Militärforschung
  Gruppa Wagnera
 

Russische Söldnertruppe „Gruppe Wagner“ in Mali?

Gerhard Piper

16. September 2021

Die Militärjunta in Mali verhandelt mit der russischen Söldnertruppe „Gruppa Wagnera“ über einen Militäreinsatz auf ihrem Territorium. Die malischen Behörden räumten ein, dass Gespräche mit der russischen Gruppe geführt würden, dass aber „noch nichts unterschrieben ist“. Die Agentur AFP meldete, bis zu tausend Paramilitärs sollen in dem Land stationiert werden. Die russische Regierung wies zurück, dass es Verhandlungen über eine militärische Präsenz in Mali gebe. Nun erwägt Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer einen Abzug der Bundeswehr aus Mali.

„Gruppa Wagnera“

Der Militärdienst für eine fremde Macht war für Russen bis Ende 2016 offiziell verboten und wurde mit einer Haftstrafe bis zu 15 Jahren geahndet; Präsident Putin änderte dies mit dem Gesetz Nr. 53 vom 9. Januar 2017. Als ein Journalist im November 2018 die Legalisierung privater Söldnerunternehmen in Russland befürwortete, wurde er verhaftet und wegen Verrats von Staatsgeheimnissen angeklagt.

Heutzutage ist die „Gruppa Wagnera“ die wohl bekannteste halbstaatliche Söldnertruppe/Sicherheitsunternehmen (Chastnaja Voennaja Kompanija - ChVK) in Russland. Die Söldnertruppe ist das russische Gegenstück zum amerikanischen „Blackwater“-Unternehmen.

Während es sich offiziell um ein „Privatunternehmen“ handelt, ist die Truppe eng mit dem russischen Militärgeheimdienst Glawnoje Uprawlenije (GU) verbandelt und agiert als seine Frontorganisation. So rekrutieren sich viele Mitglieder aus den Veteranen der russischen Spezialeinheiten. Sie werden von den russischen Sicherheitsbehörden mit Tarnpapieren ausgestattet. „Gruppe Wagner“ und Spetsnaz nutzen eine benachbarte Ausbildungsstätte. Bei besonderen Vorkommnissen gibt es eine enge Kommunikation zwischen der Führung der Söldnertruppe und der russischen Präsidialverwaltung bzw. der Leitungsebene der Ministerien. (1).

Ohne zu lügen, fiel es dem stellvertretenden Leiter der Präsididalverwaltung und Kremlsprecher Dmitrij Sergejewitsch Peskow daher leicht, im vorliegenden Fall eine russische Intervention in Mali zu dementieren: „Es gibt dort keine Vertreter der russischen Armee.“ Allerdings bezog Mali schon früher einen Großteil seiner Waffenausstattung aus der Sowjetunion bzw. Russland, daher erscheint ein Einsatz russischer Söldner als umso wahrscheinlicher.

Der Einsatz eines scheinbar privaten, unabhängigen Unternehmens hat für die russische Regierung mehrere Vorteile: Sie kann eine Verwicklung in die Kriegshandlungen der Truppe ableugnen, auch eine parlamentarische Untersuchung ihrer Kampfhandlungen durch das russische Parlament ist nur bedingt möglich. Außerdem kann die russische Regierung so Ausländer für ihre Militärpolitik einsetzen und muss im Versorgungsfall nicht für deren Behandlung aufkommen. Nicht zuletzt unterstützt die Gruppierung die russische Außen- und Militärpolitik. Der Chef des ukrainischen Sicherheitsdienstes SBU, Vasil Serhiyovych Hrytsak, bezeichnete die Truppe als „Putins private Armee“.

Die „Gruppe Wagner“ ging aus dem „Slawischen Corps“ hervor. Geführt wird die Söldnertruppe durch den früheren GU-Agenten „Ninth“ alias Oberst a. D. Dmitrij Walerjewitsch Utkin. Utkin wurde am 11. Juni 1970 geboren und lebt in Pskow. Er war von 1988 bis 2008 Kommandeur der 2. Spetsnaz-Brigade (Militäreinheit 64044) in Promeschitsa. Zu den weiteren Führungspersonen zählt Oberst Andrei Nikolajewitsch Troschew, Chef der Operationsabteilung ist Sergey Kim.

