Militärforschung
  Ukraine-Krieg 2.0 - 64. Update
 

Ukraine-Krieg 2.0 – Update 64 vom 30. April (D+64)

Gerhard Piper

Lageentwicklung:

Mit der Dauer und den Kosten des Krieges, welche die westlichen Waffenlieferungen verstärken, scheinen die Spannungen im Regime zu wachsen. Laut den Geheimdienstfachleuten Andrej Soldatow und Irina Borogan vom „Center for European Policy Analysis“ machen die als „Silowiki“ bekannten Sicherheitsinstitutionen einander für die Misserfolge in der Ukraine verantwortlich. (https://cepa.org/vicious-blame-game-erupts-among-putins-security-forces/)

Der Politologe Prof. Dr. Thomas Jäger von der Uni Köln prognostizierte:

„Präsident Putin hat, ausgehend von überoptimistischen Annahmen für den Angriff und einer realitätsfernen Einschätzung der Gesamtlage Russland schweren Schaden zugefügt. Das Land ist politisch isoliert, wirtschaftlich unter immensem Druck, innenpolitisch repressiv und mit Blick auf seine Zukunft um alle Vorteile seiner Bodenschätze und Lage gebracht.

Russland wird am Ende dieses Krieges nicht die dritte Weltmacht sein, zu der Putin mit seinen neo-imperialistischen Ambitionen die „russische Welt“ aufwerten wollte, sondern ein großes Flächenland mit Mangelwirtschaft und Nuklearraketen.

Eine Sowjetunion 2.0 ohne ideologischen Appeal und weltpolitischen Ausgriff. (…)

Der Krieg, den Russland führt, hat hingegen dazu geführt, dass – jenseits seiner atomaren Bewaffnung – die Schlagkraft seiner Streitkräfte inzwischen geringer eingeschätzt wird als vor dem Krieg. 40.000 der 190.000 Soldaten, die in die Ukraine geführt wurden, sollen nach einem Monat gefallen, verwundet oder desertiert sein.

Die wirtschaftlichen Aussichten für Russland sind düster. Russland hat die Integration in die Weltwirtschaft in einem Monat um dreißig Jahre zurückgedreht. Es wird zukünftig in vielen zahlungskräftigen Staaten nicht mehr als verlässlicher Lieferant von Energie angesehen und deshalb Lieferverträge verlieren. (…)

Der Rubel wird eine auf Russland begrenzte Währung bleiben, anders als es die russische Regierung anstrebte, die ihre Währung in einem Währungskorb internationaler Reservewährungen sah. Produktion und Konsum werden in Russland eingeschränkt werden, das Land rasch den Anschluss an die Weltwirtschaft verlieren.

Präsident Putin hat den Krieg politisch verloren, auch wenn er ihn militärisch gewinnen sollte – wonach es derzeit nicht aussieht. Die Ukraine wird keine legitime russlandfreundliche Regierung haben, die Nato ist geeinter als zuvor, die USA bleiben in Europa engagiert und die Abschreckung an der Ostgrenze des Bündnisses wird verstärkt. Europa wird nicht Russlands Einflusszone.

Dass er über die Voraussetzungen zum Krieg von den russischen Diensten getäuscht wurde, mag stimmen. Dass er sich selbst für den bestinformierten Menschen mit optimaler Urteilsfähigkeit hält, auch. Es sind die gewöhnlichen Defizite von autokratischen Herrschern nach allzu langer Zeit der Alleinherrschaft. Inzwischen aber könnte er ein besseres Bild der Lage haben, denn mutmaßlich wird ihm nicht verwehrt, ausländische Medien zur Kenntnis zu nehmen.

