Militärforschung
  Ukraine-Krieg 2.0 - 26 Update
 

Ukraine-Krieg 2.0 – Update 26 vom 23. März (D+25)

Gerhard Piper

Lageentwicklung

Vom preußischen Generalfeldmarschall Helmuth Karl Bernhard von Moltke (1800 - 1891) stammt das Wort: „Kein Kriegsplan überlebt die erste Feindberührung!“ Dennoch behauptet der schmierige Kreml-Sprecher Dmitri Sergejewitsch Peskow (1967 - …), bei der „Spezialoperation“ laufe alles „streng nach Plan". Und weiter: „Es ist ein erheblicher Einsatz mit erheblichen Zielen". Das muss ein komischer Kriegsplan gewesen sein, mit dem die Soldaten ohne Nahrung, Munition und Sprit in den Kampf gezogen sind.

Anatoli Borissowitsch Tschubais, Sonderbeauftragte des russischen Präsidenten Wladimir Putin für Beziehungen zu internationalen Organisationen, hat seinen Rücktritt erklärt. Der 66-Jährige hat zusammen mit seiner Ehefrau Russland in Richtung Türkei verlassen. Tschubais wurde 1992 Vize-Ministerpräsident im Kabinett von Jegor Gaidar und war von November 1994 bis Januar 1996 Erster Vize-Ministerpräsident und Finanzminister im Kabinett von Wiktor Tschernomyrdin. Tschubais führte somit Anfang der 90er Jahre die „kapitalistische“ Reform der post-sowjetischen Wirtschaft ein. Er wurde von Boris Jelzin aufgrund der großen Unbeliebtheit der Wirtschaftsreformen in der Bevölkerung entlassen. Tschubais ist einer der ersten „prominente“ Politiker aus dem Umkreis von Wladimir Putin, der sich gegen den Ukrainekrieg stellt.

Verhandlungen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht kleine Fortschritte in den Verhandlungen mit der Regierung in Moskau: „Wir arbeiten weiterhin auf verschiedenen Ebenen, um Russland zu ermutigen, sich in Richtung Frieden zu bewegen.“ Vertreter seines Landes würden praktisch jeden Tag mit der russischen Seite verhandeln, „Schritt für Schritt kommen wir voran.“ Allerdings gehen beide Seiten davon aus, dass eine Einigung in weiter Ferne liegt.

Truppenaufmarsch

Ein Drittel der russischen Soldaten sind Wehrpflichtige, ihre Dienstzeit beträgt ein Jahr. Am 1. April und am 1. Oktober werden jeweils die neuen Rekruten einberufen, nachdem am Tag vorher die alten Rekruten entlassen wurden. Zwar herrscht in Russland allgemeine Wehrpflicht, aber tatsächlich werden nur 15 Prozent der Männer einberufen. Es handelt sich um diejenigen, die unbedingt ihren Wehrdienst ableisten wollen, und um diejenigen, die zu dumm sind, um sich von ihrem Hausarzt für ein paar tausend Rubel wegen „Plattfüßen“ etc. untauglich schreiben zu lassen.

Nun ist es wieder soweit: Die alten Rekruten müssen in diesen Tagen aus ihren Stammeinheiten rausgelöst und nach Hause geschickt werden, dies schwächt die kämpfenden Einheiten in der Ukraine. Außerdem werden die Soldaten, soweit sie nicht zu sehr traumatisiert sind, zu Hause berichten, was wirklich in der Ukraine geschieht. Da rund die Hälfte der Wehrpflichtigen ausgetauscht werden, ist somit ein Sechstel der russischen Soldaten betroffen.

Angesichts der omnipräsenten russischen Staatspropaganda ist nicht anzunehmen, dass sich dieses Jahr mehr Rekruten als sonst dem Militärdienst entziehen wollen. Allerdings wird aus den Separatistengebieten berichtet, dass so mancher junge Mann von der Werkbank weg zwangsrekrutiert wird. Außerdem wird auf die Wehrpflichtigen Druck ausgeübt, dass sie sich als länger dienende Zeitsoldaten verpflichten. Offiziell dürfen nämlich Wehrpflichtige nicht an Kampfhandlungen teilnehmen. Dafür ist ihre militärische Ausbildung zu rudimentär. Ihre Überlebenszeit an der Front soll i. d. R. auf nur wenige Tage oder Wochen befristet sein.