Finanziert und organisiert wird die Truppe von Jewgenij Wiktorowitsch Prigoschin. Prigoschin wurde 1961 in Leningrad geboren. Er kann auf eine kriminelle Karriere zurückblicken: Im Jahr 1979 wurde er wegen Diebstahls von einem sowjetischen Gericht zu einer Bewährungsstrafe und zwei Jahre später wegen Raubüberfalls, Betrugs und Prostitution von Minderjährigen zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Er verbüßte neun Jahre seiner Strafe und wurde 1990 aus der Haft entlassen. Nach seiner Haftentlassung betrieb er Restaurants in Sankt Petersburg. Damals verkehrte er in der Glückspielszene und kam möglicherweise mit Wladimir Putin in Kontakt, der damals eine städtische Kommission zur Regulierung des Glücksspiels leitete.

Prigoschin ist heute als „Koch Putins“ allgemein bekannt. Er leitet derzeit das einzige Restaurant im Parlamentsgebäude der Duma und betreibt das Gastronomieunternehmen „Concord Management and Consulting“, das die Schulen in Sankt Petersburg täglich mit Essen beliefert. Jewgenij Prigoschin ist nicht nur im „Kriegsgeschäft“ aktiv, im Rahmen „hybrider Kriegführung“ ist er zugleich im Desinformationsbereich tätig. Dazu betreibt er in Sankt Petersburg die halbstaatliche „Trollfabrik“ namens „Lakhta Research Agency“ (vormals: „Internet Research Agency“ - IRA) (zunächst Uliza Sawuschkina 55, seit Dezember 2017 Optikov-Straße 4). Das Büro verfügt über ca. 800 „Mitarbeitern“ (Stand: Februar 2018), darunter zahlreiche Studenten und Rentner. Außerdem betreibt er die „Nachrichtenagentur“ namens „Federalnoje agenstwo nowostei“ (RIA FAN, vormals: „Agenstwo internet-issledowani“). Nicht zuletzt gilt der umtriebige Unternehmer als Eigentümer der Ölfirma „Evro Polis“, was er bestreitet. (2)

Die Truppe umfasst nach unterschiedlichen Schätzungen 2.000, 3.500 oder gar 6.000 Söldner, darunter ehemalige Angehörige der russischen Sondereinheiten Alpha, Wymbel des Inlandsgeheimdienstes FSB und Spetsnaz des Militärgeheimdienstes GU. Frühere Knastinsassen vervollständigen das Personal. Bei den „Mitarbeitern“ handelt es sich um Russen, aber auch um Ukrainer oder Serben. Ihr Ausbildungszentrum befindet sich in Molkyno bei Krasnodar, wo auch die GU-Spetsnaz ein Trainingslager unterhalten. Die Ausbildung dauert rund zwei Monate. Bei Kampfeinsätzen erhält ein Söldner rund 4.300 Dollar pro Monat. Im Falle seines Todes wird seine Leiche nicht unbedingt geborgen, aber seine Hinterbliebenen erhalten eine Entschädigung in unbekannter Höhe.

Die Truppe ist u. a. mit gepanzerten Fahrzeugen russischer Produktion ausgestattet: KAMAZ „Vystrel“ und „Dozor“.

Die Truppe wird für zahlreiche Kriegsverbrechen in verschiedenen Ländern verantwortlich gemacht. (3) Wie andere Söldnerverbände auch leidet die Truppe unter internen Querelen, außerdem haben einige Mitglieder ein Alkoholproblem.

Söldnereinsätze

Die Söldnertruppe ist/war u.a. in der Ukraine, Nagorny-Karabach, Venezuela, Libyen, Sudan, Mozambik, der Zentralafrikanischen Republik und Syrien tätig. In mehrere Staaten hat sie Militärberater entsandt, u. a. nach Ägypten, Angola, Benin, Eritrea, Guinea, Guinea Bissau, Demokratische Republik Kongo, Madagaskar, Tschad und Zimbabwe.

- Ukraine: Die Söldner sind seit 2014 in der Region Donbass in der Ost-Ukraine stationiert, um den Kampf der pro-russischen Separatisten für staatliche Unabhängigkeit bzw. einen Anschluss an Russland zu unterstützen. Zu ihren Führungskräften vor Ort gehört „Andrei Iwanowitsch Laptew“ alias „Orion“ (Rufname) alias General Oleg Wladimirowitsch Iwannikow (GU). Iwannikow wurde am 2. April 1967 in Chemnitz (DDR) geboren. Er war u. a. 2006 bis 2008 „Verteidigungsminister“ in Südossetien. In der Ost-Ukraine war er als militärische Kommandeur eingesetzt, um die Truppenteile der russischen Truppen, der pro-russischen Separatisten und der „Gruppa Wagnera“ zu koordinieren. Im Jahr 2017 schied er aus dem aktiven Dienst aus.

