seit 2011 die neueren Marschflugkörper KH-101 in verstärkten Abschussgestellen oder 4 bis 6 nukleare Freifallbomben.
Der Bomber wurde von Valentin I. Blisnjuk vom PJSC Tupolev konstruiert. Er hatte seinen Erstflug am 18. Dezember 1981 und wurde 1987 in Dienst gestellt. Die Produktion der Flugzeuge fand 1984 bis 1994 in der KAPO-Fabrik „22“ in Kasan statt. Insgesamt wurden während dieser Zeit ca. 33 Maschinen gefertigt. Die damals übrig gebliebenen Flugzeugteilte wurden eingemottet. Als man 1998/99 die Produktion erneut aufnahm, wurden diese alten Teile weiterverwendet. Die erste der neuen Maschinen wurde als taktische Nummer „07“ im Mai 2000 in Dienst gestellt. Insgesamt wurden ca. 36 Maschinen gebaut, darunter waren 9 Prototypen. Allerdings schwankte die Zahl der aktiven BLACKJACK in den letzten Jahrzehnten. Nach dem Zerfall der Sowjetunion verblieben Russland gerademal sechs Bomber, acht weitere Maschinen konnten von der Ukraine im Gegenzug für Altschulden aus früheren Gaslieferungen erworben werden. Zehn weitere Bomber hatte die Ukraine zwischenzeitlich verschrottet. Zur Zeit sollen bei den russischen Streitkräften mindestens elf Tu-160 einsatzbereit sein. Weitere Exemplare werden als „Ersatzteillager“ kannibalisiert. Alle BLACKJACK sind bei dem 121. Garderegiment für schwere Bomber (121. GvTBAP) auf dem Fliegerhorst 6950. AB Engels-2 stationiert.
Tu-160 BLACKJACK (Grundversion)
Jahr
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Seriennummer
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Taktische Nummer
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Name
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Anmerkungen
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Nummer
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Farbe
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1987
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01
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rot
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Mikhail M. Gromov
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„01“ stürzte am 18. September 2003bei Stepnoye ab, alle 4 Besatzungsmitglieder starben
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RF-94102
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02
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rot
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Vasily Reshetnikov
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2015 umgerüstet zur Tu-160M1
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RF-94101
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03
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rot
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Pavel Taran
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am 16.8.2005 unternahm V. Putin mit der Maschine einen Rundflug
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RF-94112
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04
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rot
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Ivan Yarygin
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RF-94104
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05
|
rot
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Aleksandr Golovanov
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|
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RF-94105
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06
|
rot
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Il´ya Muromets
|
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2000
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RF-94106
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07
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rot
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Aleksandr Molodchiy
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29.4.2008
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RF-94115
|
081
|
rot
|
Vitaliy Kopylov
|
2008 auf Tu-160M1-Standard umgerüstet
|
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RF-94100
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101
|
rot
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Nikolay Kuznetsov
|
bis 1999/2000 Ukraine,
nach Reparatur 2005 in Russland in Dienst gestellt,
2008 auf Tu-160M1-Standard umgerüstet
|
|
RF-94114
|
11
|
rot
|
Vasiliy Sen´ko
|
bis 1999/2000 Ukraine,
nach Reparatur 2005 in Dienst gestellt,
2015 umgerüstet zur Tu-160M1
|
|
RF-94109
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121
|
rot
|
Aleksandr Novikov
|
bis 1999/2000 Ukraine,
nach Reparatur 2005 in Dienst gestellt
|
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RF-94103
|
141
|
rot
|
|
|
|
RF-94108
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15
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rot
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Vladimir Sudets
|
bis 1999/2000 Ukraine,
nach Reparatur 2005 in Dienst gestellt
|
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RF-94107
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16
|
rot
|
Aleksey Plokhov
|
bis 1999/2000 Ukraine,
nach Reparatur 2005 in Dienst gestellt
|
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RF-94110
|
17
|
rot
|
Valeriy Chkalov
|
bis 1999/2000 Ukraine,
nach Reparatur 2005 in Dienst gestellt
|
|
RF-94111
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18
|
rot
|
Andrey Tupolev
|
bis 1999/2000 Ukraine,
nach Reparatur 2005 in Dienst gestellt,
Ende 2014 umgerüstet auf M1-Standard
|
|
RF-94113
|
19 / 87
|
rot
|
Valentin Bliznyuk
|
gebaut 1986,
von Tupolev zu Testzwecken benutzt,
2000 repariert,
beteiligte sich im November 2015 an Luftangriffen in Syrien,
umgerüstet zur Tu-160M1
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
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1998
|
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24
|
rot
|
|
bis 1999/2000 Ukraine, mittlerweile verschrottet
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…
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…
|
…
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…
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…
|
…
|
|
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26
|
rot
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|
bis 1999/2000 Ukraine,
nach Reparatur 2005 in Dienst gestellt
|
|
|
33
|
rot
|
|
bis 1999/2000 Ukraine,
nach Reparatur 2005 in Dienst gestellt
|
|
RF-94111
|
63 / 342
|
blau
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Boris Veremey
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Eigentum der Herstellerwerkes Tupolev zu Testzwecken in Zhukovsky
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…
|
…
|
…
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…
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…
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…
|
Anmerkung: (1) Die taktischen Nummern „9“ und „13“ wurden nie vergeben.
- Projekte
-- Tupolev Tu-160M1 (US/NATO-Code: BLACKJACK)
Am 5. Juli 2006 wurde die erste „modernisierte“ Tu-160 „Valentin Bliznyuk“ an die Streitkräfte übergeben, sie besaß aber noch die alte Avionik. Am 29. April 2008 kam die neu produzierte „Witali Korylow“ hinzu. Im Jahr 2015 wurden die ersten zwei Bomber Tu-160 im Rahmen eines Modernisierungsprogramms bis auf den Standard Tu-160M1 aufgerüstet. Die Umbauarbeiten fanden im Flugzeugwerk Gorbunov in Kasan statt. Betroffen war u. a. die Seriennummer RF-94102 „Vasiliy Reshetnikov“. Bis Januar 2017 erhöhte sich die Zahl der Tu-160M1 auf fünf Stück. (71) Bis zum Jahr 2017 sollen zunächst zehn modernisierte BLACKJACKs beschafft werden. (72)
Ein Austausch der Triebwerke durch neue Kuznetsov NK-32M war geplant; verzögerte sich aber durch Produktionsschwierigkeiten. Die Maschinen besitzen eine modernere Avionik: Die Kommunikationsanlage S-505-70, das Astro-Navigationssystem K-042K-1, das Navigationsradar DISS-021-70 etc.. Die Tu-160M1 besitzen als neue Bewaffnung den Luft-Boden-Marschflugkörper Kh-102 und die supersonische Rakete Kh-MT mit mindestens 1.000 km Reichweite, über deren Gefechtskopf (atomar oder konventionell) noch keine Informationen vorliegen.
Tu-160M1 BLACKJACK
Jahr
|
Seriennummer
|
Taktische Nummer
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Name
|
Nummer
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Farbe
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2006
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RF-94102
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19
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rot
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Valentin Bliznyuk
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2008
|
RF-94115
|
08
|
rot
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Vitali Korylov
|
2010
|
RF-94100
|
10
|
rot
|
Nikolay Kuznetsov
|
Dezember 2014
|
RF-94111
|
18
|
rot
|
Andrey Tupolev
|
2015
|
RF-94102
|
02
|
rot
|
Vasiliy Reshetnikov
|
2015
|
RF-94114
|
11
|
rot
|
Vasiliy Sen´ko
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
-- Tu-160M2 (US/NATO-Code: BLACKJACK?)