Mit den Altrekruten wird auch so mancher Zeitsoldat entlassen, dessen Dienstzeit abgelaufen ist. Für die übrigen Zeit- und Berufssoldaten dreht sich das Beförderungskarussell, ob sie eine weitere Sprosse der Karriereleiter erklimmen können.

Gefechte:

Die ukrainischen Streitkräfte halten nach Angaben ihres Generalstabs die Stellung trotz fortdauernder russischer Luftangriffe. Der Vormarsch des Gegners werde an mehreren Fronten gestoppt, zum Beispiel bei Slowjansk im Gebiet Donezk im Südosten. Auch Mykolajiw im Süden werde verteidigt, ebenso Tschernihiw im Nordosten. Zur Lage in der seit Wochen besonders heftig umkämpften Stadt Mariupol teilt die Militärführung lediglich mit, die ukrainischen Kräfte verteidigten sich gegen Angriffe aus allen Richtungen.

Die britischen Nachrichtendienste teilten mit, die Russen würden sich im Norden der Ukraine mutmaßlich zurzeit neu organisieren, um sich auf großangelegte Angriffe vorzubereiten. Derzeit sei das Kampfgeschehen dort „weitgehend statisch“. Im Osten sind die russischen Truppen offenbar dabei, ihre Verbände um Charkiw und Mariupol zusammenzuführen. Im Südwesten marschieren die russischen Streitkräfte weiter in Richtung Odessa. Raketenangriffe wurden in Mykolajiw, in der Region um Tschernihiw nördlich von Kiew sowie in der Hauptstadt Kiew gemeldet.

- Kharkiw:

Ukrainische Einheiten haben einen Angriff russischer Truppen abgewehrt. Dabei seien am Dienstagabend von russischer Seite auch Kampfhubschrauber vom Typ Kamow Ka-52 ALLIGATOR (NATO-Code: HOKUM-B) eingesetzt worden. „Unsere Truppen halten ihr Stellungen", sagt Befehlshaber Oleg Sinegubow. Der gepanzerte Hubschrauber besitzt eine Maschinenkanone Schipunow „2A42“ mit einer theoretischen Feuergeschwindigkeit von 460 Schuss (30 mm) pro Minute. Außerdem hat er an seinen Stummelflügeln sechs Außenlaststationen, an denen er eine Waffenlast (u.a. ungelenkte Luft-Boden-Raketen, Freifallbomben) mit einem Gesamtgewicht von 2000 kg ins Gefecht bringen kann. (https://de.wikipedia.org/wiki/Kamow_Ka-52)

Osten:

- Isjum:

Isjum hat ca. 48.000 Einwohner und liegt ungefähr auf halber Strecke zwischen Kharkiw und Donezk. Die Stadt wurde von russischen Truppen eingekesselt. Nach ukrainischen Angaben gibt es zu der Stadt keine Verbindung mehr. Alle Bemühungen um einen humanitären Korridor seien von den Russen abgelehnt worden.

Süden:

- Manhusch:

Manhusch hat wenig mehr als 8.000 Einwohner, es liegt 20 km westlich von Mariupol an der Küste des Asowschen Meeres. Kämpfer der „Volksrepublik Donezk“ haben mehrere Mitarbeiter des ukrainischen Zivilschutzes als „Geiseln“ genommen, sagt Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk. Es handele sich um Busfahrer, die Zivilisten aus Mariupol hätten evakuieren sollen. Die Fluchtroute sei mit dem Internationalen Roten Kreuz abgesprochen gewesen.

- Mariupol:

An der Belagerung von Mariupol beteiligen sich auch Kämpfer der tschetschenischen Nationalgarde.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beschuldigt die russischen Streitkräfte, sie hätten eine Gruppe von Geflüchteten aus der belagerten Hafenstadt Mariupol auf einer zuvor vereinbarten Fluchtroute „einfach gefangen genommen“ und nach Russland verschleppt.

- Mikolajiw:

Die ukrainischen Truppen konnten die Russen bei Mikolajiw zurückschlagen, so dass sich die Russen auf Positionen rund vierzig Kilometer vor der Stadt zurückziehen mussten.

Westen

- Nowa Ljubomyrka:

Nowa Ljbormyrka ist ein Truppenübungsplatz in der Nähe von Riwne. Das Militärgelände wurde am 22. März mehrfach mit Raketen beschossen. Nach russischen Angaben wurden dabei 80 ukrainische Soldaten getötet.

