Militärforschung
  Spionagehauptmann
 

Bundeswehr-Hauptmann wollte bei Atomkrieg fliehen und landet im Knast

30. April 2024

Gerhard Piper

Ein Hauptmann der EloKa-Truppe der Bundeswehr wollte bei einem Atomkrieg – mit Unterstützung des russischen Militärnachrichtendienstes – fliehen. Nun sitzt er wegen Spionage in U-Haft. Am 29. April begann sein Strafprozess vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf.

Der Hauptmann von Argenthal

Thomas H. (54) wurde am 9. August 2023 festgenommen. Er wohnt seit 2021 mit seiner Lebensgefährtin in Argenthal, einem kleinen Hunsrück-Dorf in Rheinland-Pfalz. Thomas H. war Hauptmann der Truppe für Elektronische Kampfführung (EloKa) und eingesetzt beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz (Ferdinand-Sauerbruch-Straße 1), einem bekannten Sauhaufen für die Beschaffung von Militärgerät. Hier diente er im Referat U5.1 „EloKa, EloGM, Fm/Elo/EloUM-Sensorik inklusive Sensorspezifische Auswertung“ und war für den Bereich Elektronische Gegenmaßnahmen zuständig.

Aber spätestens im Frühjahr 2023 geriet der Hauptmann – nach eigener Darstellung – in eine Lebenskrise. Dafür gab er ein Sammelsurium von Gründen an: Stress im Beruf, Burn-out und die Folgen einer dritten Corona-Impfung, etc.. Er sei von Angststörungen und Panikattacken beherrscht gewesen und habe in jener Zeit kaum geschlagen. „Ich war am Allerwertesten“ und „ich hatte mein Leben nicht im Griff“, erklärte er bei Prozessbeginn.

Nicht zuletzt trieb ihn seine „Angst vor einer nuklearen Eskalation des Ukraine-Krieges“ um:

„Sein Ziel sei gewesen, „den russischen Streitkräften vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage einen Vorteil zu verschaffen“. Vor Gericht sagte der Berufssoldat aus, dass ihn die Angst vor einer nuklearen Eskalation des Ukraine-Krieges angetrieben hat. Deshalb wollte er seine Familie noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Er sei vom baldigen Einsatz taktischer Atomwaffen ausgegangen. Für die rechtzeitige Information, „wann es knallt“, habe er Kontakt zur russischen Seite gesucht. "Ich habe nur diesen Weg gesehen", so der Soldat am vor Gericht.“ (1)

Anscheinend ging der Bundeswehroffizier davon aus, dass der russische Militärgeheimdienst ihn einen Tag vor Kriegsbeginn anruft, um ihm den Angriffstermin pünktlich mitzuteilen. Immerhin sind es von Argenthal bis Luxemburg in Luxemburg noch 142 km.

In seiner Not versuchte sich der Hauptmann politisch zu engagieren. Er wandte sich an die pro-russische Linkspartei, war aber von deren negativen Einstellung zur Bundeswehr abgestoßen. Danach wandte er sich an die pro-russische Partei „Alternative für Deutschland“. Er stellte sogar einen Aufnahmeantrag, der im Juli 2023 positiv beschieden wurde. Beim BAAIINBw war die Affinität des Offiziers zur AfD und ihrer Russlandpolitik durchaus bekannt, dies zeitigte aber keine praktischen Konsequenzen.

Die Straftaten

Thomas H. soll u. a. Ausbildungsunterlagen der Luftwaffe mit seinem Handy abfotografiert und Datensätze auf seine CD heruntergeladen haben.

Einmal bot Thomas H. der Linksfraktion im Deutschen Bundestag geheime Informationen an, allerdings ging die Partei auf das fragwürdige Angebot nicht ein.

Daraufhin wandte sich der Hauptmann seit Mai 2023 als Selbstanbieter mehrfach per Telefon, E-Mail, Briefpost, etc. an die Russische Botschaft in Berlin (Unter den Linden 63-65) und an das Russische Generalkonsulat in Bonn (Waldstraße 42). Er bot seine Geheiminformationen mit dem Vermerk „gerne mehr“ an. Auch pries er sich als Spion an. Sie Wissen könne „ein beträchtliches Plus für die russischen Streitkräfte und die Russische Föderation bedeuten“, versprach er. (2)

Der Militärische Abschirmdienst (MAD) bzw. der Verfassungsschutz wurden angesichts des dilettantischen Vorgehens des Hauptmanns schnell aufmerksam und nahmen den Täter am 9. August fest.

Der Prozess

Am Montag, den 29. April 2024, begann der Strafprozess gegen den Ex-Hauptmann und Landesverräter vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Aktenzeichen: III - 7 St 2/24). Der Prozess findet in dem besonders gesicherten Gerichtskomplex in Düsseldorf-Hamm (Kapellweg 36) statt. Als Vorsitzender Richter amtiert Lars Bachler. Die Anklage wird durch einen Bundesanwalt vertreten. Zur Zeit sind sieben Prozesstermine (6/5, 7/5, 14/5, 27/5, 17/6 und 24/6) angesagt. Das Urteil soll am 24. Juni verkündet werden.

Bereits am ersten Verhandlungstag legte Thomas H. ein Teilgeständnis ab. Er bestritt aber weiterhin, einen Briefkuvert mit Geheimunterlagen in den Briefkasten des Generalkonsulats geworfen zu haben.

„Der Vorsitzende Richter betonte, für ihn sei die genannte Motivation sehr schwer nachvollziehbar. Es sei für den Angeklagten offenbar leichter gewesen, sein Land zu verraten, als zum Arzt zu gehen.“ (3)

Dem Delinquenten droht gemäß $ 94 StGB Abs. 2 „Landesverrat“ eine langjährige Haftstrafe:

In besonders schweren Fällen ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1.
eine verantwortliche Stellung mißbraucht, die ihn zur Wahrung von Staatsgeheimnissen besonders verpflichtet, oder        
2. durch die Tat die Gefahr eines besonders schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.“

So drohen dem Hauptmann rund zehn Jahre Knast. Das wäre aber echt blöd, wenn er in einer Gefängniszelle einsitzt und der Atomkrieg fängt an. Derweil erklärte sein Verteidigungsminister Boris Pistorius, er rechne mit einem russischen Angriff in fünf bis zehn Jahren. (4) Das könnte knapp werden! Vielleicht kommt er ja – bei „guter Führung“ – schon bei Halbstrafe oder zwei Drittel wieder raus.

Quellen:

(1) https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/wdr-prozess-in-           
duesseldorf-bundeswehrsoldat-wollte-fuer-russland-spionieren-102.html

(2) https://www.n-tv.de/politik/Bundeswehr-Hauptmann-raeumt-Spionage-fuer-  
Moskau-ein-article24909169.html#:~:text=Bis%20zu%20zehn%20Jahre%20Haft          
,bei%20der%20Verlesung%20der%20Anklage.

(3) https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/wdr-prozess-in-           
duesseldorf-bundeswehrsoldat-wollte-fuer-russland-spionieren-102.html

(4) https://www.profil.at/ausland/warum-europa-aufruesten-muss/402789655

Nachtrag (27. Mai 2024): Das Oberlandesgericht verurteilte den Angeklagten wegen geheimdienstlicher Agenentätigkeit in Tateinheit mit dem Verrat von Dienstgeheimnissen zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren. In seinem Schlusswort hatte Thomas H. seine Schuld eingestanden und erklärt: "Das ist der größte Bockmist, den ich in meinem Leben gebaut habe." Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.