Am 17. November 2017 hatte eine modernisierte Tu-160M(2) mit dem Namen „Pyotr Deynekin“ (Seriennummer 08-04) ihren Roll-out und absolvierte am 25. Januar 2018 ihren Erstflug. Die Maschine wurde aus verbliebenen Teilen einer nicht-fertiggestellten BLACKJACK aus den neunziger Jahren montiert.
Die neue Version Tu-160M2 soll 2021 ihren Erstflug machen, im Jahr 2022 die Serienreife erlangen und spätestens 2023 bei der Bomberflotte eingeführt werden. Die Flugzeuge werden im Flugzeugwerk Gorbunov der Objedinjonnaja awiastroitelnaja korporazija (OAK) (dt.: Vereinigtes Flugzeugbaukonsortium) in Kasan gebaut. Das russische Rüstungsunternehmen unter der Leitung von Yury Borisovich Slyusar ist auch am westeuropäischen Rüstungskonzern „Airbus Group“ beteiligt. (73) Gemäß dem stellvertretenden Verteidigungsminister Yuri Borisov besteht ein Bedarf an 50 Maschinen. Sie sollen mindestens bis zur Mitte des Jahrhunderts eingesetzt werden.
Der Bomber besitzt eine verbesserte Avionik mit modernen Kommunikations-, Navigations- und Eloka-Anlagen, die die Penetrations- und Überlebensfähigkeit erhöhen. Außerdem erhält er neue Triebwerke Nk-32-2. Nicht zuletzt wird er mit den neuen Atomwaffen Kh-102 ausgerüstet.
Tu-160M2 BLACKJACK
Jahr
|
Seriennummer
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Taktische Nummer
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Name
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Nummer
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Farbe
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08-04
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Pyotr Deynekin
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…
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…
|
…
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…
|
…
|
- Perspektivnyi Aviatsionnyi Kompleks Dalney Aviatsyi (PAK DA)
PAK DA ist ein Stealth-Bomberprojekt. Der Bomber soll ein Gesamtgewicht von etwas über 100 Tonnen haben. Er ist für eine maximale Flughöhe von 50.000 m konzipiert. Die Reichweite soll lediglich 3.500 km betragen.
Das Projekt wurde 2008 erstmals öffentlich bekannt. Im Sommer 2012 hieß es dann, das Vorhaben stehe kurz vor dem Abbruch. Im Februar 2014 erhielt das Sonderkonstruktionsbüro Opytnoe konstructorskoe bjuro Tupolev (OKB Tupolev) einen amtlichen Entwicklungsauftrag. Im Sommer 2014 erhielt Kusnezov den Auftrag zur Entwicklung der Triebwerke. (74) Eigentlich sollte ein erster Prototyp 2015 verfügbar sein, allerdings konnte der Termin nicht gehalten werden. Mit dem Erstflug wird nun frühestens für 2021 und mit der In-Dienst-Stellung für 2023 gerechnet. (75)
6. Bomberbewaffnung
- Gegenwärtige Systeme
-- Kh-15 / RKV-15 (US/NATO-Code: AS-16 KICKBACK)
Der Luft-Boden-Marschflugkörper Kh-15 gehören seit den achtziger Jahren zur nuklearen Bomberbewaffnung. Sie hat eine Länge von 4,78 m bei einem Durchmesser von 455 mm. Der Marschflugkörper hat eine Masse von 1.200 kg, davon entfallen 150 kg auf den Gefechtskopf. Die Reichweite der Standardversion beträgt 150 bis 280 km. Die Kh-15 haben eine die Geschwindigkeit Mach 5 (= 1.670 m/s); die Flughöhe reicht bis zu 40.000 m. Der Atomsprengkopf hat eine Stärke von 350 KT.
Die Entwicklung der Kh-15 begann 1978 beim Staatlichen Mechanischen Konstruktionsbüro Raduga (Gosudarstvennoe Mashinostroitelnoye konstruktorskoye byuro Raguda – GosMKB Raduga) der Maschinenfabrik Dubnensky mashinostroitlny zavod in Dubna (Ulitsa Zhukovskiy, 2). Im Jahre 1988 wurde sie bei der Luftwaffe eingeführt.
-- Kh-55 Granat (US/NATO-Code: AS-15 KENT)
Der Marschflugkörper Raduga Kh-55 wird durch ein Turbofan-Triebwerk R95-300 angetrieben. Die Geschwindigkeit beträgt – nach unterschiedlichen Angaben - 720 bis 936 km/h, die Flughöhe 40 bis 150 m. Er trägt einen Atomsprengkopf von 200 bis 250 KT. Von der Kh-55 gibt es mehrere Versionen und Varianten:
Der Kh-55 AS-15A Kent-A hat bei einer Länge von 5,88 m einen Durchmesser von 514 bis 556 mm und ein Gewicht von 1.250 kg. Die Reichweite liegt bei 2.500 km. Die Variante RKW-500A transportiert einen Sprengkopf über 2500 km mit einer Treffgenauigkeit von 45 m ins Ziel. Gleiches gilt für die Variante Kh-55K/KR mit abgeänderter Rumpfform. Bei der Variante Kh-55M wurde die Treffgenauigkeit auf 10 – 20 m verbessert.
Eine zweite Version ist der Kh-55SM bzw. RKV-500B bzw. AS-15B Kent-B. Er hat bei einer Länge von 6,04 m und einem Durchmesser von 770 mm ein Gewicht von 1.520 kg. Davon entfallen 410 kg auf den Sprengkopf. Die Spannweite beträgt 3,1 m. Er erreicht mit seinen beiden Zusatztanks eine Entfernung von 3.000 km und trifft ebenfalls mit einer Zielgenauigkeit von 45 m. Die Geschwindigkeit beträgt 936 km/h; die Flughöhe 40 bis 110 m. Die Kh-55SM wurde durch den Einbau eines GLONASS-Satellitennavigationempfängers zwischenzeitlich modernisiert.
Die Kh-55 wurde von 1976 bis 1984 vom Konstruktionsbüro für Maschinenbau NPO Novator in Sverdlovsk unter Leitung von Lev Veniaminovych Lyulyev entwickelt. Anschließend wurden die Marschflugkörper in Kharkiv (Ukraine) produziert und am 31. Dezember 1983 bei den Bomberverbänden eingeführt. Die neuere Version Kh-55SM wurde in Kirov hergestellt und stammt aus dem Jahr 1987. Die Kh-55, die von der Tu-95 eingesetzt werden, unterscheiden sich geringfügig von den Kh-55, die von der Tu-160 abgefeuert werden.
-- Kh-102 (US/NATO-Code: ?)
Der Marschflugkörper Kh-102 hat eine Länge von 7,45 bis 7,50 m und eine Spannweite von 3,00 bis 3,70 m. Sein Gewicht beträgt zwischen 2.200 bis 2.400 kg. Der Gefechtskopf hat ein Eigengewicht von 400 kg und eine Sprengkraft von 250 KT. Das Triebwerk erzeugt eine Höchstgeschwindigkeit von 270 m/s, die maximale Steighöhe beträgt 6.000 m. Die Reichweite liegt bei circa 5.000 bis 5.500 km.
Der Marschflugkörper wird von MKB Raduga entwickelt. Der Erstflug des Prototypen fand 2004 statt. Der Flugkörper soll seit 2011 nach und nach die Kh-15 ablösen. Um eingesetzt zu werden, müssen die Abschussrevolvergestelle in den Flugzeugrümpfen durch ein stärkeres Modell „izdeliye 9A-829K3“ ersetzt werden. Diese Auswechslung ist bis 2015 erst bei fünf Bombern durchgeführt worden.
-- Kh-101 oder Kh-102 mit Atomantrieb?