Belarus:

Belarus hat die diplomatischen Beziehungen zur Ukraine abgebrochen. Alle ukrainischen Diplomaten müssen das Land innerhalb von 72 Stunden verlassen. Man befürchtet nun doch ein Eingreifen Belarus in den bewaffneten Konflikt.

Russland:

- Schurawljowka:

Nach russischen Angaben haben ukrainische Einheiten absichtlich oder unabsichtlich russisches Territorium beschossen. So sei in der Ortschaft Schurawljonka ein Haus beschädigt worden. „Eine Granate ist in einem Dorf eingeschlagen, es gibt Verletzte. Ihnen wird jede notwendige Hilfe zuteil“, berichtete der Gouverneur des Gebiets Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow. Die Gegend liegt unmittelbar an der Grenze zur Ukraine, rund 35 Kilometer nördlich der umkämpften ostukrainischen Großstadt Charkiw. In zwei Ortschaften sei der Katastrophenfall ausgerufen worden. (https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-news-am-mittwoch-wolodymyr-selenskyj-laedt-papst-franziskus-in-die-ukraine-ein-a-965fda08-e2ba-41ae-adbc-6f6b19040381) Es ist das erste Mal, dass berichtet wurde, russische Dörfer im Grenzbereich seien (irrtümlich) angegriffen worden. Somit ist auch Russland Kriegsgebiet.

Verluste:

Die ukrainische Armee beziffert ihre eigenen Verluste wie folgt:

15.300 Soldaten gefallen, darunter 6 Generäle
509 Kampfpanzer verloren
1.556 Panzerfahrzeuge verloren
252 Stück Artillerie (Kanonen, Haubitzen) verloren
99 Militärflugzeuge verloren
123 Hubschrauber verloren
15 Stück Großgerät (z. B. Pionierbrücken etc.) verloren
1.070 Militärfahrzeuge verloren.

Nach Einschätzung des Vize-Energieministers Jaroslaw Demtschenkow zielen die russische Strategie auf eine gezielte Zerstörung der ukrainischen Infrastruktur. Von den 80 konventionellen Kraftwerken zur Erzeugung von Wärmeenergie du Warmwasser seien nur noch 20 funktionstüchtig. (https://www.handelsblatt.com/politik/ukraine-krieg-ukrainischer-minister-russland-will-eine-schmutzige-bombe-bei-uns-zuenden/28181752.html)

Die WHO registrierte bisher 64 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen.

Dem Generalstab der ukrainischen Streitkräfte summieren sich die russischen Verluste bis Dienstag auf folgende Zahlen:
15.300 russische Soldaten gefallen, darunter 5 Generäle
385 Kampfpanzer zerstört
1.314 Panzerfahrzeuge zerstört
433 Stück Artillerie zerstört
510 Stück Großgerät zerstört
118 Flugzeuge abgeschossen
400 Helikopter abgeschossen
11.369 Militärfahrzeuge (Jeeps, Trucks, etc.) zerstört.       
(https://www.n-tv.de/politik/10-43-Polens-Geheimdienst-will-Dutzende-russische-Diplomaten-ausweisen-lassen--article23143824.html)

Die NATO schätzt die Zahl der getöteten Soldaten auf russischer Seite offenbar auf 7.000 bis 15.000. Verwundete und Kriegsgefangene mitgerechnet könnten die Verluste bei den Kremltruppen bei 30.000 bis 40.000 Menschen liegen. (https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-news-am-mittwoch-wolodymyr-selenskyj-laedt-papst-franziskus-in-die-ukraine-ein-a-965fda08-e2ba-41ae-adbc-6f6b19040381)

Ein Sprecher der ukrainischen Spionageabwehr sagte gegenüber „Radio Svoboda“, dass die „Kadyrowzy“ schwere Verluste erlitten hätten, mehrere Hundert Tschetschenen wurden getötet. „Sie waren zu Beginn des Konflikts sehr präsent, haben seither aber nicht mehr an Feuergefechten teilgenommen“, sagt Ruslan Lewiew, Gründer der Investigativplattform „Conflict Intelligence Team“. Unklar ist, welche Auswirkungen das Ukrainefiasko auf die „Stabilität“ der Tyrannei in Tschetschenien haben wird. (https://www.n-tv.de/politik/Das-Raetsel-um-Kadyrows-Bluthunde-article23217003.html)

