Militärforschung
  Verlegung Büchel-Nörvenich
 

BRD: Wo sind die Nukes?

Gerhard Piper

3. Juni 2022

Die Tornados des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 (TaktLwG 33), dem einzigen Nuklearverband der Bundeswehr, verlegen z. Zt. von Büchel nach Nörvenich, da der Heimatstandort in den nächsten Jahren saniert wird. Angeblich verbleiben deren US-Atombomben vom Typ B61 weiterhin in Büchel.

Russisches Gelaber vom atomaren Piffpaffpuff

Seit nunmehr hundert Tagen tobt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Aggressoren konnten ca. 20 Prozent des Staatsgebietes erobern, mussten aber mit 30.000 Gefallenen erhebliche Verluste hinnehmen. Angesichts der russischen Kriegsverbrechen liegt das Land in Trümmern. Die drei Oberkanaillen der russischen Terrorregierung (Wladimir Wladimirowitsch Putin, Dmitri Anatoljewitsch Medwedew und Sergej Wiktorowitsch Lawrow) haben angesichts der russischen Aggression gegen die Ukraine wiederholt mit dem Einsatz von Atomwaffen gegen die Ukraine und ihre Unterstützungsländer gedroht. Im Bereich der atomaren Mittel- und Kurzstreckensysteme ist Russland der NATO mehrfach überlegen. Zuletzt meinte Lawrow am 1. Juni 2022 zur Ankündigung der US-Regierung, die Ukraine mit einer begrenzten Zahl von Feldraketenwerfern Lockheed Martin M-142 High Mobility Artillery Rocket System (HIMARS) mit Flugkörpern M31 Guided Multiple Launch Rocket System reduzierter Reichweite (ca. 60 bis 84 km) auszurüsten: „Das ist eine direkte Provokation, die darauf abzielt, den Westen in militärische Handlungen zu verwickeln.“ So können „ein Drittland“ in den Krieg hineingezogen werden. (1)

Es blieb nicht bei den rhetorischen Beschwörungen der nuklearen Apokalypse. Zum Kriegsbeginn versetzte Wladimir Putin die Atomstreitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft. Am 2. März 2022 drangen zwei schwere Jagdbomber Suchoi Su-24M (NATO-Code: FENCER-D) der russischen Luftwaffe oder Marineflieger in den schwedischen Luftraum ein. Die Jagdbomber trugen jeweils an einer Unterrumpfstation ein Bombenrack BD3-66-24N, an dem eine ältere Atombombe („Spetsboyepripas“) RN-28 (10 KT TNT-Äquivalent) eingeklinkt war. (2)

Außerdem haben die russischen Streitkräfte im Ukrainekrieg hunderte Flugkörper mit konventionellem Sprengkopf eingesetzt. Es handelte sich dabei um dual-use-Systeme, von denen es jeweils auch eine Version mit Nukleargefechtskopf gibt. Die Kampfeinheiten sind somit gut trainiert, allerdings hat der Krieg gezeigt, dass – je nach System (Iskander-M, Kinschal, etc.) - rund 20 bis 60 Prozent der potentiell nuklearen Flugkörper technisch nicht einwandfrei funktionierten.

Darüber hinaus ist Wladimir Putin todkrank und man befürchtet, der Kranke könnte in einem letzten Wahnanfall einen nuklearen Nero-Befehl erteilen. Als vermeintlicher „Oberbefehlshaber“ soll er sich wiederholt in die taktisch-operative Kriegsführung der Generalität eingemischt und dabei den ein oder anderen Fehler verursacht haben. Aber auch ohne Atomwaffeneinsatz sind durch das russische Getreideembargo dreihundert Millionen Menschen in Afrika und Asien vom Hungertod bedroht.