- Syrien: Seit Oktober 2015 ist die Söldnertruppe in Syrien aktiv, um das terroristische Regime von Baschar Hafiz al-Assad zu unterstützen. Angehörige der Gruppe spielten bei der Rückeroberung der Stadt Palmyra aus der Hand des so genannten „Islamischen Staates“ (IS) eine wichtige Rolle. Am 7. Februar 2018 kam es zwischen ca. 550 Mitglieder der „Gruppa Wagnera“ (Russen, Ukrainer und Serben) und amerikanischen Special Forces bzw. Mitgliedern der Syrian Democratic Forces (SDF) in Khusham bei Deir Al-Zor zu einem heftigen Gefecht, nachdem eine Warnung der Amerikaner ignoriert wurde. Die US-Truppen setzten u.a. Kampfhubschrauber vom Typ Hughes „AH-64 Apache“ ein.

Nach Recherchen des russischen Journalisten Maxim Borodin kamen über 200 Söldner ums Leben; nach Angaben eines anonymen Feldarztes aus Moskau starben 100 Söldner, 200 wurde verwundet. Die verletzten Söldner seien mit drei Transportmaschinen nach Russland ausgeflogen worden. Sie wurden u. a. im Zentralen Militärlazarett in Chimki bei Moskau, dem 3. Vishnesky Hospital in Krasnogorsk, dem Burdenko-Krankenhaus in Moskau und der Akademie für Militärmedizin in Sankt Petersburg behandelt, hieß es. Viele hätten schwere Schrapnell-Verletzungen gehabt und ihre medizinischen Chancen seien gering gewesen. Demgegenüber behauptete die Sprecherin des Moskauer Außenministeriums, Maria Zakharova, lediglich fünf russische Bürger seien im Kampfgebiet umgekommen, allerdings hätten sich keine russischen Truppen in dem Bereich aufgehalten. (4)

- Sudan: Im Sudan schützten die Söldner die Regierung des damaligen sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir im Konflikt gegen den Südsudan. Dabei sollten die Söldner die Bedingungen für gute Geschäfte russischer Unternehmen gewährleisten und besonders Gold-, Uran- und Diamantminen schützen. Omar al-Bashir muss sich derzeit vor dem internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag (Niederlande) verantworten.

- Zentralafrikanische Republik: Im März 2018 wurde ein Militärhilfeabkommen zwischen den Russen und dem afrikanischen Präsidenten Faustin Touadéra vereinbart. Rund 170 Söldner waren damals u. a. in Berengo und Damara eingesetzt. Sie waren u. a. mit LKW vom Typ „Ural-4320“ ausgestattet. Heutzutage sind rund 450 „Wagner“-Söldner im Land und stellen die Leibwache für Staatspräsident Touadéra. Außerdem sollen sie 3.000 Mann der einheimischen Streitkräfte geschult haben.

Die Aktivitäten der „Gruppa Wagnera“ sind ein Hinweis auf eine verstärkte Zuwendung der russischen Regierung zu afrikanischen Staaten. So schloss der Kreml in den letzten Jahren Militärabkommen mit rund 20 Staaten auf dem schwarzen Kontinent ab.

Terrorbedrohung in Mali

Im Rahmen ihrer geographischen Ausdehnung haben mehrere dschihadistische Gruppierungen seit Januar 2012 den Norden Malis erobert und sind seitdem noch weiter nach Süden vorgedrungen. Es handelt hauptsächlich um Tuareg-Rebellen der „Nationalen Bewegung zur Befreiung des Azawad" (MNLA). Am 6. April 2012 proklamierten aufständische Tuareg einen autonomen Staat „Azawad“, der international keine Anerkennung fand. Hinzu kommen die Tuareg-Organisation „Ansar Dine“ unter Führung von Iyad Ag Ghaly, „Al-Qaida im Islamischen Maghreb“ (AQIM), eine Regionalorganisation der Al-Qaida, und der so genannte „Islamic State in the Greater Sahara“ (ISGS), außerdem die Dschihadistengruppe „Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika“ (Mouvement pour l'unicité et le jihad en Afrique de l'Ouest“ - MUJAO), die sich 2011 von AQIM abgespalten hat. „Ansar Dine“ und AQIM haben sich im März 2017 zur Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin (JNIM) zusammengeschlossen.