Es erfordert allerdings die Fähigkeit, kognitive Dissonanzen wahrzunehmen und auszuhalten. Dabei müsste er sich eingestehen, dass er die „Erfolge“ der letzten zweiundzwanzig Jahre gerade aufgelöst hat. Russland ist politisch zu einem Paria-Staat geworden, nach innen repressiv, wirtschaftlich ohne Aussicht auf Erfolg.“ (https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/analyse-von-thomas-jaeger-putin-hat-nur-noch-eine-chance-seine-krachende-niederlage-zu-vertuschen_id_89883337.html)

Kriegsverbrechen:

Die Ukraine ermittelt nach eigenen Angaben gegen mutmaßliche Kriegsverbrechen in mehr als 8.000 Fällen. (https://www.focus.de/politik/ausland/bei-pressebriefing-zum-krieg-in-der-ukraine-putins-verdorbenheit-pentagon-sprecher-kaempft-bei-rede-mit-den-traenen_id_91784865.html)

Der Sprecher des Department of Defense (DoD), John Kirby, erklärte am 29. April, der russische Präsident Wladimir Putin sei verkommen und brutal. Zum Krieg gegen die Ukraine sagte Kirby:

„Es ist schwer, sich anzusehen, was er in der Ukraine tut, was seine Truppen in der Ukraine tun, und zu denken, dass irgendein ethisches, moralisches Individuum das rechtfertigen könnte… (…) Ich kann nichts zu seiner Psyche sagen, aber ich denke wir können alle etwas zu seiner Verdorbenheit sagen.“ (https://www.focus.de/politik/ausland/bei-pressebriefing-zum-krieg-in-der-ukraine-putins-verdorbenheit-pentagon-sprecher-kaempft-bei-rede-mit-den-traenen_id_91784865.html)

Und weiter:

„Das ist Brutalität der kältesten und verkommensten Sorte. (…) Ich glaube nicht, dass wir das Ausmaß, in dem er diese Art von Gewalt und Grausamkeit und, wie ich bereits sagte, Verkommenheit gegenüber unschuldigen Menschen, Zivilisten, mit solch völliger Missachtung der Leben, die er nahm, vollends einschätzen können.“ (https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-news-am-freitag-usa-vermuten-russischen-geheimdienst-hinter-attacke-auf-friedensnobelpreistraeger-a-b6357ef5-a2e5-4c11-bf5d-47798b344992)

- Myrozke:

In der Nähe des Kiewer Vororts Butscha sind nach Polizeiangaben weitere drei Leichen entdeckt worden. Die drei Männer seien in einer Grube des Dorfs Myrozke gefunden worden, teilt der Polizeichef der ukrainischen Hauptstadt, Andrij Nebytow, mit. Ihre Augen waren laut Nebytow verbunden, auch seien „einige“ geknebelt gewesen. Die Leichen tragen nach Angaben des Polizeichefs die Spuren von langer Folter. Sie weisen Schussverletzungen an verschiedenen Körperteilen auf. Jeder der Männer sei schließlich mit einem Schuss in die Schläfe getötet worden.“ (https://www.n-tv.de/politik/17-32-Russischer-Gouverneur-wirft-Ukraine-Beschuss-von-Grenzuebergang-vor--article23143824.html)

Truppenaufmarsch:

Die britischen Geheimdienste gehen davon aus, dass Russland gezwungen ist, seine Streitkräfte im Nordosten der Ukraine nach gescheiterten Vorstößen neu aufzustellen. Russland hoffe nun, seine Schwierigkeiten bei der Invasion des Nachbarlands zu beheben, indem es die Truppen geografisch konzentriere, die Versorgungswege verkürze und die Führung vereinfache. Das russische Militär habe erschöpfte Einheiten aus den gescheiterten Vorstößen zusammenlegen und umgruppieren müssen. Defizite bei der taktischen Koordination bestünden weiter. (https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-ukraine-samstag-133.html)

Gefechte:

- Kharkiw:

Der Beschuss der Stadt dauerte in der vergangenen Nacht an. Ein Krankenhaus im Stadtteil Nemyshlyansky wurde getroffen. Ein Mensch wurde getötet und fünf weitere verletzt.