Nicht zuletzt hat sich Moskau in einen widerlichen Sammelort für präpotente Nuklearisten verwandelt, die davon schwärmen, den „Dritten Weltkrieg“ vom Zaune zu brechen: Politiker, (ex-)Militärs und Journalisten gebären sich „trigger-happy“ und versuchen sich gegenseitig in ihren perversen Gewaltphantasien zu überbieten. So behauptete der ex-General, Kriegsverbrecher und Vize-Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der Duma, Wladimir Anatoljewitsch Schamanow, Ende Mai 2022, die Ukraine sei eine Krankheit, die man „ausrotten“ müsse. Dieser Säuberungsprozess solle 20 bis 40 Jahre dauern. (3)

Der TV-Journalist und Generaldirektor der staatlichen Nachrichtenagentur „Rossija Sewodnja“, Dmitri Konstantinowitsch Kisseljow, drohte am 1. Mai damit, ein Nukleartorpedo vom Typ Poseidon (100 MT) würde einen künstlichen Tsunami auslösen und Großbritannien „in eine radioaktive Wüste verwandeln“. Ende Mai drohte ein weiterer TV-Journalist, Wladimir Rudolfowitsch Solowjow, Großbritannien in ein großes „Stonehenge“ verwandeln zu wollen.

Nachdem der Duma-Abgeordnete und Vorsitzende der national-chauvinistischen Partei „Rodina“, Alexei Aleksandrovich Zuravlev. bereits im Januar 2022 empfohlen hatte, Russland solle Atomwaffen in Kuba und Venezuela stationieren, drohte er am 28. April mit einem Atomangriff auf London, Paris und Berlin. Ende Mai legte die Knalltüte nochmal nach und drohte insbesondere Deutschland mit einem Atomangriff: „Wenn ihr unsere Bedingungen nicht akzeptiert, dann zwingen wir euch dazu!" Russland führe keinen Krieg gegen die Ukraine, sondern gegen den „Westen“, erklärte der tumpe Heißsporn. (4) Nicht zuletzt konstatierte die russische Regierung eine Remilitarisierung des Deutschlands. So erklärte die alberne Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Wladimirowna Sacharowa:  „Wir nehmen die Erklärung des deutschen Bundeskanzlers (über die Lieferung von vier Feldraketenwerfern MARS 2 und mehreren Flugabwehrraketen Iris-T an die Ukraine, G. P.) als eine weitere Bestätigung dafür wahr, dass Berlin einen Kurs für eine beschleunigte Remilitarisierung des Landes eingeschlages hat. Dem fügte sie kryptisch hinzu, die Geschichte habe gezeigt, wie dies enden können. Anscheinend denkt man in Moskau über eine zweite Demilitarisierung und zweite Demontage" nach.

Zuletzt drohte am 30. Mai 2022 die russische TV-Journalistin Olga Wladimirowna Skabeyeva vom Fernsehsender „Rossija 1“: „Wir sind gezwungen, nicht nur die Ukraine, sondern die gesamte Nato zu entmilitarisieren.“ (5) Der Duma-Abgeordnete der Partei „Einiges Russland“, Oleg Wiktorowitsch Morosow, ergänzte, man könne ja einen oder alle Verteidigungsminister der NATO-Staaten kidnappen. Im Verhör könnte man dann „herausfinden, wer welchen Befehl wofür gegeben hat“ und „wer wofür genau verantwortlich ist“. Und: „Es gibt jetzt neue Regeln in der Welt. Alle Kriegsminister, die sich in Kiew versammeln, sollten einmal darüber nachdenken, wie es wäre, in Moskau aufzuwachen.“ (6)

Atomwaffenstandort Büchel

Seit dem Ende des Kalten Krieges ist von den über hundert Atomwaffenlagern (Special Ammunitions Site – SAS) nur noch das US-Atomwaffendepot auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel übriggeblieben. Jahrelang waren hier schätzungsweise 15 bis 20 Wasserstoffbomben stationiert, möglicherweise wurde deren Anzahl in den letzten Jahren auf 10 bis 15 reduziert – genaues weiß man nicht. Als Trägerflugzeuge dienen die hier dislozierten Tornados der Bundesluftwaffe.