Zivilbevölkerung:

Die russische Journalisten Oksana Baulina, Korrespondentin der unabhängigen Investigativ-Webseite „The Insider“, wurde heute in Kiew-Podolsk bei Filmarbeiten bei einem russischen Angriff getötet. Früher hatte sie für die Anti-Korruptions-Stiftung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny gearbeitet. (https://theins.ru/en/news/249571)

ABC-Waffen:

- Atomare Waffen / AKWs:

Wie am 23. März bekannt wurde, wurde In Tschernobyl ein radiologisches Labor überfallen und mehrere hochradioaktive Strahlungsquellen entwendet.

In Geheimdienstkreisen wird gemunkelt, dass die Russen im Rahmen einer „Falsch-Flaggen-Operation“ ein Radiological Radiation Device (RDD) bauen und zur Explosion bringen könnten, schließlich hatte die russische Regierung schon zu Beginn des Krieges – wahrheitswidrig - behauptet, die Ukrainer würden an atomaren Waffen arbeiten. Der ukrainische Vizeenergieminister Jaroslaw Demtschenkow hat bereits am 21. März darauf hingewiesen, dass die russischen Truppen mit der Atomruine Tschernobyl und dem Nuklearkomplex Saporischschja zwei ukrainische Nuklearanlagen in ihre Gewalt gebracht haben. Daher können die Russen leicht an Nuklearmaterial kommen, dessen Isotopenzusammensetzung auf die Ukraine als Herkunftsort hinweist. „Um der Ukraine das in die Schuhe zu schieben, wenn die gezündet wird, sammeln sie Nuklearmaterial aus unseren AKWs“, erklärte Demtschenkow. (https://www.handelsblatt.com/politik/ukraine-krieg-ukrainischer-minister-russland-will-eine-schmutzige-bombe-bei-uns-zuenden/28181752.html)

Eine solche „schmutzige Bombe“ besteht nicht aus waffenfähigem Uran-235 oder Plutonium-239, sie kann daher nicht die zerstörerische Gewalt einer Atombombe entfachen. Vielmehr besteht ihre Ladung aus irgendwelchen möglichst strahlungsintensiven und dennoch langlebigen Isotopen, mit der die Umwelt radioaktiv kontaminiert werden kann. Im Extremfall kann man zum Bau einer RDD auch einfach Atommüll verwenden. Das Ziel eines RDD-Einsatzes ist es nicht, möglichst viele Menschen zu töten. Das Ziel besteht vielmehr darin, ein Gebiet für längere Zeit zu verstrahlen, so dass es nicht betreten oder genutzt werden kann, mit dem entsprechenden wirtschaftlichen Schaden. Außerdem hat die kleine Explosion einer RDD einen verheerenden psychologischen Eindruck auf die i. d. R. unkundige Zivilbevölkerung. Allerdings ist es bisher noch nie zu einem RDD-Einsatz gekommen.

Der schmierige Dmitri Medwedew, der von 2008 bis 2011 als Staatspräsident fungierte, hat erneut mit einem Atomwaffeneinsatz gedroht. Seit dem Ende der Sowjetunion im Jahr 1991 hätten sich die USA als Teil eines „primitiven Spiels“ verschworen, um Russland zu zerstören. „Es bedeutet, dass Russland gedemütigt, eingeschränkt, zerschmettert, geteilt und zerstört werden muss.“ Aber die Führung in Moskau werde niemals die Zerstörung Russlands zulassen. Sollten die USA ihre Ziele erreichen, dann könnte der Welt eine dystopische Krise bevorstehen, die in einer „großen atomaren Explosion“ enden würde. Medwedew zeichnete auch das Bild einer Welt nach Putin, die auf den Zusammenbruch Russlands folgen würde: Die Zerstörung des größten Landes der Erde könne zu einer instabilen Führung in Moskau führen, die über eine maximale Anzahl von Atomwaffen verfüge, die auf Ziele in den Vereinigten Staaten und in Europa gerichtet seien. Russlands Zusammenbruch würde zum Entstehen von fünf oder sechs Staaten auf der eurasischen Landmasse führen, die Atomwaffen besitzen und von „Freaks, Fanatikern und Radikalen“ regiert würden. „Ist das eine Dystopie oder eine verrückte futuristische Vorhersage? Ist es Pulp Fiction? Nein.“ (https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/krieg-in-der-ukraine-medwedew-droht-dem-westen-mit-atombombe-79543972.bild.html)