Die ukrainischen Streitkräfte eroberten nach eigenen Angaben das „strategisch wichtige“ Dorf Ruska Losowa in der Nähe von Kharkiw zurück.

Osten:

Die russische Offensive in der Ukraine geht nach Angaben aus dem US-Verteidigungsministerium deutlich langsamer voran als geplant. Es gebe eine Verzögerung von vermutlich „mindestens mehreren Tagen“. In der Nähe der Stadt Isjum in der Region Kharkiw zieht Russland weiter seine Truppen für weitere Angriffe zusammen. Es gebe an mehreren Stellen Versuche der russischen Streitkräfte, ins Landesinnere vorzustoßen. Allerdings würden die Attacken abgewehrt. Im Gebiet Dnipropetrowsk hätten russische Einheiten Ziele mit Raketen und Artillerie beschossen. Die russischen Streitkräfte stellen sich demnach teils neu auf und verstärken ihre Truppen. In den umkämpften Gebieten Luhansk und Donezk im Osten seien 14 Angriffe abgewehrt worden. Die ukrainischen Streitkräfte hätten elf Panzer, neun Drohnen und sieben Artilleriesystem vernichtet. Die russischen Truppen kämen nicht gleichmäßig voran beim Versuch, aus Mariupol nach Norden vorzurücken, um sich den ukrainischen Soldaten von Süden her zu nähern. (https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-ukraine-samstag-133.html)

- Lyman:

Die ukrainische Armee hat eine stählerne Eisenbahnbrücke über den Fluss Siwerskyj Donez bei Lyman im Gebiet Donezk gesprengt. Die Brücke befand sich westlich von Lyman zwischen den Orten zwischen den Orten Rajhorodok und Staryj Karawan. Dabei sei ein russischer Güterzug getroffen worden.

Süden:

- Kherson:

Statt mit dem Wiederaufbau zu beginnen, haben die russischen Besatzer erstmal eine Statue errichtet. Die Figur stellt einen Herrn Lenin dar. Es handelt sich um einen älteren Mann.

- Mariupol:

Zwei ukrainische Frauen, deren Ehemänner das belagerte Stahlwerk „Asowstal“ in Mariupol verteidigen, bitten eindringlich um internationale Hilfe. In einem Interview mit der „Associated Press“ sagt Julia Fedusiuk, die Frau des Asow-Kämpfers Arsenij Fedusiuk: „Auch das Leben von Soldaten ist wichtig. Wir können nicht nur über Zivilisten sprechen. Wir hoffen, dass wir auch Soldaten retten können, nicht nur Tote, nicht nur Verletzte, sondern sie alle.“ Sie würden keinen einzigen Asow-Kämpfer kennen, der lebendig von russischen Soldaten zurückgekommen sei. „Sie werden gefoltert und getötet.“ Laut den beiden Ukrainerinnen, die Videos und Fotos von Männern mit amputierten Gliedmaßen, Schusswunden und anderen Verletzungen zeigen, sind 600 der Soldaten verwundet, einige sollen an Wundbrand leiden. (https://www.n-tv.de/politik/17-32-Russischer-Gouverneur-wirft-Ukraine-Beschuss-von-Grenzuebergang-vor--article23143824.html)

- Odessa:

Bei einem Raketenangriff auf den Flughafen bei Odessa wurde die Startbahn beschädigt, so dass der Flughafen nicht mehr benutzt werden kann. (https://www.theguardian.com/world/live/2022/apr/30/ukraine-latest-news-us-damns-putins-cruelty-and-depravity-zelenskiy-questions-lack-of-powerful-response-to-humiliation-of-un-in-kyiv-live)

Russland:

- Brjansk:

Die russische Flugabwehr hat ein ukrainisches Flugzeug daran gehindert, in den Luftraum der Region Brjansk einzudringen. Dabei seien Teile eines Ölterminals von Beschuss getroffen worden. Bei dem Terminal sei ein Logistik-Gebäude beschädigt worden.