Als Folge des Bürgerkrieges putschte das malische Militär in den letzten Jahren zweimal, erst am 22. März 2012 unter Führung von Hauptmann Amadou Sanogo, zuletzt am 18. August 2020. Derzeitiger Machthaber ist Oberst Assimi Goïta, die Militärjunta nennt sich „Komitee zur Rettung des Volkes“ (Comité national pour le Salut du Peuple – CNSP). Am 20. Juli 2021 scheiterte ein Attentatsversuch auf Goïta.

Blauhelmmission MINUSMA

Zur Terrorbekämpfung und Stabilisierung des Landes führt die UN in Mali auf Basis der Resolution 2100 des UN-Sicherheitsrates vom 25. April 2013 die „Mission multidimensionelle integrée des Nations Unies pour la stabilisation au Mali (MINUSMA)“ durch. Zuletzt hat der UN-Sicherheitsrat Ende Juni 2021 eine Verlängerung der Mission bis zum 30. Juni 2022 beschlossen. Die Operation gilt als der gefährlichste Einsatz der Blauhelme; mehr als 250 UN-Einsatzkräfte sind seit Beginn der Mission ums Leben gekommen.

Seit 2013 beteiligt sich die Bundeswehr an der Militärintervention in Mali. Das aktuelle Mandat hatte der Bundestag am 19. Mai 2021 beschlossen. (5) An der Operation MINUSMA ist die Bw mit rund 880 Soldaten beteiligt. Somit schöpft die Bundeswehr ihre bewilligte Höchstgrenze von 1.100 Mann nicht aus. Hinzu kommen 20 Polizeibeamte und mehrere zivile Kräfte.

Das Kommando liegt seit dem 23. März 2021 beim „Kontingentführer“ Oberst Christoph Rittelmann, der zuletzt bei der 10. Panzerdivision in Veitshöchheim diente. Das Hauptquartier mit Materialumschlagpunkt befindet sich in Bamako. Ein zweiter Stützpunkt ist Camp Castor in Gao. Außerdem unterhält man zur Unterstützung im benachbarten Niamey (Niger) einen Luftstützpunkt.

Das Kontingent setzt sich zusammen aus Stabspersonal und Fernmeldern, Versorgungskräften, Sanitätern sowie Sicherungskräften. Ausgestattet ist die Truppe mit Aufklärungsdrohnen „Heron 1“, Spähpanzern „Fennek“ und dem Flugabwehrsystem „Modular, Automatic and Network capable Targeting and Interception System” (MANTIS) für den Objektschutz in Gao. Außerdem sind in Gao zwei Hubschrauber der Privatfirma Global Helicopter Service (GHS) („Bell 412 EP“ und „H224 Super Puma“) stationiert, die von der Bundeswehr bei Bedarf genutzt werden. In Niamey sind zudem Lufttransport- und Tankflugzeuge stationiert.

Zum Auftrag der Bw-Truppe erklärte die Bundesregierung:

„Entsprechend dem Ansatz „Beratung-Ausbildung-Ausstattung“ unterstützt die Bundesregierung zudem mit weiteren bilateralen sicherheitspolitischen Maßnahmen den nachhaltigen Aufbau der malischen Streitkräfte. Mit einem militärischen Berater unterstützt sie das malische Verteidigungsministerium. Auch die militärische Ausbildungshilfe und das bilaterale Jahresprogramm kommen mit Ausbildung und Expertenaustauschen zum Tragen. Weiter werden aus Mitteln der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung auch militärische Fähigkeiten wie gesicherte Mobilität und Sanität besonders gefördert mit dem Ziel der Stärkung der Einsatzbereitschaft der malischen Streitkräfte im Zentrum. Unter anderem wird weiterhin ein mechanisierter Einsatzverband der malischen Streitkräfte im Raum Mopti-Sévaré aufgebaut, der mit geschützten Transportfahrzeugen ausgestattet ist und daran ausgebildet wird. Die Kräfte sind dadurch im Einsatz effektiv vor Sprengfallen geschützt, die eines der größten Risiken für Sicherheitskräfte in Zentralmali darstellen. Ein weiteres Projekt ist die Erneuerung des zentralen Munitionsdepots der malischen Streitkräfte. Zudem wird Einsatzvorbereitungstraining für afrikanisches Personal zur Teilnahme an Friedensmissionen der VN und der Afrikanischen Union unter besonderer Berücksichtigung rechtlicher Aspekte an der malischen Akademie für Friedenssicherung, der „École de Maintien de la Paix“ in Bamako sowie die Sicherheitskooperation zu biologischen Bedrohungen gefördert.