- Chemische Waffen:

Die NATO will die Ukraine beim Schutz gegen einen möglichen Angriff Russlands mit chemischen oder biologischen Waffen helfen. Er erwarte, dass der NATO-Sondergipfel sich am Donnerstag darauf einigen werde, zusätzliche Unterstützung zu leisten, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel. So soll CBRN Abwehrmaterial (Chemical, Biological, Radiological, Nuclear) zur Verfügung gestellt sowie Hilfe bei der Cybersicherheit geleistet werden. (https://www.bbk.bund.de/DE/Themen/CBRN-Schutz/cbrn-schutz_node.html)

Der Nato-Generalsekretär warnte Russland, dass der Gebrauch chemischer Waffen den Charakter des Kriegs völlig verändern würde und weitreichende Konsequenzen hätte: „Wir sind entschlossen, alles zu tun, um die Ukraine zu unterstützen“, versicherte Stoltenberg.

NATO:

Die NATO wird morgen auf ihrer Gipfelkonferenz in Brüssel über den polnischen Vorschlag der Entsendung einer humanitären, aber zu ihrem Selbstschutz bewaffneten NATO-Friedenstruppe in die Ukraine beraten. Russlands Außenminister Sergej Lawrow drohte, Friedenstruppen zu schicken, könnte zu einer direkten Konfrontation seines Landes mit der NATO führen.

Die NATO will ihre Ostflanke zur Abschreckung Russlands mit vier weiteren Gefechtsverbänden verstärken. Zwar erlaubt die NATO-Russland-Grundakte vom 27. Mai 1997 keine dauerhafte Stationierung von Truppenteilen in Osteuropa, aber da sich Russland nicht an seine Verpflichtungen aus allen möglichen Rüstungskontrollverträge hält, gibt es innerhalb der NATO Stimmen, die sich über die vertraglichen Vereinbarungen hinwegsetzen wollen und eine Dauerpräsenz in Osteuropa befürworten.

Wer welche Truppen stellen wird, ist noch unklar. Von den größeren Armeen haben noch Italien und allenfalls die Türkei Kapazitäten. Doch ohne die USA dürfte die Verstärkung der eFP kaum möglich sein.

Koordiniert wird die Verlegung der NATO-Truppen nach Osteuropa vom Joint Support and Enabeling Command (JSEC) in Ulm (Wilhelmsburgkaserne, Stuttgarter Straße 199). Hier werden Truppenbewegungen, Aufmarschrouten und die Absicherung militärisch relevanter Infrastruktur im rückwärtigen Raum der NATO in Europa koordiniert. Damit ist das JSEC an allen größeren Truppenbewegungen und Manövern der NATO in Europa unterstützend beteiligt. Das Kommando wurde erst 2018 aufgestellt, es wird erst seit dem 17. März 2022 von Generalleutnant Alexander Sollfrank geführt, sein Stellvertreter ist der polnische Generalmajor Dariusz Ryczkowski. Der Stab hat in Friedenszeiten eine Sollstärke von 100 Soldaten, im Kriegsfall wird die Personalstärke auf 500 Mann aufgestockt.

BRD:

Als die frühere Familienministerin Christine Lambrecht (SPD) 2021 zur Bundesverteidigungsministerin ernannt wurde, fragte sie – kein Scherz – ob sie nun alle Dienstgrade der Bundeswehr auswendig lernen müsse. Es ist nicht nur für die Bundeswehr ein Ärgernis, dass für die Besetzung der wichtigsten Positionen die Aspiranten keine Qualifikation vorweisen müssen, sondern die Stellen nur nach dem internen Proporz der schmarotzenden Staatsparteien besetzt werden.

Zuletzt war Christine Lambrecht vorgeworfen worden, dass die Lieferung von Waffen an die Ukraine zu langsam durchgeführt werde. So wurden bisher erst 500 der über 2.000 zugesagten Flugabwehrraketen STRELA ausgeliefert. Unklar ist, ob der Bundeskanzler diese geplante Lieferung hintertreibt.