In seiner Rede vom 1. März 2018 kündigte Präsident Putin die Entwicklung einer Kh-101 mit Atomsprengkopf und Atomantrieb an. Hier liegt möglicherweise eine Verwechselung vor: Die Kh-101 ist ein sehr ähnlicher Marschflugkörper wie die Kh-102. Während aber die Kh-101 einen konventionellen Sprengkopf hat, ist die Kh-102 mit einem Atomsprengkopf ausgerüstet. In seiner Rede erklärte Putin wörtlich:
„Erlauben Sie mir, auch auf diese Waffen ausführlich einzugehen. Die russischen Hightech-Waffen werden von unseren innovativsten und engagiertesten Wissenschaftler, Erfindern und Ingenieuren entwickelt. Die haben einen miniaturisierten Kernantrieb mit besonders hoher Leistung konstruiert, der in unseren neuesten luftgestützten Marschflugkörper des Typs CH-101 (gemeint ist hier die Kh-101, es handelt sich nur um eine andere Transliteration der kyrillischen Buchstaben, G. P.) eingebaut werden kann. Unser Marschflugkörper ähnelt dem Tomahawk-Marschflugkörper der USA, kann aber sehr viel länger fliegen und hat eine praktisch unbegrenzte Reichweite. Es ist ein tieffliegender Tarnkappen-Marschflugkörper, der einen Atomsprengkopf auf einer unberechenbaren Flugbahn zu einem sehr weit entfernten Ziel transportieren und dabei auch noch Raketenabwehrsysteme umfliegen kann. Er ist von existierenden oder in Entwicklung befindlichen Raketenabwehr- und Luftverteidigungssystemen nicht zu orten. Ich werde heute noch mehrere Male darauf hinweisen.“ (76)
-- Kinzhal
Bei der Kinzhal (dt.: Dolch) handelt es sich um eine hypersonische Luft-Boden-Rakete (eine Art giperzvukovaya upravlyaemaya raketa), die – nach unterschiedlichen Angaben - eine Höchstgeschwindigkeit von Mach 5 bis 10 erreicht. Aufgrund ihres Steuerungssystems hat der Flugkörper eine hohe Penetrationsfähigkeit gegenüber gegnerischen Raketenabwehrsystemen. Die Reichweite wird mit 2.000 km angegeben. Sie trägt einen atomaren oder konventionellen Gefechtskopf. Nach Angaben des US-Militärexperte Michael Kofman handelt es sich bei der Kinzhal um eine luftgestützte Version der Boden-Boden-Mittelstreckenrakete Iskander. (77)
In seiner Rede vom 1. März 2018 gab der russische Präsident ein paar technische Informationen zur Kinzhal bekannt, die er namentlich erwähnte:
„Die wichtigste Stufe in der Entwicklung moderner Waffensysteme wurde mit der Konstruktion einer luftgestützten Rakete erreicht, die von einem Flugzeug aus startet, in Hyperschallgeschwindigkeit fliegt und mit großer Präzision ihr Ziel erreicht; wie Sie bereits erfahren haben, ist sie weltweit die einzige ihrer Art. Ihre Testflüge konnten erfolgreich beendet werden, und bereits seit 1. Dezember letzten Jahres wird dieses System auf Flugplätzen des Südlichen Militärbezirks erprobt.
Wegen der einzigartigen Flugeigenschaften der Hochleistungsrakete kann sie den Punkt, an dem ihr Sprengkopf freigesetzt wird, innerhalb von Minuten erreichen. Die Rakete fliegt mit 10-facher Schallgeschwindigkeit und bleibt in allen Phasen ihres Fluges manövrierfähig; sie kann deshalb nicht nur alle bereits existierenden, sondern vermutlich auch alle künftigen Raketenabwehrsysteme umfliegen und konventionelle oder atomare Sprengköpfe über 2.000 Kilometer weit transportieren. Wir haben dieses System Kinzhal genannt.“ (78)
Die Kinzhal wurde am 1. Dezember 2017 bei den Flugzeugverbänden im Militärbezirk Süd (Südrussland und Transkaukasus) mit Hauptquartier in Rostov am Don in Dienst gestellt. Der letzte Test fand am 11. März 2018 statt: Ein Abfangjäger Mikojan-Gurewitsch Mig-31 FOXHOUND (takt. Nr.: 592 - blau) feuerte eine Rakete ab. (79)
Es bleibt abzuwarten, welche Trägersysteme mit diesem System ausgestattet werden und ob die Kinzhal dann tatsächlich zu den strategischen Atomwaffensystemen gezählt werden muss.
-- Atombombenbestand
Zwei Atombombentypen stehen für alle Bombertypen z. Zt. zur Verfügung: TN-1000 (mit einem Eigengewicht von 900 bis 1.000 kg und einer Sprengkraft von 150 bis 350 KT) und TN-1200 (1200 kg Eigengewicht bei einer Sprengkraft von 1 MT). Hinzu kommt die „nukleare“ Übungsbombe (Imitatsionnaya Aviatsionnaya Bomba) IAB-300. (80)
Nur auf zwei Bomberstützpunkten befindet sich ein Atomwaffenlager: Engels-2 bei Saratov für Tu-95 und Tu-160 und Ukrainka am Amur für Tu-95. Die übrigen Bomben sind in mehreren Depots eingelagert. (81)
- Projekte
-- Neuer Marschflugkörper
Ende 2017 gab Boris Obnosov, Geschäftsführer der Tactical Missile Corporation, bekannt, dass man die Arbeiten an einem neuen Marschflugkörper mit einer Reichweite von 1.000 km aufgenommen hat.
8. Manöver
Die russischen Streitkräfte haben angesichts der zunehmenden Spannung mit der NATO seit 2014 die „Patrouillenflüge“ ihrer Bomberflotte über dem Nordmeer, der Ostsee, dem Ärmelkanal etc. erheblich ausgeweitet. Dabei kam es wiederholt zu gefährlichen Annäherungen mit Abfangjägern der Allianz.
Am 26. Oktober 2017 fand die jährliche Großübung der strategischen Atomstreitkräfte statt, bei der es sich Staatspräsident Vladimir Putin nicht nehmen ließ, persönlich „auf den Knopf zu drücken“. Beteiligt war die gesamte Triade aus Bombern, Interkontinentalraketen und Atom-U-Booten:
“On October 26, 2017 Russia conducted ist annual strategic forces exercise. (…) The new element this year was that it took place at night. The exercise was said to be a drill of the command and control procedures. President Putin, who participated, personally issued the launch orders.
The exercise involved a launch of a Topol/SS-25 ICBM from Plesetsk. The warhead is said to successfully reach its target at Kura.
The three SLBM launches were a salvo launch of two missiles from the Sea of Okhotsk to the Chizha test site and a launch of an SLBM from the Barents Sea to Kamchatka. The official report does not provide any information about submarines and missiles involved, but the video shows that all three SLBMs were liquid-fuel missiles. This means that the Okhotsk Sea salvo involved two R-29R missiles launched from one of the Project 667BDR/Delta III submarines. The Barents Sea launch was that of a R-29RM Sineva from one of the Project 667BDRM/Delta IV submarines. [UPDATE: It was Bryansk.]
Long-range bombers took part in the exercise as well. The official account says that Tu-160, Tu-95MS, and Tu-22M3 bombers based at Engels, Ukrainka, and Shaykovka launched ALCMs at targets at Kura, Pemboy, and Terekta (Kazakhstan) test sites.” (82)
Darüber hinaus gibt es mehrere Testzentren, an denen die Hersteller bzw. die Streitkräfte ihre neuen Raketen erproben oder alte Raketen einem Zuverlässigkeitstest unterziehen, z. B. der 4-y Gosudarstvennyy Tsentralnyy Poligon (GTsP-4) Kaputin Yar oder das Raketentestzentrum 53-y Nauchno-issledovatelskiy ispytatelnyy poligon in Plesetsk.