Verluste:

Russland: Mehr als zwei Monate nach Kriegsbeginn vermeldet der ukrainische Generalstab 23.200 getötete russische Soldaten. 1.008 Kampfpanzer, 2.445 gepanzerte Fahrzeuge, 76 Tankfahrzeuge, 1.701 Fahrzeuge (Lkws, Jeeps, etc.), 4 Werfer für Boden-Boden-Raketen, 436 Stück Artillerie, 151 Feldraketenwerfer, 77 Fahrzeuge der Luftabwehr, 32 Spezialfahrzeuge, 190 Flugzeuge, 155 Helikopter, 232 Drohnen und 8 Schiffe seien zudem zerstört worden. (https://www.faz.net/aktuell/ukraine-konflikt/ukraine-liveblog-macron-sichert-ukraine-weitere-militaerische-hilfe-zu-17804564.html)

Ukraine: Seit Kriegsbeginn hat die Ukraine mehr als 2.600 ukrainische Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, rund 650 Drohnen sowie 142 Flugzeuge und 112 Hubschrauber verloren, erklärte Generalmajor Igor Konaschenkow in Moskaus.

Russland hat - nach eigenen Angaben - in der letzten Nacht mit seiner Artillerie 389 Ziele in der Ukraine angegriffen, darunter 35 Kontrollpunkte, 15 Waffen- oder Munitionslager und mehrere Orte, an denen sich ukrainische Truppen oder Ausrüstung befunden hätten. Vier Munitions- und Treibstofflager seien von russischen Raketen getroffen worden. Bei Angriffen seien auch 120 ukrainische Kämpfer „vernichtet“ worden. Die russische Luftabwehr habe 18 Drohnen abgeschossen (https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-ukraine-samstag-133.html)

Der Kampfpilot Major Stepan Tarabalka, der als „Geist von Kiew“ bekannt ist, wurde am 13. März mit seiner Mig-29 abgeschossen. Er soll bis dato mehr als vierzig russische Flugzeuge abgeschossen haben, berichtet die „Times“ in London. (https://www.thetimes.co.uk/article/ghost-of-kyiv-who-shot-down-more-than-40-russian-aircraft-dies-in-battle-q3sq0hztx)

Zivilbevölkerung:

Verschleppte: Nach Angaben des russischen Außenministers Sergej Lawrow wurden seit Kriegsbeginn rund 1,02 Millionen Menschen aus der Ukraine nach Russland „in Sicherheit“ gebracht. Davon stammen allein 120.000 Menschen aus den Regionen Donezk und Luhansk. Die Ukraine wirft Russland vor, Zehntausende Ukrainer gegen ihren Willen nach Russland zu bringen.

Flüchtlinge – BRD: Seit Kriegsbeginn wurden von der Bundespolizei 392.600 Flüchtlingen aus der Ukraine festgestellt.

Energieversorgung: Aufgrund der fortgesetzten russischen Angriffe auf Ölraffinerien und Depots gibt es in der Ukraine einen akuten Benzinmangel. Die Stadtverwaltung von Kiew hat die Kiewer aufgefordert, auf Privatfahrten zu verzichten. Ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete am Donnerstag von weniger als einem Dutzend geöffneter Tankstellen auf dem mehr als 300 Kilometer langen Weg zwischen der westukrainischen Stadt Riwne und Kiew. (https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-news-am-freitag-usa-vermuten-russischen-geheimdienst-hinter-attacke-auf-friedensnobelpreistraeger-a-b6357ef5-a2e5-4c11-bf5d-47798b344992)

Das Stromnetz in der Ukraine steht kurz vor dem Zusammenbruch. Grund sind die Schäden durch Kampfhandlungen aber auch durch die Einnahmeverluste, weil die Bürger ihre Stromrechnungen nicht bezahlen können. Gleichzeitig ging der Strombedarf zurück, weil z. B. die Industrie ihre Produktion teilweise eingestellt hat. Die drei großen Stromanbieter in der Ukraine sind „Centroenergo“, „Energoatom“ und „Ukrhydroenergo“. Zur Zeit hilft das European Network of Transmission Grid Operators (ENTSO-E) mit Stromlieferungen aus. (https://cepa.org/ukraines-electricity-system-close-to-collapse/)