Der Fliegerhorst liegt ungefähr ein Kilometer westlich von der Ortschaft Büchel im Landkreis Cochem-Zell. Er wurde bereits 1955 von den französischen Streitkräften fertiggestellt und noch im gleichen Jahr an die neugegründete Bundeswehr übergeben. Er verfügt heute über eine Start- und Landebahn mit einer Ausdehnung von 2.507 m × 45 m.

Früher waren die Atomwaffen in einem separaten Depot auf dem Gelände des Flughafens gelagert, spätestens seit der ersten Hälfte der neunziger Jahre werden sie in versenkbaren Unterflurmagazinen direkt in den Flugzeughangars bei den Flugzeugen gelagert. Dazu sind zur Zeit vier Flugzeughangars für QRA-Maschinen in Nordteil des Fliegerhorstes extra abgesperrt. Es handelt sich um gehärtete Flugzeughangars (Protective Aircraft Shelter – PAS), die die alten TAB-VEE-Hangars ablösten. Insgesamt gibt es elf Unterflurmagazine, die im Boden der verschiedenen PAS-Shelter hydraulisch versenkt werden können. Jedes Magazin dieser Weapons Storage and Security Systems (WS3) kann bis zu vier Bomben aufnehmen, so dass – theoretisch – bis zu 44 Atomwaffen im Bedarfsfall in Büchel stationiert werden könnten. Die Bombenfahrstühle wurden von der US-Bechtel National Inc. konstruiert, die Mannesmann Anlagenbau in Düsseldorf steuerte mechanische Bauteile bei.

Bei den Wasserstoffbomben handelt es sich um die Modelle B61-3 und B61-4. Die Wasserstoffbomben des Typs B61-3 haben eine variable Sprengkraft von 0,3 KT, 1,5 KT, 60 KT oder maximal 170 KT TNT-Äquivalent, das Modell B61-4 hat eine variable Sprengkraft von 0,3 bis 50 KT. Ende August 2019 wurden die vorhandenen Bomben für ein Software-Update in die USA ausgeflogen. (7)

Für die Verwahrung, Bewachung, Wartung und Freigabe der Atombomben ist die 702nd Munition Support Squadron (702 MUNSS, davor 817 und 7501 MUNSS) der 38th Munitions Maintenance Group (38th MUNG oder 38th MMG) der U.S. Air Force zuständig. Die 702nd MUNSS trägt den Spitznamen „Partners in Peace“. Sie wird seit Juni 2018 von Oberstleutnant Robert Kochan geführt. Die Staffel verfügt über schätzungsweise 139 Mann. Vor 15 Jahren gehörten zu ihr noch 164 Mann, darunter zwei deutsche Zivilbeschäftigte. Die Staffel war/ist in fünf „flights“ gegliedert: maintenance, operations, communications, custody und force support. Außerdem ist die Rede vom „mission support flight“. Die Angehörigen der MUNNS absolvieren regelmäßig ein CBRNE-Training. (8) Die übergeordnete 38th MUNG hat ihr Hauptquartier auf dem Fliegerhorst Spangdahlem, diese wiederum ist dem dortigen52nd Fighter Wing unterstellt.

Die Wartungs- und Wacheinheit werden ergänzt durch die deutsche 1. Luftwaffensicherungsstaffel (1. LwSichStff) (bis März 2013: Luftwaffensicherungsstaffel „S“ [„S“ = „Sonderwaffen“]) und die 2. LwSichStff des Objektschutzregimentes „Friesland“ (ObjSRgtLw) der Bundesluftwaffe. (9) Es ist davon auszugehen, dass diese Staffeln in Büchel während der Umbaumaßnahmen verbleiben.