Das Zusammenwirken von Ertüchtigungsmaßnahmen und zivilen Beiträgen zur Stabilisierung in Mali fördert die Bundesregierung zum Beispiel durch ihren Beitrag zum Bau befestigter Verwaltungs- und Entwicklungsbasen (Pôles sécurisés de développement et de gouvernance, PSDGs), mit denen die Rückkehr der Staatlichkeit in die Regionen mit dem Angebot von staatlichen Leistungen und Entwicklungsprojekten befördert werden soll. Zudem ermöglicht das gesicherte Umfeld der PSDG die Präsenz von Polizei und Gendarmerie im Zentrum des Landes und in der Fläche. (…) Das deutsche Stabilisierungsengagement umfasst zudem die logistische Unterstützung des DDR-Prozesses zur Entwaffnung und Reintegration ehemaliger Rebellen und den Bau einer Landebahn in Kidal (Nordmali), um den Zugang zur Region für die Bevölkerung und MINUSMA zu erleichtern.“ (6)

Nach Regierungsangaben liegen die Einsatzkosten bei 362,1 Millionen Euro für den Zeitraum 1. Juni 2021 bis 31. Mai 2022.

Zu den Todesopfern der deutschen Mission gehören Major Jan Färber und der Stabshauptmann Thomas Müller. Außerdem wurde der Tourist Martin Eugen Arker am 25.11.2011 in Timbuktu ermordet.

Die französischen Streitkräfte stellen das Hauptkontingent der UN-Operation. Seit Januar 2013 führten sie in Mali – auf Bitten der Landesregierung - ihre Opération SERVAL durch. Der französische Einsatz in Mali ist Teil einer größeren Operation zur Zurückdrängung des islamistischen Einflusses in Nordafrika. So ist die Opération SERVAL am 13. Juli 2014 in der größeren Opération BARKHANE aufgegangen. Diese erstreckt sich über die Länder Mali, Burkina Faso und Niger. Weitere französische Militäreinheiten sind in den Nachbarländern stationiert. Insgesamt sind rund 3.000 Soldaten an der Mission beteiligt. Seit dem 27. März 2020 wurde zur Unterstützung der Opération BARKHANE die Taskforce „Takuba“ (ca. 600 Mann) geschaffen, der nicht nur französische Spezialkräfte, sondern auch weitere europäische Partner angehören. Ihr Zweck ist die Bekämpfung dschihadistischer Gruppen in der Grenzregion Liptako zwischen Mali, Burkina-Faso und Niger.

Das französische Kontingent in Mali umfasst derzeit 5.100 Soldaten. Sie verteilen sich auf folgende Standorte: Gao, Gossi, Kidal, Menaka, Tessalit und Timbuktu. Weitere Stützpunkte befinden sich in den Nachbarländern. So betreibt der Militärgeheimdienst Direction du Renseignement Militaire (DRM) eine Aufklärungsbasis in Niamey. Die Spezialeinheiten der Truppe sind in der „Task Force Sabre“ zusammengefasst. Die Truppe ist ausgestattet mit 280 Radpanzern, 220 gepanzerten Fahrzeugen und 400 Lkws. Hinzu kommen 3 Aufklärungsdrohnen vom amerikanischen Typ „Reaper“, 7 Aufklärungsflugzeuge vom Typ Dassault „Mirage 2000D“, mindestens fünf Transportflugzeuge (darunter eine Aufklärungsmaschine vom Typ „C160 Transall“) und 20 Hubschrauber („Caracal“, „Cougar“, „Gazelle“ und „Tiger“).