Was weiterhin reibungslos funktioniert, sind die Gasexporte durch die Pipelines, die durch die Ukraine führen. So laufen im Westen der Ukraine drei große Trassen zusammen: Vom Gasfeld Urengoi in Sibirien kommt die Trasse „Bruderschaft“ (Bratstvo), von der sibirischen Halbinsel Jamal kommt ein Abzweig der Trasse Yamal-Europa (Yamal) und aus dem zentralasiatischen Teil Russlands nahe der Grenze zu Kasachstan kommt die Trasse „Einheit“ (Soyuz). Alle drei Trassen treffen in einer sogenannten „Verdichterstation“ zusammen und laufen durch die „Transgas“-Leitung, die südlich von Uschhorod die ukrainisch-slowakische passiert, Grenze Richtung Westen.

So stellte Andreas Schroeder, Leiter der Energieanalyse beim Energiemarktforscher „Icis“ fest, dass die Ukraine seit Ausbruch des Krieges eher mehr als weniger russisches Gas durch ihre Pipelines fließen ließ, weil die Durchleitung von Gas finanziell für die Ukraine durchaus attraktiv ist. Bei knapp 110 Millionen Kubikmetern Gas, die täglich durch die ukrainischen Leitungen fließen, und einer Durchleitungslänge von etwa 1000 Kilometern kommt Schroeder beim derzeitigen Durchleitungspreis von 2,66 Dollar pro 1000 Kubikmeter auf knapp eine Milliarde Dollar jährlich, die vom staatlichen russischen Energielieferanten „Gazprom“ bezahlt wird. Dies funktioniert weiterhin, da die russischen und ukrainischen Truppen offenbar gezielt an den Pipelines vorbeischießen. (https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/kreislauf-des-geldes-wir-finanzieren-krieg-mit-7000-euro-pro-sekunde-und-ukraine-verdient-an-putins-gas-mit_id_90425376.html)

ABC-Waffen:

Atomwaffen / AKWs:

Saporischschja: Das russische Unternehmen „Rosenergoatom“, das zum russischen Staatskonzern „Rosatom“ gehört, hat acht Nuklearspezialisten in das ukrainische Atomkraftwerk geschickt. Sie fordern von der Stationsleitung tägliche Berichte zu „vertraulichen Fragen“ in Bezug auf den Betrieb des AKW. Das Kernkraftwerk wird weiterhin von ukrainischem Personal betrieben, aber von russischen Streitkräften kontrolliert. Russische Truppen hatten die Anlage am 4. März besetzt.

Atomkrieg: Im Oktober 1962 provozierte der exaltierte, sowjetische KP-Führer Nikita Chruschtschow die sogenannte „Kubakrise“, in dem er Mittelstreckenraketen vom Typ RAKETA-12 (R-12) (NATO-Code: SS-4 SANDAL) und Kurzstreckenraketen LUNA (NATO-Code: FROG) auf der Karibikinsel stationierte, um mit der Operation ANADYR ein Gegengewicht zu den amerikanischen Mittelstreckenraketen PGM-19 JUPITER in der Türkei zu schaffen. (https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Anadyr) Es folgte eine dreizehntägige Atomkrise, die nur durch Glück überwunden werden konnte, wie der damalige US-Verteidigungsminister Robert Strange McNamara später einräumte. Sowohl US-Präsident John F. Kennedy als auch Chruschtschow seien nach zähen, schwierigen Verhandlungen übereingekommen, eine Deeskalation herbeizuführen, als ein Atomkrieg zu einer realen Bedrohung wurde.