Die Sowjetunion führte am 19. Oktober 1989 auf ihrem Atomtestgelände GosTsNIP-2 in Semipalatinsk-Balapan ihren letzten unterirdischen Atomtest durch. Die Testbombe hatte eine Sprengkraft von 70 KT. Durch mehrere Teststoppabkommen sind weitere Test verboten, so dass die russische Republik bis heute keinen eigenen nationalen Atomtest, sondern nur Laborversuche durchgeführt hat.
9. Nuklear- und Rüstungsindustrie
Für die zivile Nuklearindustrie und Atomwaffenproduktion ist die Gosudarstvennaya korporatsiya po atomnoy energii (ROSATOM, dt.: Staatliche Atomenergiebehörde) zuständig. Sie hat ihren Sitz in Moskau (Ulitsa Bolshaya Ordynka). ROSATOM beaufsichtigt schätzungsweise 360 Produktions- und Lagerstätten und sonstigen Objekte zuständig. Die Atomwaffenlaboratorien unter –Produktionsstätten unterliegen einer strengen Geheimhaltung. Sie sind i. d. R. in den so genannten „geheimen Städten“ (Zakrytoe Administrativno-Terrtorial’noe Obschestvo [ZATO]) angesiedelt, die gekennzeichnet sind durch einen - mehr oder weniger - nahegelegenen Ortsnamen und eine Kodezahl. Die einzelnen Industrieanlagen und Objekte haben im Laufe der Jahrzehnte ihre Bezeichnung bzw. ihren Status mehrfach geändert, daher sind sie oft unter völlig verschiedenen Bezeichnungen bekannt. Zur Charakterisierung der Forschungs-, Entwicklungs- oder Produktionsstätte werden häufig Namenszusätze verwendet:
- „FGUP“ steht für Federal'noye gosudarstvennoye unitarnoye predpriyatiye und bedeutet „Bundesstaatliches Einheitsunternehmen“, das ist eine Rechtsform für Staatsunternehmen gemäß den russischen Wirtschaftsgesetzen,
- „FNPT“ ist die Abkürzung für Federal'nyy nauchno-proizvodstvennyy tsentr, ein „Föderatives Forschungs- und Produktionszentrum“,
- „KB“ steht für Konstruktorskoye bjuro bzw. „Konstruktionsbüro“
- „NII“ heißt Nauchno-issledovatelskiy Institut bzw. Forschungsinstitut
- „NPO“ bedeutet Nauchno-proizvodstvennoye obyedineniye und bezeichnet eine „Wissenschaftliche Produktionsvereinigung“,
- Gosudarstvennoe Mashinostroitelnoye konstruktorskoye byuro heißt GosMKB und auf deutsch „Staatliches Konstruktionsbüro für Maschinenbau“,
- „OAO“ heißt Otkrytoye aktsionernoye obshchestvo und bedeutet „Offene Aktiengesellschaft“,
- „PO“ heißt Proizvodstvennoye obyedineniye bzw. „Produktionsvereinigung“
Aktuelle Produktionsstätten für Atomsprengköpfe sind Electrokhimpribor in Lesnoy (vormals Sverdlovsk-45) bei Yekatarinburg und Zlatoust-36 bei Trekhgorny. Die Fabrik FGUP FNPTS PO Start imeni M. B. Protsenko („Start“) in Penza-19 bei Zarechny wurde ungefähr 2003 geschlossen. Das so genannte „Werk 1 Kommunist“ und das Electromekhanichesky zavod „Avanguard“ von Arsamas-16 (jetzt: Sarov) wurden ebenfalls 2003 geschlossen. Penza-19 stellte u. a. die elektronischen Codeschlösser für die Atomsprengköpfe her.
Hinzu kommen bzw. kamen mehrere Forschungszentren:
- das Vsesoyuznyy nauchno-issledovatelskiy institut eksperimental´noy fisiki (VNIIEF – dt.: Allrussisches Wissenschaftliches Forschungsinstitut für Experimentalphysik) mit den beiden Konstruktionsbüros KB-1 und KB-2 im früheren Arsamas-16,
- das Vsesoyuznyy nauchno-issledovatelskiy institut tekhnicheskoi fisiki imeni Akademika Yevgeniy Ivanovich Zababakhin (VNIITF – dt.: Allrussisches Wissenschaftliches Forschungsinstitut für technische Physik) in Chelyabinsk-70 bei Snezhinsk mit den beiden Konstruktionsbüros KB-1 und KB-2, dem Werk 1 zur Produktion der Atombombenelektronik und dem Werk 2 zur Produktion der Sprenglinsen aus konventionellem Sprengstoff in nuklearen Implosionsbomben,
- das Vysokotekhnologicheskiy nauchno-issledovatel’skiy institut neorganicheskikh materialov imeni Akademika A. A. Bochvara (AO VNIINM – dt: Allrussisches Wissenschaftliches Forschungsinstitut für Anorganische Materialien A. A. Bochvar) für die Grundlagenforschung in Moskau (Ulitsa Rogova, 5a), das z. Zt. von Dr. Leonid Aleksandrovich Karpyuk geleitet wird.
- das Vserossiyskiy nauchno-issledovatel'skiy institut avtomatiki imeni N. L. Dukhova (VNIIA) in Moskau ist an der Konstruktion von Atomsprengköpfen und Messtechnik beteiligt.
Hinzu kommen zahlreiche nukleare Zuliefererbetriebe, wie z. B. die Instrumentenbaufabrik Priborostroitel'nyy zavod (FSUE PSZ) in Tryokhgorny, das Forschungsinstitut für Messsysteme NII IS imeni Yu. E. Sedakova in Nizhny Novgorod (Ulitsa Tropinia, 47), das Elektronikelemente für Atomsprengköpfe herstellt, die Maschinenfabrik OAO Nizhneturinsky mashinostroitel'nyy zavod VENTA in Nizhnyaya Tura oder FGUP PO Sever in Novosibirsk.
Heutzutage produziert Russland kein waffenfähiges Nuklearmaterial mehr, da es davon mehr als genug hat. Bis Anfang der neunziger Jahre produzierten die Russen rund 460.000 Tonnen angereichertes Uran-235 für die Waffenproduktion in den Anreicherungsanlagen Chelyabinsk-65 bei Ozyorsk (Ulitsa Lenina, 31), Krasnoyarsk-45 bei Zelenogorsk, das Uralskii Elektrokhimicheskii Combinat (UEKhK) in Sverdlovsk-44 bei Novouralsk und das Sibirsky Khimichesky Kombinat (SKhK) in Tomsk-7 bei Seversk.
Für die Produktion von Plutonium-239 standen mehrere Brutreaktoren in Chelyabinsk-65 (Reaktoren A, IR-AI, AV-1, AV-2, AV-3), beim Gorno-Khimichesky Kombinat (GKhK) in Krasnoyarsk-26 bei Zheleznogorsk (AD, ADE-1, ADE-2) und in Tomsk-7 (I-1, EI-2, ADE-3, ADE-4, ADE-5) zur Verfügung. Diese Militär-Reaktoren wurden ebenfalls bis Oktober 1994 abgeschaltet, allerdings fällt bei der Energieerzeugung in zivilen Atomkraftwerken (RBMK-1000 etc.) weiterhin Plutonium an. Lithium-6 und Tritium für Wasserstoffbomben wurde bzw. wird produziert in Chelyabinsk-65 (Reaktoren Ruslan und Ludmila) und im Chemiewerk Novosibirskiy zavod khimkontsentratov (Khimkontsentrat) in Novosibirsk. Beryllium, das in Atomwaffen als Reflektormaterial benutzt wird, wird bei Federal'noye gosudarstvennoye unitarnoye predpriyatiye Bazalt (FGUP Bazalt) in Saratov hergestellt.