Erst am 16. September 2021 gab der französische Staatspräsident bekannt, dass es gelungen ist, den Anführer des „Islamischen Staates in der Sahara“, Adnan Abu Walid al-Sahrawi, zu töten. (7)

Kleinere Truppenteile stellen Belgien, Estland, Irland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Schweden, Schweiz und das Vereinigte Königreich. Die Streitkräfte der Staaten der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Economic Community of West African States - ECOWAS) führten die Militärmission African-led International Support Mission to Mali (AFISMA) mit 3.300 Mann durch, die am 1. Juli 2013 in MINUSMA integriert wurde. Unterstützt werden die alliierten Truppen durch die Gemeinsame Einsatztruppe der G5-Sahel-Staaten (G5 Sahel Force Conjointe).

Ausbildungsmission EUTM

MINUSMA wird ergänzt durch die „European Union Training Mission Mali“ (EUTM Mali) zur Ausbildung der malischen Streitkräfte (Forces Armées Maliennes - FAMa) (ca. 7.350 Soldaten) bzw. der malischen Nationalgarde (Garde Nationale du Mali) (ca. 4.800 Mann). Daran beteiligt sich die Bundeswehr mit weiteren 110 Soldaten, maximal dürfte sie im Rahmen der EU-Operation 600 Mann entsenden. So betreibt die Bundeswehr das „Koulikoro Training Center“ (KTC) in Koulikoro, 60 Kilometer westlich der malischen Hauptstadt Bamako. Als „Education and Training Task Force Commander” fungiert seit dem 14. Juli 2021 Oberst Mathias Hell.

Außerdem wurden die malischen Streitkräfte durch Rüstungsexporte aufgerüstet. So erhielten sei erst kürzlich ein zweites Transportflugzeug vom Typ „Airbus C295W“.

Abzug der Bundeswehr?

Seit 2013 ist die Bundeswehr in Mali im Einsatz. Die laufende Operation müsste spätestens am 31. Mai 2022 durch ein neues Bundestagsmandat verlängert werden.

Kurz nach der militärischen Niederlage der Bundeswehr in Afghanistan im August 2021 droht der Bundeswehr nun erneut eine Niederlage bei einem Einsatz „out-of-area“. Nachdem Meldungen auftauchten, dass sich die malische Militärjunta mit der Bitte um Militärhilfe an die Russen gewendet hatte, gab Bundesverteidigungsministerin Annegret Kamp-Karrenbauer (CDU) am 15. September 2021 per „tweet“ bekannt, sie denke an eine Beendigung des Militäreinsatzes in Mali:

„Sollte sich die Zusammenarbeit von #Mali mit russischen Söldnergruppen bestätigen, stellt das die Grundlagen des Mandats der #Bundeswehr für #MINUSMA und #EUTM in Frage und gemeinsam mit dem Bundestag müssten wir Konsequenzen ziehen.“ (8)

Die Verteidigungsministerin wollte ein Scheitern der deutschen Militärmission nicht ausschließen:

„Wenn Malis Regierung mit Russland solche Vereinbarungen trifft, widerspricht das allem, was Deutschland, Frankreich, die EU und die UN in Mali seit 8 Jahren leisten.“ (9)

Aus dem Auswärtigen Amt und dem Bundesverteidigungsministerium hieß es, die Berichte seien „besorgniserregend“. Die Pressesprecherin des AA erklärte:

„Ich kann für das Auswärtige Amt sagen, dass wir Kenntnis über russische Gespräche mit der malischen Regierung haben und auch die jüngsten Medienmeldungen über mögliche bilaterale Militärkooperationen zur Kenntnis genommen haben.“

Die grüne Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger kritisierte:

„Eine Zusammenarbeit mit russischen Söldnern wäre ein absolutes No-Go. (…) Es rächt sich, dass die Bundesregierung die Lage in Mali seit Jahren und insbesondere seit dem Putsch immer wieder schöngeredet sowie auf ein blindes Weiter-so gesetzt hat.“ (10)

Über einen Rückzug der Bundeswehr müsste der Bundestag entscheiden, sobald das Parlament angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl am 26. September 2021 wieder arbeits- und entscheidungsfähig ist. Solange müssten die Bundeswehrsoldaten ihre Knochen in Mali hinhalten.