Die Ur-Enkelin von Chruschtschow, Nina Chruschtschowa, die heute in New York City lebt, hat sich zur Atomkriegsfahr im damaligen und im gegenwärtigen Konflikt geäußert:

„What really saved the world at the time was that both Khrushchev and Kennedy, whatever they thought of each other’s ideology and disagreed with it, and didn’t want to give in and blink first, yet when the threat appeared of a potential conflict of any kind they immediately backed off.

We are closer to more issues, nuclear, than any other way, because I don’t see today any side, particularly the Russian side, backing off, and that’s what really scares me the most.” (https://www.theguardian.com/world/live/2022/apr/30/ukraine-latest-news-us-damns-putins-cruelty-and-depravity-zelenskiy-questions-lack-of-powerful-response-to-humiliation-of-un-in-kyiv-live?filterKeyEvents=false&page=with:block-626d08c58f0804ebf9431728#block-626d08c58f0804ebf9431728)

Vladimir Yermakov, im russischen Außenministerium für Proliferationsfragen zuständig, meinte, die Gefahr eines Atomkrieges müsse auf ein Minimum reduziert werden: „The risks of nuclear war, which should never be unleashed, must be kept to a minimum, in particular through preventing any armed conflict between nuclear powers. Russia clearly follows this understanding.“ (https://www.theguardian.com/world/live/2022/apr/30/ukraine-latest-news-us-damns-putins-cruelty-and-depravity-zelenskiy-questions-lack-of-powerful-response-to-humiliation-of-un-in-kyiv-live)

NATO:

Der amüsante russische Außenminister Sergej Lawrow gab seine Lageeinschätzung zum Besten: Russland sehe sich nicht im Krieg mit der NATO, vielmehr sehe sich die NATO im Krieg mit Russland. Weiterhin drohe Russland nicht mit Atomwaffen, westliche Medien übertrieben bei diesem Thema. „Wir 'spielen' nicht mit einem Atomkrieg“, so Lawrow. Kurz zuvor hatte er noch vor einer „realen Gefahr eines Dritten Weltkriegs“ gewarnt. (https://www.n-tv.de/politik/09-55-Kiew-beziffert-russische-Verluste--article23143824.html)

Die NATO und ihre Mitgliedstaaten betreiben weiterhin eine intensive Aufklärung des militärischen Geschehens in und um die Ukraine. Ein Teil der Informationen wird an die ukrainische Regierung weitergeleitet – allerdings allzu oft mit Zeitverzug, so dass die Daten für die taktisch Lage bereits veraltet sind. Die „ARD“ führte dazu ein Interview mit dem früheren BND-Agenten Gerhard Conrad. Dieser meinte, dass die NATO-Geheimdienste in Moskau über hochrangige Quellen verfügen könnten, wie die „ARD“ berichtete:

„Conrad geht davon aus, dass der Westen Spione in Moskau hat. Aus seiner Erfahrung berichtet der BND-Pensionär, dass frühzeitig angeworbene Quellen Jahre später in wichtige Positionen gekommen sein könnten. Entweder seien sie dann für westliche Nachrichtendienste besonders wertvoll oder, was auch passiere, die Quellen brechen die Kommunikation mit dem Westen ab.

Denkbar seien hochrangige „Innenquellen“, die unmittelbaren Zugang zu zentralen Entscheidungs- und damit Wissensträgern haben, bis hin zu formal weniger exponierten, limitierten Wissensträgern auf Arbeitsebene, die am Ende ebenfalls wertvolle Lageinformationen und Lagebilder ermöglichen könnten.“ (https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine--rolle-der-gehemdienste-101.html)

USA:

Die US-Streitkräfte bilden ukrainische Soldaten auf den Heeresstützpunkten in Deutschland aus. Als Ausbilder fungieren – möglicherweise – die 160 Soldaten der US National Guard aus Florida, die im Vorfeld des Krieges aus der Ukraine abgezogen wurden. (https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-news-am-freitag-usa-vermuten-russischen-geheimdienst-hinter-attacke-auf-friedensnobelpreistraeger-a-b6357ef5-a2e5-4c11-bf5d-47798b344992)

BRD:

Politik: CSU-Chef Markus Söder hat das Agieren der Bundesregierung und besonders das Agieren von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Ukrainekrise kritisiert. Scholz drücke sich davor, der deutschen Bevölkerung Orientierung zu geben: „Ein solches Zögern, Sich-Verstecken, ist eines deutschen Kanzlers unwürdig. (…) Deutschland macht seit Wochen eine peinliche Figur, dies muss mit dem letzten Donnerstag auch beendet werden.“ Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) nannte Söder „völlig überfordert“.