In Chelyabinsk-65 (andere Bezeichnung: PO Mayak) hat es im September 2017 einen Nuklearunfall gegeben, bei dem große Mengen des radioaktiven Isotops Ruthenium-106 freigesetzt wurden. In der Umgebung stiegen die Strahlungswerte zeitweise auf fast das 1000-fache der natürlichen Hintergrundstrahlung. Die Ursache und das Ausmaß des Unfalls werden von den russischen Behörden - nach wie vor – geheimgehalten. (83)
Aufgrund des spontanen radioaktiven Zerfalls der Kernladungen aus Plutonium-239 oder Uran-235 ist die technische Lebensdauer atomarer Sprengkörper auf rund zehn Jahre befristet. Danach würden sie nicht mehr oder nicht mehr einwandfrei funktionieren und es könnten Probleme bei der Lagerung auftreten. Durch den Austausch alter Sprengköpfe und die Produktion neuer Atomwaffentypen mit veränderten Sprengköpfen muss die russische Nuklearindustrie in den nächsten zehn Jahren rund 8.000 strategische oder taktische Atomsprengsätze produzieren.
Bis heute hat die russische Nuklearindustrie fast 500 Atomreaktoren mit Uranladungen für den Antrieb von rund 250 nuklearangetriebenen U-Booten und Eisbrechern produziert. Hersteller waren das Werk 92 in Nizhni Novgorod (damals Gorki) oder das Werk Izhorsk in Kolpino bei Sankt Petersburg; die Brennelemente lieferte die Urananreicherungsanlage in der Stadt Electrostal. Heutzutage bereitet die Entsorgung dieser Masse an alten Reaktoren große technische Schwierigkeiten und gefährdet die empfindliche Umwelt im nördlichen Eismeer. Abwrackwerften sind Zvezdochka bei Severodvinsk (Nordmeer) und Zvezda in Bolshoy Kamen (Pazifik).
Für die Entwicklung von Interkontinentalraketen ist das Tsentralnyy nauchno-issledvatelskiy institut maschinostroyeniya (TSNIImash) in Kaliningrad (Ulitsa Pionerskaya, 4) wichtig. Die strategischen Atom-U-Boote wurden alle auf der Sevmash-Werft in Severodvinsk gebaut. Für die Entwicklung von ballistischen U-Boot-Raketen sind noch mehrere Konstruktionsbüros im Einsatz: Malakhit und Rubin in Sankt Petersburg, Makeev in Miass und MITT in Moskau. Die Bomber stammen alle vom Flugzeugwerk Tupolev. Das OKB Tupolev wurde bereits 1922 vom Tsentral'nyy Aerogidrodinamicheskiy Institut imeni Professora N. Ye. Zhukovskogo (TsAGI, dt.: Zentrales Aerodynamisches Institut) in Zhukovskiy (Ulitsa Zhukovskogo, 1) gegründet. Das Institut wird derzeit von Prof. Dr. Sergey Leonidovich Chernyshev geleitet. Im Lauf der Jahrzehnte hat Tupolev mehrere Produktionsstätten betrieben: Kasan, Moskau, Samara (1995 geschlossen), Tomilino, Voronezh und Zhukovskiy.
10. Atomwaffendepots
Nur ein Teil der Atomwaffen befinden sich auf den Bomber-, Raketen- oder U-Boot-Stützpunkten, der Rest befindet sich in Depots. Für die Aufbewahrung der strategischen und taktischen Atomwaffen ist die 12-e Glavnoe Upravlenie Ministerstvo Oborony (12 GU MO) (dt.: 12. Hauptverwaltung des Verteidigungsministeriums) zuständig. Die Zentrale der Hautverwaltung befindet sich in Moskau (Znamenskiy Pereulok 19). (84)
Die Atomwaffenlager werden offiziell als „Special-Technische Einrichtungen“ bezeichnet. Manches Atomwaffenlager besitzt zudem noch eine besondere Tarnung: So wurde das frühere Lager in Krasnokamianka auf der Halbinsel Krim als „Winzerei“ dargestellt. In den Zeiten des Kalten Krieges unterhielt die Sowjetunion in der UdSSR und den anderen Staaten des Warschauer Paktes über 500 Atomwaffenlager. Man schätzt die gegenwärtige Zahl der Nuklearwaffenlager auf ungefähr 12 größere und 35 kleinere Objekte. Je nach Größe unterscheidet man zwischen nationalen, regionalen und lokalen Lagern. Der innere Hochsicherheitsbereich wird als „technische Zone“ bezeichnet. Zu jedem Atomwaffendepot gehören neben den Bewachungsmannschaften des Militärs und des Inlandsgeheimdienstes FSB auch Versorgungseinheiten und die so genannten Truppen für Spezialtechnik (russ. Bezeichnung: ITS), die für den Transport der Atomsprengkörper zu den Trägersystemen und ihre Montage verantwortlich sind.
Die größeren Atomwaffenlager werden als „Installation S“ bezeichnet. Sie gibt es natürlich bei den genannten Produktionsstätten für Atomsprengköpfe in Lesnoy bei Yekatarinburg, das Proborostroitelny zavod in Zlatoust-36 bei Trekhgorny und auch in Chelyabinsk-70 bei Snezhinsk. Weitere nationale Atomwaffendepots sind: Belgorod-22 bei Golovchino, Bryansk-18 bei Rzhanitsa, Chelyabinsk-115 bei Karabask (?), Irkutsk-45 bei Zalari, Khabarovsk-47 bei Korfovskiy, Komsomolsk-31 bei Selikhino, Krasnoyarsk-26 bei Dodonovo, Mozhaysk-10 bei Moskau, Olenogorsk-2 bei Ramozero, Saratov-63 bei Krasnoarmeyskoye, Vologda-20 bei Chebsara und Voronezh-45 bei Borisoglebsk.
Die Atomsprengköpfe für Interkontinentalraketen und U-Boot-Raketen sind auf den Flugkörpern montiert. Die Atomsprengköpfe für U-Boot-Raketen befinden sich i. d. R. an Bord der U-Boote. Reservegefechtsköpfe und andere taktische Atomwaffen der Marine und Marineflieger befinden sich in Alekseyevka-Mongokhto, Chazma, Nerpichya, Okolnaya, Rybachiy, Shchukozero, Vilyuchinsk und Yagelnaya
Depots für Flugzeugbomben befinden sich auf den Fliegerhorsten und regionalen Depots Belaya, Engels, Gorny, Shykovka, Soltsy und Ukrainka.
Atomare Abfangraketen des ABM-Rings (ABM = Anti-Ballistic Missile System = Raketenabwehrsystem, besteht in der Regel aus Anti-Raketen-Raketen) um Moskau sind an folgenden Standorten stationiert: Borovsk-1 bei Moskau, Korolev, Lytkarino, Skhodnya, Sofrino und Vnukovo.
Weitere regionale Waffendepots befinden sich in Gatchina und Kolosovka bei Kaliningrad. (85) Mögliche Atomwaffendepots sind auch noch Chita-46 bei Gornyy, Khabrarovsk-41 bei Korfovsky, Chyobsara und Shaykovka. (86)
Im Bedarfsfall übergibt die 12 GU MO die Atomsprengköpfe an das so genannte 6. Direktorat der Streitkräfte.
11. Rüstungskontrollbestimmungen im „New START Treaty“
Das New START-Abkommen wurde im April 2010 unterzeichnet und vom amerikanischen Senat am 22. Dezember 2010 und von der russischen Duma am 25. Januar 2011 ratifiziert. Es sieht eine Begrenzung der strategischen Atomsprengköpfe (Gefechtsköpfe von Raketen und Marschflugkörpern sowie Flugzeugbomben) auf 1.550 Stück vor und billigt jeder Seite den Besitz von 800 Trägersystemen (Raketen und Bomber) vor, von denen 700 einsatzbereit („deployed“) sein dürfen.
