Corona-Krisenstab der Ampel
Gerhard Piper
30. November 2021
Am 30. November 2021 soll ein neuer Krisenstab die Bekämpfung der Corona-Pandemie tagtäglich anleiten. Leiter des Krisenstabes ist der Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr Generalmajor Carsten Breuer.
Corona-Kabinette
Höchstes Entscheidungsgremium in der Corona-Pandemie ist das so genannte „Corona-Kabinett“. Allerdings gibt es für dieses halbamtliche Gremium in der Geschäftsordnung der Bundesregierung keine speziellen Bestimmungen. Das „Corona-Kabinett“ tagt im unterschiedlichen Rahmen: Das „kleine Corona-Kabinett“ wird von der Bundeskanzlerin oder ihrem Stellvertreter geleitet. Die Ministerinnen und Minister der Verteidigung, der Finanzen, des Inneren, des Auswärtigen, für Gesundheit und der Chef des Bundeskanzleramtes nehmen daran teil. Es tagt seit Beginn der Corona-Krise montags.
Das „große Corona-Kabinett“ wird ebenfalls von der Bundeskanzlerin oder ihrem Stellvertreter geleitet. Es trifft sich am Mittwoch nach der regulären Kabinettsrunde oder einen Tag später. Neben den Teilnehmern des „kleinen Corona-Kabinetts“ sind hier auch alle Fachministerinnen und -minister hinzugeladen, die bei den zu behandelnden Themen der Tagesordnung zuständig sind (z.B. Arbeitsministerium, Landwirtschaftsministerium, Entwicklungshilfeministerium). (1)
So verbleibt die Bekämpfung der Pandemie bei der amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), soweit diese nichts Wichtigeres zu tun hat, wie z. B. die Entgegennahme eines weiteren Ehrendoktortitels oder eines ehrenvollen Preises.
Krisenstab Nr. 1
Mit Beginn der Corona-Pandemie richtete die Bundesregierung im Februar 2000 - gemäß ihrem damaligen Pandemieplan einen Krisenstab ein. Dieser war zugleich beim Bundesinnenministerium (BIM) und dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) angesiedelt. Leiter des Krisenstabes im Krisengebiet Deutschland wurde Hans-Ulrich Holthem vom Bundeswehrkrankenhaus Ulm, der auf zahlreiche humanitäre Auslandseinsätze in anderen Krisengebieten verweisen konnte (Afghanistan, Dschibouti, Gabun, Indonesien, Irak, Kongo, Kosovo, Kroatien). Angesichts seiner Ernennung zum Leiter des Krisenstabes wurde Dr. Holthem am 1. März 2020 zum Leiter der neuen BMG-Abteilung „Gesundheitsschutz Gesundheitssicherheit, Nachhaltigkeit“ und am 28. Mai 2020 zum Generalstabsarzt ernannt. (2)
Der Stab dieses Krisenstabes analysierte täglich die Lageentwicklung und gab entsprechende Empfehlungen ab: Aufbau und Ablauf der Test- oder Impfzentren, Verteilung der verfügbaren Vakzine, Verteilung der ökonomischen Corona-Hilfen. Allerdings hatte das Gremium keinen Verfassungsrang und keine Durchsetzungskraft. Er konnte nur Empfehlungen und Aufträge an die Staatssekretärsrunde im Kanzleramt oder den BMG-Beschaffungsstab mit seiner „Task Force“ aussprechen. Der Krisenstab tagte zunächst zweimal pro Woche, zuletzt nur noch einmal wöchentlich an jedem Dienstag. Zu seinen Mitgliedern gehörten die Vertreter der zwölf beteiligten Bundesministerien und Bundesbehörden, allerdings nahm noch nicht einmal der Prof. Dr. Lothar Wieler, der leitende Tierarzt des Robert-Koch-institutes (RKI), regelmäßig an dessen Sitzungen teil.
So lag die Entscheidungsfindung allein bei den Idioten, die in der Bundesrepublik Deutschland Ministerpräsident werden dürfen. Diese stimmten ihre „ABC-Abwehr“ in unregelmäßigen Abständen in so genannten Ministerpräsidentenkonferenzen ab, allerdings waren die MPK-Beschlüsse nicht bindend.
Neuer Krisenstab
Im Rahmen ihrer Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung hat die neue Bundesregierung der Ampelkoalition den Krisenstab reformiert. Er wird direkt beim Bundeskanzleramt angesiedelt. Außerdem tagt er täglich. Gegenüber dem Vorgängermodell soll der neue Krisenstab personell aufgebläht werden, so hat die Ampel-Koalition die Absicht, Vertreter der sechzehn Bundesländern und der Kommunalverbände aufzunehmen. Die Gesamtgröße soll ca. 50 Personen umfassen. Der neue Krisenstab soll am 30. November 2021 seine Tätigkeit aufnehmen.
Zum Leiter des neuen Krisenstabs wurde Generalmajor Carsten Breuer ernannt, der seit dem 10. Januar 2018 das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr (KdoTerrAufgBw) führt. (3) Sein Stellvertreter ist Brigadegeneral Andreas Henne. Das Kommando untersteht seinerseits dem Kommando Streitkräftebasis (SKB) unter dem Kommando von Generalleutnant Martin Schelleis in Bonn.
Die Übergabe der Führungsgewalt von einem Krisenstab an den anderen und von Generalstabsarzt zu General bedeutet noch keine Militarisierung der Pandemiebekämpfung, aber es macht schon einen militärpolitischen Unterschied, ob ein Generalstabsarzt oder der Befehlshaber eines territorialen Bundeswehrkommandos die Führung übernimmt.
