Militärforschung
  Ostseeraum: Grenzverschiebungen, hybride Vorfälle und Truppenaufmarsch
 

Ostseeraum: Grenzverschiebungen, hybride Angriffe und Truppenaufmarsch

8. Juli 2024

Gerhard Piper

Im Windschatten und anlässlich des Ukraine-Krieges hat sich die militärische Konfrontation an der Ostsee in den letzten Jahren langsam aber merklich zugespitzt. So ist die Aufnahme Schwedens und Finnlands in die NATO nur das sichtbarste Zeichen für eine Veränderung des Kräfteverhältnisses im Ostseeraum. Wenn der Ukraine-Krieg und die NATO-Russland-Konfrontation an der Südflanke am Schwarzen Meer eines Tages endet, könnte an der Ostsee eine neue NATO-Russland-Konfrontation aufbrechen. Sie verkörpert die Nordflanke für einen russischen Angriff weit nach Westen. Mehr Möglichkeiten haben die Russen nicht. Jedenfalls hat die Zahl merkwürdiger Zwischenfälle auch im Ostseeraum zugenommen. Die bisherigen Analysen beschränken sich darauf festzustellen, der Russe wolle damit bloß die Verunsicherung der Zivilbevölkerung in den Zielländern anheizen und Chaos auslösen. Aber die Vogel-Strauss-Politik der NATO-Politiker wird den Provokationen kein unrühmliches Ende bereiten.

(168 Seiten á 2.500, hier im pdf-Format 121 Seiten)

Link: www.homepage-baukasten-dateien.de/milfors/240522%20Ostsee.pdf
 


Nachtrag (10.7.2024):

Norwegen: Der norwegische Verteidigungsminister Bjorn Arild Gram hat dazu aufgerufen, dass das Land auch nach dem Ende des Krieges in der Ukraine auf eine mögliche russische Aggression vorbereitet sein sollte. „Es gibt keine Opposition, keine Pressefreiheit, keine Zivilgesellschaft, die dem zunehmend autoritären Regime eine Gegenkraft entgegensetzen könnte. (…) Wir müssen darauf gefasst sein, dass Russland seine Pläne und die Positionierung seiner Streitkräfte als Reaktion auf die NATO-Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens überdenken wird." (https://www.n-tv.de/politik/22-15-Lettlands-Grenzuebergang-zu-Belarus-bleibt-geschlossen--article24717878.html)

Polen: Polen plant die Verstärkung seiner Militärpräsenz und Verteidigungssysteme an seinen Grenzen zu Belarus und zur russischen Enklave Kaliningrad. Die Zahl der derzeit fast 6000 Soldaten solle auf bis zu 17.000 aufgestockt werden, erklärt der Chef des Generalstabs der polnischen Armee, General Wieslaw Kukula. 8000 Soldaten sollen demnach vor Ort sein, weitere 9000 als „schnelle Grenzreaktionstruppe“ binnen 48 Stunden dorthin verlegt werden können, erklärt er weiter. (https://www.n-tv.de/politik/14-57-Polen-plant-massive-Verstaerkung-der-Militaerpraesenz-an-Grenzen-zu-Russland-und-Belarus--article23143824.html)

BRD: Der Inspekteur der deutschen Marine, Vizeadmiral Kaack, warnt parallel zu diesen Entwicklungen vor einer deutlichen Aufrüstung Russlands im Ostseeraum. „Dass die russischen Streitkräfte im maritimen Bereich in der Region geschwächt aus dem Krieg gegen die Ukraine hervorgehen, ist ein Trugschluss.“ Russland habe in den vergangenen zehn Jahren erheblich in Kommunikation, Navigation und Angriffskapazitäten investiert. „Sie sind uns in vielen Bereichen überlegen.“ (https://www.deutschlandfunk.de/verbuendete-vereinbaren-kooperation-bei-seeminen-marineinspekteur-warnt-vor-russischer-aufruestung-102.html)

Russische Forschungsschiffe bewegten sich zudem sehr offen an der kritischen maritimen Infrastruktur in der Ostsee. Die deutsche Marine baue deshalb in Rostock ein Unterwasser-Lagezentrum auf, um möglichen Gefahren entgegenzutreten.

USA: Einem „CNN“-Medienbericht zufolge wurden mehrere US-Militärstützpunkte in Europa (Stuttgart, Ramstein, etc.) vergangene Woche aus Sorge vor von Russland unterstützten Sabotageakten in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Laut CNN wurde die zweithöchste Sicherheitsstufe namens Force Protection Condition Charlie (FOPCON Charlie) ausgerufen. (https://edition.cnn.com/2024/07/09/politics/intelligence-russian-sabotage-threat-us-bases-europe/index.html)

„Was wir jetzt sehen, ist ein konzentrierteres, aggressiveres Vorgehen, als wir es seit dem Kalten Krieg gesehen haben. (…) Wir sehen Sabotage, Attentatspläne, Brandstiftung – echte Dinge, die Menschenleben gekostet haben,“ erklärte ein ranghoher Nato-Vertreter. (https://www.fr.de/politik/putin-russland-sabotage-usa-nato-us-militaer-sicherheit-alarmbereitschaft-ukraine-krieg-93179064.html)

NATO: Deutschland, Norwegen, Schwede, Finnland, Polen und Dänemark werden gemeinsam ein finnisches Seeminen-Modell ankaufen. (https://www.focus.de/politik/ausland/beschaffung-von-seeminen-beschlossen-nato-staaten-verstaerken-abschreckung-gegen-russland_id_260124660.html)

Nachtrag (11.7.2024):

Joint Statement from United States and Germany on Long-Range Fires Deployment in Germany

Following discussions ahead of the NATO Summit, the governments of the United States and Germany released the following joint statement: The United States will begin episodic deployments of the long-range fires capabilities of its Multi-Domain Task Force in Germany in 2026, as part of planning for enduring stationing of these capabilities in the future. When fully developed, these conventional long-range fires units will include SM-6, Tomahawk, and developmental hypersonic weapons, which have significantly longer range than current land-based fires in Europe. Exercising these advanced capabilities will demonstrate the United States’ commitment to NATO and its contributions to European integrated deterrence. (https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2024/07/10/joint-statement-from-united-states-and-germany-on-long-range-fires-deployment-in-germany/)