Ein Abzug der Bundeswehr scheint geboten, da sich mit der Konfliktbeteiligung der russischen Söldner die Beziehungen zwischen der malischen Militärjunta und den NATO-Alliierten, mithin die militärpolitischen Rahmenbedingungen des Einsatzes ändern. Außerdem ist der Einsatz der Bundeswehr von der Präsenz des französischen Militärkontingents abhängig. Nicht zuletzt würde durch einen Rückzug vermieden, dass es zu einer direkten militärischen Konfrontation zwischen Russen und NATO-Alliierten kommen könnte. Dass diese Möglichkeit nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigte sich schon bei dem amerikanisch-russischen Gefecht in Syrien.

Auch die französische Regierung überdenkt ihre Militärintervention in Mali. Im Juni 2021 gab die französische Regierung bekannt, sie wolle ihren Militäreinsatz im Rahmen der Operation BARKHANE reduzieren. Angesichts der aktuellen Meldungen kritisierte der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian am 14. September 2021die mögliche Zusammenarbeit der malischen Regierung mit der „Gruppe Wagner“. Ein paralleler Einsatz russischer Söldner und französischer Soldaten sei „nicht kompatibel“: „Wagner ist eine Miliz, die sich in der Vergangenheit in Syrien und der Zentralafrikanischen Republik mit Misshandlungen und allerlei Verstößen bewiesen hat, dass sie kein Teil einer Lösung und daher mit unserer Präsenz unvereinbar ist." (11) Vermutlich ist die Anfrage der malischen Regierung an Russland eine direkte Folge der französischen Abzugsankündigung.

Morde an russischen Journalisten

Die „Gruppa Wagnera“ wurde wiederholt für Kriegsverbrechen (Mord bzw. Verschwindenlassen) verantwortlich gemacht. Mehrere Journalisten, die zu der Söldnertruppe recherchierten, wurden ermordet bzw. inhaftiert:

Maxim Borodin war Investigationsjournalist beim Online-Magazin „Novy Den“. Er untersuchte u. a. den russischen Militäreinsatz in Syrien, insbesondere das Vorgehen der Söldnertruppe „Gruppa Wagnera“. Borodin starb am 12. April 2008 in Jekaterinenburg. Angeblich fiel er aus dem Fenster seines Appartements im fünften Stock. Drei Tage später erlag er im städtischen Krankenhaus Nr. 23 seinen Verletzungen. Angeblich war es „Selbstmord“, da Borodin mit seinem Job unzufrieden gewesen sein soll, vielleicht auch ein „Unfall“, da der Balkon marode gewesen sein soll. Die Behörden sprachen von einem „unglücklichen Vorfall“. Ein Freund Borodins berichtete, dieser habe ihn kurz vor seinem Tod angerufen und gebeten, einen Rechtsanwalt zu finden, es seien maskierte bewaffnete Menschen in Tarnuniformen im Treppenhaus und auf dem Balkon, es sehe nach einer bevorstehenden Razzia aus. Kurz darauf gab Borodin Entwarnung: Es sei wohl eine Übung gewesen. (12)

Im Jahr 2018 wollte ein dreiköpfiges Filmteam die Aktivitäten der „Gruppa Wagnera“ in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) untersuchen: Orhan Geidarowitsch Dschemal war freier Journalist und arbeitete für verschiedene Magazine (u. a. „Nezawissimaja Gazeta“, „Wersija“, „Dschod“), der Kameramann Kirill Radschenko (abchasischen Nachrichtenagentur „ANNA-News“ und Online-Portal „Vkontakte“) und dem Regisseur Alexander Rastorgujew (TV-Sender „NTW“). Die Recherchen wurden vom „Centre for Investigation“ (Tsentr Upravleniya Rassledovaniyami - TsUR) des früheren russischen Oligarchen und Kreml-Kritikers Michail Borissowitsch Chodorkowski unterstützt. Das Filmteam war bei der UN-Friedensmission "Multidimensional Integrated Sabilization Misson in the Central African Republic" (MINUSCA) als Journalisten akkreditiert.

Das Journalistentrio wollte einen Dokumentarfilm über die Aktivitäten der „Gruppa Wagnera“ in der ZAR drehen. Dabei wurde das Filmtrio von unbekannten Russen und kongolesischen Polizeibeamten beobachtet.

Am 30. oder 31. Juli 2018, das Filmteam war gerade auf dem Rückweg vom russischen Militärstützpunkt Berengo, wurden die Filmleute an einem Checkpoint in Sibut getötet. Ihr Fahrer überlebte und berichtete: „Bewaffnete Männer kamen aus dem Busch und schossen auf das Fahrzeug. Die drei Journalisten starben sofort.“ Nach amtlichen russischen Angaben handelte es sich um einen Raubmord arabisch-sprechender Banditen.