Allerdings zählt zur eigentümlichen Zählweise des Vertrages, dass jeder Bomber nur als Trägersystem für eine einzelne Atomwaffe verwendet wird, während die Zahl der tatsächlich mitgeführten Cruise Missile und Bomben wesentlich höher sein kann und ist. Andererseits unterstellt der Vertrag, dass alle Atom-U-Boote voll mit Raketen bestückt sind, was nicht der Fall ist, vielmehr sind ein Teil der Raketensilos an Bord leer. (87)
Das Abkommen läuft 2021 aus und es ist unklar, ob sich beide Seiten danach weiterhin an die Vertragsbestimmungen halten werden. (88) Der russische Präsident Vladimir Putin äußerte sich in seiner Rede vom 1. März 2018 sehr kritisch zu dem Abkommen, allerdings erklärte er zugleich, dass er sich weiterhin an die Bestimmungen der Rüstungskontrollverträge halten wolle:
„2010 haben Russland und die USA den Neuen START-Vertrag unterzeichnet, in dem es um Maßnahmen zur weiteren Verminderung und Begrenzung strategischer Offensivwaffen ging. Im Licht der US-Pläne zum Aufbau eines globalen Raketenabwehrschildes, die immer noch umgesetzt werden, ist der Neue START-Vertrag nichts mehr wert, weil uns eine Verringerung der Anzahl der Trägersysteme für strategische Atomwaffen nichts bringt, wenn einer der Vertragspartner, nämlich die USA, die Anzahl seiner Raketen zum Abfangen unserer Interkontinentalraketen ständig und unkontrolliert erhöht, ihre Qualität verbessert und neue Abwehrbasen auf fremdem Territorium baut. (…)
Für meinen Teil möchte ich auch noch ausdrücklich feststellen, dass sich alle von uns ergriffenen Maßnahmen zur Erhöhung der russischen Verteidigungsfähigkeit innerhalb der geltenden Abrüstungsverträge bewegen und nicht dagegen verstoßen.“ (89)
Nach der Putin-Rede gaben sich die Vertreter der US-Regierung betont gelassen und verwiesen auf den eigenen 700-Milliarden-Dollar-Rüstungshaushalt und den neuen Nuclear Posture Review (NPR 18) vom Februar 2018. So meinte der US-Senator Thom Tillis (North Dakota): „I view Mr. Putin like I view any murderer or criminal. When they say something, they´re probably lying, but you have to take it seriously.” (90) Demgegenüber schätzte der russische Militäranalytiker Alexander Golts in Moskau die Ausführungen noch bedrohlicher ein: „This is the start of a new Cold War. This is an effort to scare the West.“ (91)
Schluss
Gerade in einer atomaren Krisensituation kommt es auf die geistige Rationalität der Entscheidungsträger an, aber selbst darauf darf man derzeit nicht hoffen: Amerikanische Psychiater sind zu der Erkenntnis gelangt, dass es sich beim amtierenden US-Präsidenten Donald Trump um einen narzistisch gestörten Soziopathen handelt, (92), der als Quereinsteiger im Weißen Haus zudem bloß ein politischer Laie sei. Und dem kleinwüchsigen Präsidenten Russland wird nachgesagt, er müsse seinen Minderwertigkeitskomplex kompensieren und habe kriminogene Züge. Seit August 1999 ist er in höchsten Staatsämtern, seit September 1999 säumen zu viele Leichenkeller mit zu vielen Leichen seinen Weg. Ansonsten sei er eher politisches Mittelmaß.
Selbst als Agent der Auslandaufklärung des früheren Komitet gosudaarstvennoy bezopasnosti (KGB) durfte er nie ins kapitalistische Ausland fahren, sondern lediglich in Leningrad jahrelang studentische Kommilitonen ausspähen, um anschließend in Dresden (Angelikastrasse 4) versoffene russische Besuchergruppen bewirten und touristisch betreuen zu können. (93) Seine bekanntgewordenen Auslandsaufklärungsaktionen (Flint-Kaserne der Green Berets in Bad Tölz, Truppenübungsplätze Wildflecken und Musterlager) scheiterten mangels Spionen zur Objektaufklärung schon im Ansatz, für den Rest sorgte die BND-Agentin Lena Sch., die auf Putins Vorgesetzten in Dresden, KGB-Oberst Lasar Matvejev, angesetzt war. (94)
Auch auf die Bemühungen zur Rüstungskontrolle darf man längst nicht mehr vertrauen: Sicher war es ein gefährlicher Fehler, dass der damalige US-Präsident George Bush Jr. das strategische Defensivabkommen über Raketenabwehrsysteme (Anti-Ballistic-Missiles Treaty - ABM) von 1972 im Juni 2002 aufgekündigt hat. (95) Jetzt ist es noch schwieriger, das „Gleichgewicht des Schreckens“ zu bestimmen und einzuhalten. Das russische Militär ist zur Überwindung der US-Raketenabwehrsystems genötigt, die Raketen mit relativ vielen Gefechtsköpfen und Penetrationshilfen auszustatten. Dadurch verschärft sich das Träger-Gefechtskopf-Verhältnis: Immer weniger Trägern stehen immer mehr Gefechtsköpfe gegenüber. Aber weil mit der verringerten Zahl russischer ICBMs die Zahl potentieller Ziele für einen US-Counter-force-strike in gleichem Verhältnis sinkt, begünstigt dies wiederum die amerikanische Neigung zu einem US-First strike.
Zwar werden den russischen Plänen zu ihrer eigenen atomaren Hochrüstung gegenwärtig noch Höchstgrenzen durch das bilaterale New-START-Abkommen gesetzt, ob sich die russische Regierung aber zukünftig an die Abrüstungsbestimmungen halten wird, ist fragwürdig.
Auch auf anderen Gebieten der (atomaren) Rüstungskontrolle nahmen die Kontroversen in den letzten Jahren messbar zu: Seit 2013 beschuldigt die US-Regierung die russische Seite, gegen das INF-Abkommen (= Intermediate Nuclear Forces) vom 8. Dezember 1987, das ein Verbot aller landgestützten Mittelstreckensystemen in Europa bestimmt, verstoßen zu haben. (96) Im Jahr 2014 verstieß die russische Regierung mit der Annexion der Krim – für jedermann sichtbar - gegen das Budapester Memorandum vom 5. Dezember 1994, dass die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine garantierte. Am 11. März 2015 trat Russland aus dem Vertrag zur Begrenzung der Konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE) vom 9. November 1992 offiziell aus, nachdem es bereits am 12. Dezember 2007 den Vertrag einseitig „ausgesetzt“ hatte. Und seit dem 4. März 2018 stellt sich die Frage, ob die russische Regierung mit dem Nervengasangriff in Salisbury gegen die Chemiewaffenkonvention (CWK) vom 29. April 1997 verstoßen hat. Wenn nun START und INF in Frage gestellt werden, droht eine Implosion der atomaren Rüstungskontrolle.