Die US-Atombomben sollen im Kriegsfall durch die deutschen Panavia Tornados IDS des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 (TaktLwG 33) unter dem Kommando von Oberst Thomas Schneider, der als einziger Nuklearverband der Bundeswehr als Trägerverband für die Atombomben vorgesehen ist, eingesetzt werden. Zu den Tornados zähl(t)en u. a. die Maschinen mit folgenden taktischen Kennziffern: 43+01, 43+25, 43+48, 43+50, 43+58, 43+70, 43+76, 43+92, 43+98, 44+02, 44+05, 44+06, 44+23, 44+29, 44+34, 44+64, 44+72, 44+73, 44+78, 44+90, 45+09, 45+19, 45+20, 45+31, 45+33, 45+44, 45+45, 45+49, 45+66, 45+68, 45+71, 45+76, 45+77, 45+78, 45+94, 46+02, 46+07, 46+10, 46+11, 46+18, etc.. Die Übergabe der Atomwaffen an die Bundeswehr wird regelmäßig im Rahmen der Manöverserie STEADFAST NOON geprobt.

Zum Flugaufkommen des Geschwaders erklärte die Bundesregierung:

„Das TaktLwG 33 hat im Jahr 2019 mit dem WaSys TORNADO 2.822 Flugstunden sowie 1.319 Starts und Landungen absolviert. Im Jahr 2020 wurden 3.251 Flugstunden sowie 1.799 Starts und Landungen durchgeführt.“ (10)

Modernisierung und Sanierung

Bereits im Februar 2008 stellte eine hochrangige Expertengruppe der US-Luftwaffe fest, „die meisten“ der Nuklearwaffenlagerstätten in Europa erfüllten die strengen Sicherheitsanforderungen des US-Verteidigungsministeriums nicht. Die Waffen seien zwar im Grundsatz sicher gelagert; Mängel an Zäunen, Beleuchtungen und Gebäuden müssten aber mit hohem finanziellem Aufwand beseitigt werden. So wurde der bauliche Brand- und Blitzschutz zuletzt vor zehn Jahren umfangreich modernisiert. Nun sollen die Sicherheitsmaßnahmen erneut erneuert werden.

Dazu wird der Fliegerhorst teilweise geschlossen, der Flugverkehr auf dem Luftstützpunkt vorübergehend reduziert, da der ganze Flughafen von den Baumaßnahmen betroffen ist: Sanierung der Flugbetriebsflächen und Flugbetriebseinrichtungen, Neubau des Außenzauns einschließlich des Postenweg und deren Ausstattung mit Kameras und Intrusion-Detection-Sensoren, Neubau einer Feuerwache und Neubau der Wärmeversorgungsanlage. Hinzu kommen weitere Maßnahmen zur Unterbringung der zukünftigen Jagdbomber F-35A Lightning II. Die Sanierungsmaßnahmen haben bereits 2019 begonnen und werden voraussichtlich bis mindestens Februar 2026 dauern.

Im Rahmen des Sanierungsprogramms werden Umweltschäden in Folge des bisherigen Flugbetriebs beseitigt. Dazu werden die mit Per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) kontaminierten Flächen entgiftet. Die geschätzten Kosten hierfür belaufen sich auf ca. 4,0 Mio. Euro. Einzelne Baumaßnahmen sind Modernisierung der Startbahn (voraussichtlich 100 Millionen Euro) die Modernisierung des Taxiways (23 Mio. Euro) und Neubau des Außenzauns um den Fliegerhorst auf einer Länge von 12 km (14 Mio. Euro) Das Amt für Bundesbau Rheinland-Pfalz bezifferte 2020 für die zwischen 2019 und 2020 durchzuführenden „Schwerpunktprojekte“ auf dem Fliegerhorst Büchel auf „rund 45,0 Mio. Euro“. (11) Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sind voraussichtlich auf 259 Millionen Euro; hinzu kommen weitere Millionen für den Umbau der Infrastruktur auf den zukünftigen Jagdbomber F-35A. Die Umbaukosten werden allein durch den deutschen Bundeshaushalt bestritten, die US-Regierung ist daran nicht beteiligt. Der Ankauf der zukünftigen Atomwaffenträger F-35A wird im Rahmen der 100-Milliarden-Sonderschuld der Bundeswehr aufgebracht. Angesichts des Modernisierungsbedarfs fragt man sich, wie es um die heutigen Zustände an dem Atomwaffenlager bestellt ist.