Nach Recherchen ihrer Kollegen waren Angehörige der „Gruppa Wagnera“ in den Mord verwickelt:

„Cell phone records  obtained from the CAR show that men affiliated with the Wagner Group were in regular contact with each other there from July 28-30, when Orkhan and his team were in that country. The Russian mercenaries were also in contact with local police, who appear to have kept close watch over the journalists. (…)

The men affiliated with the Wagner Group would not be questioned by police, Detective Zolotov (gemeint ist der untätige Ermittlungsbeamte Igor E. Solotow, G. P.) reported. In his view, “there was not enough information” linking these individuals to what had happened. From my sources at the Investigative Committee, I later learned how the detectives typically talk amongst themselves about questioning someone like Prigozhin: Why, they ask, would we want to disturb such a big and busy person?““ (13)

Quellen:

(1) Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Gruppe_Wagner_(russisches_Unternehmen)
#cite_note-35)

(2) Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Jewgeni_Wiktorowitsch_Prigoschin

(3) N.N.: Inquiry into the Murder of Hamdi Bouta and Wagner Group Operations at the Al-Shaer Gas Plant, Homs, Syria 2017, New America Online, Washington D. C., USA, o. D., o. S.,
Online: www.newamerica.org/international-security/reports/inquiry-murder-hamdi-bouta/executive-summary
(Download am 16. September 2021)

(4) Tsvetkova, Maria: Russian toll in Syria battle was 300 killed and wounded: sources, Reuters Online, London, UK, 15. Februar 2018, o. S.,
Online: www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-russia-casualtie-idUSKCN1FZ2DZ
(Download am 27. März 2021)

(5) Deutscher Bundestag: Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA), Drucksache 19/28803, Berlin, 21. April 2021, o. S.,
Online: www.bundeswehr.de/resource/blob/54222/ba7280a865369ed4d26cf2ba47d30469/
antrag-der-bundesregierung-minusma-data.pdf
(Download am 16. September 2021)

(6) ebd.

(7) N.N.: French troops kill leader of Islamic State group in Sahel, Macron says, France24 Online, Paris, Frankreich, 16. September 2021, o. S.,
Online: www.france24.com/en/africa/20210915-french-troops-neutralise-leader-of-islamic-state-in-the-greater-sahara-macron-says
(Download am 16. September 2021

(8) N.N.: Annegret Kampf-Karrenbauer stellt Einsatz in Mali infrage, Zeit Online, Hamburg, 15. September 2021, o. S.,
Online: www.zeit.de/politik/ausland/2021-09/bundeswehr-einsatz-
mali-annegret-kramp-karrenbauer-twitter
(Download am 16. September 2021)

(9) N.N.: Kramp-Karrenbauer stellt Bundeswehr-Einsatz in Mali in Frage, Rheinische Post Online, Düsseldorf, 16. September 2021, o. S.,
Online: https://rp-online.de/politik/deutschland/annegret-kramp-karrenbauer
-stellt-bundeswehr-einsatz-in-mali-in-frage_aid-62789841
(Download am 16. September 2021)

(10) ebd.

(11) N.N.: Annegret Kampf-Karrenbauer stellt Einsatz in Mali infrage, Zeit Online, Hamburg, 15. September 2021, o. S.,
Online: www.zeit.de/politik/ausland/2021-09/bundeswehr-einsatz-
mali-annegret-kramp-karrenbauer-twitter
(Download am 16. September 2021

(12) Klimeniouk, Nikolai: Ein wirklich mysteriöser Todesfall, Frankfurter Allgemeine Zeitung Online, Frankfurt, 26. April 2018, o. S.,
Online: www.faz.net/aktuell/feuilleton/russischer-journalist-borodin-stirbt
-selbstmord-unfall-oder-mord-15553929.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0
(Download am 27. März 2021)

(13) Gordienko, Irina: My Son's Father Was Killed While Reporting on a Private Russian Militia. I'm Still Waiting for Justice, Time Online, New York City, USA, 30. Juli 2019, o. S., Online: https://time.com/5637539/russia-central-african-republic-militia-anniversary/
(Download am 27. März 2021)