In ihrem Nuclear Posture Review (NPR) vom Februar 2018 resümierte die US-Regierung frustriert:
“Russia’s increased reliance on nuclear capabilities to include coercive threats, nuclear modernization programs, refusal to negotiate any limits on its non-strategic nuclear forces, and its decision to violate the INF Treaty and other commitments all clearly indicate that Russia has rebuffed repeated U.S. efforts to reduce the salience, role, and number of nuclear weapons. (…)
In this regard, Russia continues to violate a series of arms control treaties and commitments, the most significant being the INF Treaty. In a broader context, Russia is either rejecting or avoiding its obligations and commitments under numerous agreements, including the Conventional Armed Forces in Europe Treaty, the Budapest Memorandum, the Helsinki Accords, and the Presidential Nuclear Initiatives. In addition, Russia has violated the Open Skies Treaty and is selectively implementing the politically binding Vienna Document to avoid transparency of its major military exercises. Russia has also rebuffed U.S. efforts to follow New START with another round of negotiated reductions, and to pursue reductions in non-strategic nuclear forces. (…)
Nevertheless, Moscow must understand that the United States will not forever endure Russia’s continuing non-compliance. The status quo, in which the United States continues to comply while Russia continues deployments in violation of the Treaty, is untenable. Agreements that are violated cannot provide predictability; undermine the prospects for future arms control; and can harm U.S., allied, and partner security. Concluding further agreements with a state in violation of multiple existing agreements would indicate a lack of consequences for its non-compliance and thereby undermine arms control broadly.” (97)
Im aktuellen atomaren Wettrüsten lobte sich Vladimir Putin sogar dafür, dass er als erster damit angefangen habe. In einer Besprechung mit Militäroffizieren am 22. Februar 2012 prahlte der präpotente Präsident anlässlich der Einführung der neuen Atomwaffensysteme Topol-M und Yars: „In dieser Hinsicht sind wir unseren amerikanischen Partnern ein Stück zuvorgekommen. Denn ihnen steht eine Modernisierung ihres Atomwaffenarsenals noch bevor.“ (98)
Nach dem „Kalten Krieg“ droht nun ein „Kalter Krieg 2.0“. Man kann nur hoffen, dass auch dieser Kalte Krieg mit seinen Drohungen, Krisen, Konflikten und Missverständnissen möglichst lange und nicht möglichst kurz dauert, was allerdings umso mehr Drohungen und Krisen heraufbeschwören würde, je länger dieser „Kalte Krieg“ dauert. Der erste „Kalte Krieg“ endete mit dem Zusammenbruch der UdSSR, und es ist unklar, welche Schlussfolgerungen die russische Staatsspitze darauf für ein mögliches Ende des nächsten „Kalten Krieges 2.0“ zieht bzw. gezogen hat.
Die Dynamik der sicherheitspolitischen Konfliktlage ist längst bekannt, wird zum Teil nur durch glückliche oder unglückliche Zufälle bestimmt oder folgt technischen Gesetzmäßigkeiten, auf denen die politisch-militärischen Akteure kaum Einfluss nehmen können, zumal sie diese allzu oft noch nicht einmal kennen oder begreifen. Möglicherweise ist der russische „prezident“ in seinem Weltmachtstreben schon zu verblendet, um zu begreifen, dass es politisch und militärisch nicht gut ist, wenn er bestimmt, welcher Idiot in den USA „president“ wird. Niemand sollte die United States of America mit Abchasien, Ossetien, Transnistrien, Tschetschenien oder der Krim verwechseln. Sollte auf die beiden kleinen Weltkriege „WK 1“ und „WK 2“ ein großer Weltkrieg „WK 3“ folgen, wären die Folgen angesichts der unvergleichlichen Destruktivität der Nuklearwaffen und der vorgeschädigten Erd-Umwelt unvorstellbar.
Durch die Entwicklung von Mini-nukes mit relativ geringer Sprengkraft haben sowohl die USA als auch Russland dazu beigetragen, dass sich die Schwelle zum Krieg längst merklich herabgesenkt hat. Außerdem vollzieht sich die russische Atomrüstung vor dem Hintergrund eines Trends zur so genannten „hybriden Kriegführung“. Der scharfe Gegensatz von „Frieden“ zu „Krieg“ ist längst im Wanken. So verfolgt die russische Regierung eine Außenpolitik, die über die Aggressivität vergangener Jahrzehnte weit hinausgeht: Desinformation, wiederholte Mordanschläge durch ABC-Kampfstoffe, Cyber-Attacken gegen Regierungszentralen und Atomkraftwerke in den USA und Westeuropa (99), Wahlbeeinflussung, politische Destabilisierung durch das Schüren gesellschaftlicher Konflikte oder Provokation von Spannungen innerhalb internationaler Organisationen, in denen Russland kein Mitglied ist. Dezinformatsiya, diversiya ideologicheskaya, chuzhoy flag, maskirovka und mokrie dela - das alles ist noch kein „Krieg“, aber all dies erhöht die Kriegsgefahr, als ob sich die russische Regierung bereits im „Angriffsmodus“ wähne.
In Syrien stehen sich die USA und Russland konfrontativ gegenüber, so dass mehr oder weniger viele russische Soldaten bzw. Söldner am 7. Februar 2018 bei Deir ez-Zor von der US-Luftwaffe getötet wurden. (100)
In Salisbury (UK) wurde am 4. März 2018 der frühere Agent Sergey Viktorovich Skripal' des russischen Militärgeheimdienstes Glavnoye razvedyvatel'noye upravleniye (GRU), der 1995 zum britischen Secret Intelligence Service (SIS) übergelaufen war, ermordet. Unter dem Decknamen FORTHWITH hatte Skripal‘ bis zu seiner Pensionierung 1999 bzw. bis zu seiner Enttarnung im Dezember 2004 angeblich das gesamte GRU-Telefonverzeichnis und damit die Identitäten hunderter Agenten und Tarneinrichtungen verraten. Als „Tatwaffe“ wurde das Ultragift Novichok eingesetzt.
Der Grundkampfstoff Novitchok war seit 1973 von Pjotr Petrowitsch Kirpitschow vom Gosudarstvennyy nauchno-issledovatels’kiy institut organicheskoy khmimii i teknologigii (FGUP GosNIIOChT – dt.: Staatliches Forschungsinstitut für Organische Chemie und Technologie) in Volsk-17 bei Shichany entwickelt worden; die binäre Version Novichok-5 (andere Bezeichnung: A-232) wurde Anfang der neunziger Jahre von Igor Vasiliev und Andrei Shelesnjakov am Hauptsitz des GosNIIOChT in Moskau (Chaussee Enthusiastov, 23), synthetisiert. Das Institut wird derzeit von Dr. habil. Vladimir Borisovich Kondratjev geleitet und hat 863 Mitarbeiter.
Nach dem chemischen Angriff auf Skripal' stieg die Zahl der gefährdeten Personen durch Kontaminationsverschleppung innerhalb von zwei Wochen auf bis zu 500 an. Somit bestand die Gefahr, dass die britische Regierung dies als einen militärischen Angriff einstufen und die NATO um militärischen Beistand ersuchen könnte. Zwar stellte der North Atlantic Council (NAC) der NATO am 14. März fest, dass tatsächlich ein „Angriff“ vorläge, verzichtete aber in einer albernen Erklärung zugleich auf eine „Verteidigung“ gemäß Bündnisfall:
“The UK confirmed the use of a military-grade nerve agent of a type developed by Russia and briefed Allies that it was highly likely that Russia was responsible. The UK also confirmed that this was an indiscriminate and reckless attack against the United Kingdom, putting the lives of innocent civilians at risk.
Allies expressed deep concern at the first offensive use of a nerve agent on Alliance territory since NATO’s foundation. Allies expressed solidarity with the UK, offered their support in the conduct of the ongoing investigation, and called on Russia to address the UK’s questions including providing full and complete disclosure of the Novichok programme to the Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons. Allies agreed that the attack was a clear breach of international norms and agreements.(…)
NATO has repeatedly condemned the use of chemical weapons in Syria and called on those responsible to be held to account. NATO regards any use of chemical weapons as a threat to international peace and security.” (101)
Bis heute fehlt ein kriminalistischer „Beweis“ dafür, dass die russische Regierung für den Mord im Stil der stalinistischen SMERSH direkt verantwortlich ist, dass kann man auch nicht erwarten, schließlich ist ein Mord mit einem Ultragift, dessen tödliche Dosis bei subkutaner Aufnahme bei ungefähr 1,5 mg liegt, etwas anderes, als ein klassischer Anschlag mit einem rauchenden Colt.