CSU-Generalsekretär Stephan Mayer griff Scholz ebenfalls direkt an: Es brauche in der aktuellen Lage einen Kapitän „und nicht nur einen Leichtmatrosen“. „Der Kanzler wirkt überfordert – und ich habe mittlerweile den Eindruck, er ist es auch. (…) Wir brauchen keinen Kanzler des Zögerns und des Zauderns.“ (https://www.faz.net/aktuell/ukraine-konflikt/ukraine-liveblog-macron-sichert-ukraine-weitere-militaerische-hilfe-zu-17804564.html)

Waffenexporte: Polen hat Deutschland schon vor Wochen einen Ringtausch angeboten: Polen liefert sowjetische Kampfpanzer PT-91, eine modernisierte Variante des T-72, an die Ukraine und will dafür den Kampfpanzer LEOPARD-2 haben. Doch die Bundesregierung hat darüber noch immer nicht entschieden.

Energieversorgung: Ohne russisches Erdgas sieht das Kölner Energiewirtschaftliche Institut (EWI) die Energieversorgung rasch in Gefahr. Wenn ab diesem Sonntag die russischen Lieferungen ausblieben, fehlten 18 Prozent des Gesamtverbrauchs.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann warnt im Falle eines Gas-Embargos gegen Russland vor schwerwiegenden Folgen für die deutsche Wirtschaft: „Die Firmen müssten sicher Hunderttausende Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, viele Arbeitsplätze würden auf Dauer verloren gehen. (…) Einen Hochofen kann man nicht mal eben abschalten und dann wieder hochfahren. Das gilt auch für andere Industrien, etwa die Chemie." Bis Deutschland auf russisches Gas verzichten könne, werde es „noch Jahre“ dauern.

Der Stadtwerkeverband VKU hat die Debatte um geschützte Kunden und Abschaltungen im Fall eines russischen Gas-Lieferstopps als irreführend bezeichnet. Zugleich sagte VKU-Präsident Michael Ebling, es sei „völlig verfehlt“, den Schutz der Privathaushalte und sozialen Einrichtungen in Frage zu stellen. Der Schutz der Privathaushalte entbinde den einzelnen aber nicht von der Verantwortung, sorgsam mit Energie umzugehen.

Niederlande:

Beschäftigte des Amsterdamer Hafens haben ein mit Dieselöl beladenes Tankschiff aus Russland abgewiesen. Der Tanker „Sunny Liger“ sei vor der niederländischen Küste vor Anker gegangen, nachdem die Hafenarbeiter sich geweigert hätten, das Schiff zu entladen. Zuvor hatten Hafenarbeiter in Schweden bereits den Tanker abgewiesen, woraufhin er Kurs auf die Niederlande nahm. Die niederländische Gewerkschaft FNV dankte den Arbeitern für das Abweisen des Schiffs.

Frankreich:

Nach Angaben des Präsidialamts hat Frankreich inzwischen mehr als 615 Tonnen humanitäre Hilfsgüter geschickt, darunter medizinische Ausrüstung und Generatoren für Krankenhäuser. An Waffen wurden unter anderem Panzerabwehrraketen des Typs MILAN geliefert sowie die Haubitze CAESAR. Nach früheren Angaben beträgt der Gesamtwert der gelieferten Militärgüter mehr als 100 Millionen Euro.