Das KdoTerrAufgBw hat seinen Sitz im Hauptgebäude der Ludwig-Leber-Kaserne in Berlin-Wedding (Kurt-Schumacher-Damm 41). Die Operationszentrale (OpZ) ist ständig einsatzbereit. Das Kommando führt alle Bundeswehreinsätze im Inneren der BRD.
Die Bundeswehr beschreibt die Aufgaben des Kommandos so:
„Herzstück des Kommandos ist die Operationszentrale (OpZ), die 365 Tage im Jahr rund um die Uhr einsatzbereit ist. Im Normalbetrieb werden hier Meldungen über relevante territoriale Ereignisse, Wetter- und Umweltdaten gesammelt und ausgewertet, um ständig ein aktuelles bundesweites Lagebild zu haben. Kommt es zu einem Einsatz, werden die Anträge auf Hilfeleistung, die von den betroffenen Landeskommandos koordiniert und vorgelegt werden hier geprüft und bewertet, um verfügbare militärische Kräfte, schnell in Verbindung zu zivilen Organisationen vor Ort treten zu lassen und effektiv und schnell helfen zu können.
Mit Unterstützung beorderter und nicht-beorderter Reservistinnen und Reservisten wird regelmäßig geübt, sodass das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr den realen Notlagen souverän begegnen kann – jederzeit, deutschlandweit.
Die Truppenübungsplätze sind wesentliche Fähigkeitsträger für die Ausbildung von Streitkräften. Das Kommando Territoriale Aufgaben Bundeswehr sorgt in seiner Führungsfunktion dafür, dass die für eine optimale Vorbereitung der Streitkräfte erforderlichen Ausbildungseinrichtungen auf Truppenübungsplätzen geschaffen, betrieben und weiterentwickelt werden können.“ (4)
Gegliedert ist das Kommando Territoriale Aufgaben u. a. in sechzehn Landeskommandos, das Multinational Civil Miliary Cooperation (CIMIC) Command zur in Nienburg (Clausewitz-Kaserne) und das Wachbataillon in Berlin (Leber-Kaserne).
Zur Zeit gehört zu seinen Aufgaben insbesondere die Amtshilfe der Bundeswehr zur Pandemiebekämpfung. Zeitweise waren dafür 15.700 Soldaten aus den verschiedensten Dienststellen bundesweit abgestellt. Zu ihrem breiten Aufgabenspektrum gehörten die Unterstützung kommunaler Gesundheitsämter bei der Durchführung von Schnelltest oder Impfungen, Nachverfolgung von Corona-Infizierten, Pflegeunterstützung in Krankenhäusern und Altenheimen durch Sanitätskräfte, etc.. So waren die Soldaten in 85 Prozent aller Landkreise tätig.
Seit dem 26. November 2021 unterstützt die Bundesluftwaffe mit ihrem Medevac-Flugzeugen Airbus A310 die KLEEBLATT-Planung zur Verlegung von infizierten Patienten aus überforderten „hot spot“-Gebieten in andere Bundesländer mit freien Kapazitäten zur Intensivbehandlung von Corona-Patienten. (5) Allerdings verfügt jedes Flugzeug nur über sechs Behandlungsplätze. Die Maschinen starten vom Fliegerhorst Memmingen (Bayern) zum Fliegerhorst Münster-Osnabrück (Nordrhein-Westfalen). Organisiert wird die Patientenverlegung durch das zivile Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ) des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenvorsorge (BBK) in Bonn, das somit erstmals in die Corona-Bekämpfung aktiv einbezogen wird.
Der neue Krisenstab wird seine Empfehlungen auf Basis der Novelle des Infektionsschutzgesetzes treffen, das die Ampel-Koalition mit ihrer neuen Mehrheit am 18. November 2021 im Bundestag durchgesetzt hat. Ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Pandemie schaffte die designierte Bundesregierung durch den Einfluss der FDP die „epidemische Notlage“ juristisch ab. Für die Gesetzesreform mag es gute Gründe geben, aber das psychologische Signal an die verängstigte und verunsicherte Bevölkerung war fatal. Noch vor ihrer Inthronisierung glänzte die rot-grün-gelbe Regierung durch die gleiche, bekannte Ignoranz und Unfähigkeit, wie ihre Vorgängeradministration. So mutierte die Gesetzesinitiative quasi zum Schwangerschaftsabbruch in der Geburtsstunde der Ampel-Regierung.
Vertreter der CDU/CSU kritisierten, der neue Krisenstab habe auch nicht mehr Kompetenzen als der alte Krisenstab, er werde lediglich vom Bundesinnenministerium zum Bundeskanzleramt „umgetopft“. So liegt die Entscheidungskompetenz bei der Seuchenbekämpfung gemäß Gesetzeslage weiterhin bei den 16 einzelnen Bundesländern, der Bund könne nur beratend oder unterstützend tätig werden. (6) Dazu befand der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU): „Ein General, der einen sehr, sehr guten Leumund hat, kann ja keine Befehle ausgeben an die Kommunen.“ (7)
Bleibt zu hoffen, dass der gelernte Pädagoge und Generalmajor Carsten Breuer bei der Bekämpfung der deutschen Ministerpräsidenten erfolgreicher ist, als bei der Bekämpfung der Taliban während seines Afghanistaneinsatzes (Januar bis Dezember 2014).
Quellen:
(1) www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/regierungshandeln-covid19-1740548
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Ulrich_Holtherm
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Carsten_Breuer
(4) www.bundeswehr.de/de/organisation/streitkraeftebasis/organisation/kommando-territoriale-aufgaben-der-bundeswehr
(5) https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/COVRIIN_Dok/Kleeblattkonzept.html
(6) www.welt.de/politik/deutschland/plus235361854/Corona-Der-Erfolg-des-Krisenstab-Generals-haengt-von-einer-Frage-ab.html
(7) www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/krisenstab-101.html