Vor diesem internationalen Hintergrund dauern die sicherheitspolitischen Diskussionen in Deutschland an: Die Sozialdemokratie an ihrer Appeasementpolitik gegenüber Russland fest und hofft auf eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen zum Wohle deutscher Kapitalisten. Das würde Putin sogleich nutzen, um seine Rüstungspläne ungehindert fortsetzen zu können. Gleichzeitig waren ausgerechnet die deutschen Christdemokraten in den letzten Jahren sehr erfolgreich bei ihrem Versuch, die so genannte „Bundeswehr“ zu zerschlagen: Die U-Boote können nicht tauchen, die Panzer nicht fahren, Hubschrauber sowie Flugzeuge nicht fliegen und Gewehre nicht schießen. Außerdem fehlen - mal wieder – Wintermäntel, da können die Einwohner von Stalingrad vorerst noch beruhigt schlafen.
Nachdem er von 2005 bis 2013 als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium für die Milliardenlöcher und eine unvergleichliche Pannenserie bei der missverständlichen „Neuausrichtung der Bundeswehr“ mitverantwortlich war, riet Christian Schmidt (CSU) den Deutschen im August 2014, sie sollten selbst einen persönlichen Beitrag zur Landesverteidigung leisten: „An apple a day, keeps Putin away!“ (102) Mehr Dekadenz geht nicht.
Die so genannte „Friedensforschung“ wurde von den rot-grünen Landesregierungen mit finanziellen „Zuwendungen“ längst neutralisiert und hat zur atomaren Aufrüstung in Russland in den letzten Jahren publizistisch fast nichts beigetragen, stattdessen beschäftigten sich die Schöngeister lieber mit bedeutungsvollen Themen wie z. B. „good governance“. Angesichts dieser Depolitisierung der einst „kritischen Forschung“ müssen die Friedensforscher (= Polemologen) aufpassen, dass sie nicht irgendwann mit Obstkundlern (= Pomologen) verwechselt werden.
Die deutsche „Friedensbewegung“ ist traditionell gespalten in verschiedene Strömungen: Christen, Kommunisten, Unorganisierte und seit ein paar Jahren behaupten selbst populistische „Querfront“-Neonazis, in ihrem Innern würde sich irgendwie ein positives Gefühl rühren beim Thema „Frieden“. Man kann der „Friedensbewegung“ nicht vorwerfen, dass sie an ihrem klassischen Anti-Amerikanismus festhält, die militaristische US-Regierung liefert dazu hinreichend Anlass. Man muss der „Friedensbewegung“ aber ihre naive Ignoranz gegenüber der russischen Hochrüstung zum Vorwurf machen. Angesichts ihrer oftmals zu einseitigen Betrachtungsweise ist sie auf die US-Beschaffungspläne (z. B. die Wasserstoffbombe B-61-12 in Büchel) fixiert.
Dabei ignorieren viele „Friedensfreunde“ völlig, was die Militärs jenseits der polnisch-russischen Grenze so treiben. Dort hat für manche alte Generäle und Admiräle, wie z. B. Generaloberst a. D. Leonid Grigoryevich Ivashov. der „Kalte Krieg“ und seine Blockkonfrontation nie aufgehört. (103) Im Juli 2017 erklärte General a. D. Dr. Konstantin Sivkov, der amtierende Präsident der Akademiya geopoliticheskikh problem (dt.: Akademie für geopolitische Probleme) in Moskau, ein NATO-Angriff auf Russland werde gerade vorbereitet. Der eindeutige Beweis: „An unserer Grenze sind vier Bataillone mit etwa 1.000 Mann stationiert, das ist mindestens ein halbes Regiment, das mit leistungsstarken Waffen ausgerüstet ist, die die Bedürfnisse eines Bataillons deutlich übersteigen.“ (104) Hier wäre mehr Skepsis und Distanz gegenüber der Moskauer Propaganda angeraten, statt diese – wie durch die „linken“ „Scheißefresser“ (alter KGB-Jargon) - willfährig nachzuplappern. Es keine besonders glaubwürdige Politik, wenn man jeden „Pubs“ der NATO-Ärsche zum Beginn eines apokalyptischen „Bumms“ hochstilisiert, aber jedes Kriegsverbrechen der Russen totschweigt oder gar zur mutigen Heldentat und Ausdruck nationaler Größe verklärt.
Vom 24. März bis 2. April 2018 ist die deutsche Vitalbevölkerung wieder einmal aufgefordert, sich an den traditionellen Ostermärschen gegen die Atomrüstung zu beteiligen. Aufgrund der Erfahrungen in den letzten Jahrzehnten darf man hoffen, dass von den 82.000.000 Demokraten die 5.000 vorhandenen Kriegsgegner sich an den politischen Wanderungen beteiligen werden, wenn das Wetter gut genug ist für die atomare Abrüstung. Dieses Jahr feiern die Ostermärsche zudem einen Jahrestag: Vor genau sechzig Jahren, am 7. April 1958, fand in London der erste Marsch statt. „Ban the bomb“ war damals das immer noch aktuelle Motto. Die Termine der diesjährigen Demonstrationen kann man – wie üblich – auf der Webseite der Friedenskooperative in Bonn nachlesen: www.friedenskooperative.de/termine/ostermarsch
Zwischen dem Russischen, Weißrussischen und Ukrainischen gibt es (geringe) Abweichungen in der Schreibweise. Darüber hinaus gibt es für die Transkription der kryrillischen Buchstaben unterschiedliche Systeme. Aufgrund der Quellenlage wurde hier die amerikanisch-englische Transkription gewählt. So kann der Marschflugkörper mit der kyrillischen Bezeichnung „X-15“ mal mit „Ch-15“, mal mit „Kh-15“ umgeschrieben werden. Eine „Proizvodstvennoye Obyedineniye“ ist dasselbe wie eine „Proizvodstvennoe Obedinenie“. Im vorliegenden Text folgt die Transkription dem System, das von der jeweiligen Quelle angewendet wurde. Es wurde allerdings darauf geachtet, dass die Transkriptionsweise eines bestimmten Begriffs im Text durchgängig gleich gehandhabt wurde. (105)
Online-Quellen:
(1) www.welt.de/newsticker/dpa_nt/afxline/topthemen/hintergruende/article174715700/Fuer-Gauland-und-Le-Pen-ist-Putin-ein-Partner.htm
(2) www.finanzen.net/nachricht/private-finanzen/Geschaetztes-Vermoegen-Ist-Wladimir-Putin-der-reichste-Mann-der-Welt-5338135
(3) www.manager-magazin.de/finanzen/artikel/200-milliarden-dollar-vermoegen-wie-reich-ist-putin-wirklich-a-1018696.html
(4) www.rt.com/news/210307-russia-national-defence-center/
(5) http://foreignpolicy.com/2010/05/27/the-russian-nuclear-button-2/
(6) https://en.wikipedia.org/wiki/Metro-2
(7) www.rt.com/news/324112-russia-doomsday-command-center/
(8) https://de.wikipedia.org/wiki/Iljuschin_Il-96
(9) www.spiegel.de/einestages/sowjetische-atomraketenbasis-a-947507.html
(10) www.newsweek.com/us-russia-race-build-nuclear-weapons-they-actually-against-one-aother-777137
(11) www.nti.org/learn/countries/russia/nuclear/
(12) www.newsweek.com/us-russia-race-build-nuclear-weapons-they-actually-against-one-another-777137
(13) www.jwd-nachrichten.de/volltext180305.htm
(14) www.independent.co.uk/news/world/europe/russia-nuclear-weapon-tests-drones-west-nato-defence-systems-putin-presidential-address-a8234296.html
(15) www.johnstonsarchive.net/nuclear/multimeg.html
(16) www.atomwaffena-z.info/heute/atomwaffenstaaten/russland.html
(17) https://de.wikipedia.org/wiki/MAZ-7917
(18) https://de.wikipedia.org/wiki/Atomstreitkraft
(19) https://en.wikipedia.org/wiki/Strategic_Missile_Troops
(20) https://en.wikipedia.org/wiki/Strategic_Missile_Troops
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