Nun hat die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die Verteidigungsministerin verteidigt: „Wir stehen vor nie dagewesenen Herausforderungen. (…) In dieser historisch schwierigen Phase ist es schlichtweg unanständig, niveaulose Kampagnen gegen einzelne Regierungsmitglieder zu fahren." Fehler würden gemacht und Kritik sei selbstverständlich. „Aber bitte fachlich fundiert. Schüsse aus der Hüfte von Profilneurotikern sind unangebracht." (https://www.n-tv.de/politik/10-43-Polens-Geheimdienst-will-Dutzende-russische-Diplomaten-ausweisen-lassen--article23143824.html) Da wir bekanntlich in einer „historisch schwierigen Phase“ sind, wäre es unanständig, Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu kritisieren.

Derweil versucht die Bundesregierung den Krieg auszusitzen. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrji Melnyk, kritisierte: „Es ist sehr frustrierend, dass die Bundesregierung seit drei Wochen gar keine Antwort auf unsere Liste von dringend notwendigen Defensivwaffen gegeben hat. Denn jeder Tag zählt, um das Leben der unter dem russischen Raketenbeschuss leidenden Zivilbevölkerung in der Ukraine zu retten." Die ukrainische Regierung hatte am 3. März eine Verbalnote an das Bundeskanzleramt sowie Auswärtiges Amt und Bundesverteidigungsministerium geschickt und darin um zahlreiche Waffen gebeten.

Nachdem es erst geheißen hatte, die Bundeswehr könne aufgrund ihrer eigenen Versorgungslage keine weiteren Waffen mehr an die Ukraine liefern, hat sich der Bundessicherheitsrat am Mittwoch entschlossen, angesichts der andauernden öffentlichen Kritik weitere 2.000 Panzerfäuste an die Ukraine zu liefern. Auch weitere Flugabwehrraketen will man in die Ukraine schicken. Jedenfalls hat das BMVg dies beim Bundessicherheitsrat (BSR) des Bundeskabinetts beantragt. (https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-news-am-mittwoch-wolodymyr-selenskyj-laedt-papst-franziskus-in-die-ukraine-ein-a-965fda08-e2ba-41ae-adbc-6f6b19040381)

Der TV-Sender „n-tv“ strahlt täglich über das Internet das „Ukraine Update“ aus, eine 10-minütige Sendung in ukrainischer Sprache, in der sich die Kriegsflüchtlinge über die Lage in ihrem Herkunftsland informieren können. Moderiert wird die Sendung von Karolina Ashion, die selbst aus Kiew flüchten musste. (https://www.n-tv.de/panorama/Kenne-Praesident-Selenskyj-seit-vielen-Jahren-article23212311.html)

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) fordert mehr Geld für ihren Entwicklungshilfeetat: „Das Welternährungsprogramm hat bislang die Hälfte seiner Weizen-Lieferungen aus der Ukraine bezogen. (…) Mit steigenden Preisen drohen auch wieder Brotaufstände, wie vor elf Jahren im arabischen Raum und damit eine neue Welle der Instabilität." Entwicklungspolitik müsse hier dringend gegensteuern. (https://www.n-tv.de/politik/10-43-Polens-Geheimdienst-will-Dutzende-russische-Diplomaten-ausweisen-lassen--article23143824.html)

Polen:

Der polnische Geheimdienst hat nach eigenen Angaben beim Außenministerium die Ausweisung von 45 russischen Diplomaten beantragt. Einigen von ihnen werde Tätigkeit für die russischen Geheimdienste vorgeworfen. Ein Sprecher der polnischen Regierung erklärt, der russische Botschafter sei ins Außenministerium einbestellt worden. Die wiederholte Ausweisung von russischen Diplomaten in den osteuropäischen Staaten entwickelt sich zum Aderlass für den russischen Auslandsnachrichtendienst SWR.

Russland:

Die russische Regierung hat ihre Geschäftspartner heute aufgefordert, ihre Öl- und Gasrechnung in Zukunft in Rubel zu bezahlen. Daher sind „westliche“ Banken nun gezwungen, bei der russischen Staatsbank ihre Devisen in Rubel zu tauschen, damit sind sie gezwungen, gegen die vom „Westen“ verhängte Sanktion gegen die Staatsbank zu verstoßen. Betroffen sind die von Russland auf einer schwarzen Liste festgehaltenen „unfreundlichen Staaten“ - Deutschland und alle anderen EU-Staaten, aber etwa auch die USA, Kanada und Großbritannien. Daraufhin drohte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) der russischen Regierung damit, dass die bestehenden Verträge zur Gaslieferung aufgekündigt werden könnten. (https://www.spiegel.de/wirtschaft/russland-akzeptiert-fuer-gas-lieferungen-nur-noch-rubel-a-0a9351d2-a865-42c3-bd25-32505497e537)