Finnland:

Der finnische Präsident Sauli Niinistö will spätestens am 12. Mai seinen eigenen Standpunkt in der Frage einer möglichen NATO-Mitgliedschaft seines Landes bekanntgeben. An dem Tag tagen die finnischen Parlamentsfraktionen. Zwei Tage danach beabsichtigt auch die sozialdemokratische Partei von Ministerpräsidentin Sanna Marin, ihren Standpunkt darzulegen. Einen Entschluss zu einem möglichen finnischen NATO-Antrag treffen der Präsident und die Regierung letztlich gemeinsam.

Slowakei:

Die Slowakei und Polen treffen eine Vereinbarung, die es ermöglicht, slowakische Kampfflugzeuge MiG-29 (NATO-Code: FULCRUM) an die Ukraine zu übergeben. In dem Fall habe sich Polen bereit erklärt, mit seinen amerikanischen F-16 FIGHTING EAGLE den slowakischen Luftraum zu sichern, sagt der slowakische Verteidigungsminister Jaroslav Nad. Sein polnischer Amtskollege Mariusz Blaszczak bezeichnet es als „vollkommen natürlich“, dass die polnische Luftwaffe ihr Einsatzgebiet auf das südliche Nachbarland ausdehne.

Russland:

Brain Drain: Die Menschenrechtlerin und Historikerin Irina Scherbakowa, Mitbegründerin der inzwischen verbotenen Menschenrechtsorganisation „Memorial“, stellte fest, dass seit Kriegsbeginn bereits 300.000 Menschen Russland verlassen haben, darunter viele Regimegegner aus Angst vor Repressionen. Inzwischen wirkten sich der Krieg und die westlichen Wirtschaftssanktionen auch auf die Versorgungslage und den Arbeitsmarkt aus. Aber: „Die Bevölkerung will die Veränderungen nicht wahrnehmen und stellt sich nicht gegen Putin.“ (https://www.faz.net/aktuell/ukraine-konflikt/ukraine-liveblog-macron-sichert-ukraine-weitere-militaerische-hilfe-zu-17804564.html)

Wirtschaftsexporte: Nach Angaben des Centre for Research in Energy and Clean Air (Crea) in Helsinki (Finnland) macht Russland „gute“ Geschäfte mit seinen Rohstoffexporten, mit denen es seine zukünftige Aufrüstung für den nächsten Krieg finanzieren kann, wie der „Focus“ berichtet:

„Die Summen, die Moskau aus dem Energiehandel mit der EU einnimmt, sind gigantisch. Nach Schätzungen des Crea fließen etwa 7000 Euro in der Sekunde auf russische Konten. Rund 43 Milliarden Euro sind es, die innerhalb der ersten zwei Monate seit Ausbruch des Krieges überwiesen worden sind. 26 Milliarden davon wurden für Gas bezahlt, rund 15 Milliarden für Öl, den Rest gaben die EU-Länder für russische Kohle aus. „Die Abhängigkeit der Europäischen Union von russischen fossilen Brennstoffen füllt Russlands Kriegskasse", fasst Virginijus Sinkevičius, EU-Kommissar für Umwelt, das Dilemma, in dem die Mitgliedsstaaten stecken, zusammen.“ (https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/kreislauf-des-geldes-wir-finanzieren-krieg-mit-7000-euro-pro-sekunde-und-ukraine-verdient-an-putins-gas-mit_id_90425376.html)

Siehe dazu auch den Counter: https://crea.shinyapps.io/russia_counter/

Das von westlichen Sanktionen belastete Russland will nach Angaben seines Außenministeriums den Handel mit China stark ausweiten. Die Liefermengen an Rohstoffen und Waren sollten deutlich wachsen, bis 2024 solle das Handelsvolumen 200 Milliarden Dollar erreichen, teilte das Ministerium nach einem Bericht der Nachrichtenagentur „Interfax“ mit. (https://www.faz.net/aktuell/ukraine-konflikt/ukraine-liveblog-macron-sichert-ukraine-weitere-militaerische-hilfe-zu-17804564.html)