Aufgrund der Sanktionen gegen Russland haben „westliche“ Airlines die Rückgabe von mehr als 500 Passagierflugzeugen gefordert, die russische Luftfahrgesellschaften nur geleast hatten. Es handelt sich vor allem um Modelle von „Boeing“ und „Airbus“. Insgesamt sind in Russland ca. 1.300 Passagiermaschinen registriert. Viele russische Airlines, darunter die staatliche „Aeroflot“, setzen fast ausschließlich auf ausländische Maschinen. Die Leasingverträge laufen Ende März aus. Zudem darf Russland keine Passagiermaschinen und Ersatzteile mehr erhalten. Die Maschinen dürfen zudem nicht mehr gewartet und versichert werden.

Der russische TV-Journalist Alexander Glebowitsch Newsorow hatte über den Beschuss der Mutter-Kind-Klinik in Mariupol durch russische Truppen berichtet. Nun hat die russische Justiz strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Er habe „wissentlich falsche Informationen über einen absichtlichen Beschuss einer Entbindungsklinik in der Stadt Mariupol durch die russischen Streitkräfte veröffentlicht“. Dabei seien auch „nicht vertrauenswürdige“ Fotos von betroffenen Zivilisten veröffentlicht worden. Das russische Verteidigungsministerium habe bereits offiziell erklärt, „dass diese Information falsch war“. Newsorow war zwischen 1993 und 2007 Abgeordneter der Staatsduma, er hatte sich eigentlich schon vor etlichen Jahren vom Politjournalismus zurückgezogen.

VRC:

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kritisierte die chinesische KP-Regierung: „Die Verbündeten sind besorgt, dass China die russische Invasion auch mit Material unterstützen könnte.“ US-Präsident Joe Biden hatte China in einem solchen Fall „Konsequenzen“ angedroht und auf die Sanktionen gegen Russland verwiesen.

UNO:

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat zu vielen Teilen der Ukraine trotz dringenden Bedarfs an medizinischer Hilfe keinen Zugang. Bislang hat die WHO erst 9,6 Millionen der 57,5 Millionen Dollar erhalten, die die Organisation für die kommenden drei Monate in der Ukraine nach eigenen Angaben braucht. Sonst könnten durch den Ukrainekrieg Kriegsopfer in anderen Krisenregionen (Sudan, Äthiopien, Jemen, Afghanistan, etc.) doppelt getroffen werden.

EU:

EU-Ratspräsident Charles Michel hält eine Niederlage von Kremlchef Wladimir Putin für unumgehbar: „Das bedeutet, dass wir vor allem dafür sorgen müssen, dass Putin besiegt wird. Das muss das aktuelle Ziel sein. Das ist eine Frage der Sicherheit für die Zukunft Europas und für die Zukunft der Welt.“.

Die EU-Kommission hat Forderungen nach einem verpflichtenden Schlüssel zur Verteilung von Flüchtlingen aus der Ukraine über die einzelnen EU-Staaten eine Absage erteilt. „Wir werden keine verbindlichen Quoten oder Ähnliches machen“, sagte Innenkommissarin Ylva Johansson in Brüssel. Die Menschen, die unter der Richtlinie für einen Massenzustrom Vertriebener Schutz suchten, dürften sich frei in der EU bewegen. Man werde nicht entscheiden, wo sie sich niederlassen sollten. Johansson verwies jedoch auf eine neu geschaffene „Solidaritätsplattform“, auf der sich die EU-Staaten über die Verteilung der Geflüchteten austauschen.

G20:

China lehnt einen Ausschluss Russlands aus der G20-Staatengruppe, die Gruppe der 20 größten Industrie- und Schwellenländer, ab. Der Sprecher des Außenministeriums in Peking, Wang Weibin, erklärte: die G20 seien „das wichtigste Forum für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit. (…) Russland ist ein wichtiges Mitglied, und kein Mitglied hat das Recht, ein anderes Land auszuschließen." Der nächste G20-Gipfel soll am 15. und 16. November 2022 auf Bali (Indonesien) stattfinden.