Jedenfalls bleibt der Fliegerhorst in Büchel prinzipiell oder zeitweise für eine begrenzte Anzahl von Flügen geöffnet. Dies gilt insbesondere für die amerikanischen Transportflugzeuge Boeing C-17 Globemaster III der 62nd Operations Group (62 OG) des 62nd Airlift Wing vom Fliegerhorst Lewis-McChord bei Tacoma im US-Bundesstaat Washington. Dies ist das einzige Transportgeschwader der US Air Force, das mit seinen drei Fliegerstaffeln dazu autorisiert ist, um Atomwaffen und ihre Komponenten zu befördern. Wenn das Geschwader nach der Sanierung auf seinen Heimatstandort zurückkehrt, wird es auf die Jagdbomber F-35A umgerüstet, die bisherigen Atombomben werden dann ebenfalls ausgetauscht durch den neuen Typ B61-12. (12)

Die bisher in Büchel dislozierten Tornados vom Taktischen Luftwaffengeschwader 33 (TaktLwG 33) werden während der Umbauphase vorübergehend auf dem 77 km entfernten Fliegerhorst Nörvenich (Oswald-Boelcke-Allee 1) verlegt, der sich 3 km nordöstlich der Gemeinde Nörvenich (ca. 4.000 Einwohner) im Kreis Düren befindet. Dies betrifft 450 Soldaten und 25 Maschinen. Ab dem 13. Juni 2022 sollen die Tornados ihren Flugbetrieb von Nörvenich aus aufnehmen.

Früherer Atomwaffenstandort Nörvenich

In Nörvenich befindet sich ein altes Atomwaffendepot, das noch aus den Zeiten des Kalten Krieges stammt. Zunächst waren hier Atombomben für den Jagdbomber Republic F84F Thunderstreak untergebracht. Es handelte sich um Freifallbomben Mk. 7 Thor mit einer Sprengkraft von circa 8 KT. Das Geschwader wurde Anfang der sechziger Jahre auf den neuen Jagdbomber Lockheed F-104G Starfighter umgerüstet. Diese waren mit der Atombombe von Typ Mk.28 FUFO (Full Fusing Option, d. h., diese Atomwaffen konnten mit oder ohne Bremsfallschirm abgeworfen werden, sie konnten sowohl in der Luft als auch am Boden gezündet werden) ausgestattet. Diese hatten eine Sprengkraft von immerhin 1.100 KT. Ab 1968 wurde der Starfighter auf die Atombomben Mk.43 (Sprengkraft 1 MT) und Mk.57 (variable Sprengkraft von 5-20 KT) umgerüstet. Ab dem Jahr 1975 wurde die Mk.43 von den Wasserstoffbomben der B61-Serie abgelöst. (13)

Außerdem waren hier von 1965 bis 1995 ca. 20 Atomsprengkörper für die Flugkörper Martin Marietta MGM-31 Pershing 1(A) der Flugkörpergruppe 21 des Flugkörpergeschwaders 2 (FKG 2) der Bundesluftwaffe deponiert. Die Flugkörpergruppe hatte damals u.a. im Manheim-Blatzheimer-Erbwald bei Kerpen drei Feuerstellungen. Die Sprengköpfe W50 mit einer variablen Sprengkraft (60 KT, 200 KT oder 460 KT) wurden 1995 ins Atomwaffenlager auf Ramstein AB verlegt und später in die USA zurückgeflogen.

Ab 1990 wurde das Depot in Nörvenich schrittweise geschlossen und die Atomwaffen – wie in Büchel - in den neuen WS3-Unterflurmagazinen in den Flugzeughangars untergebracht. So waren hier in den neunziger Jahren noch bis zu 44 Atombomben in elf Unterflugmagazinen für die Tornados des damaligen Jagdbomber-Geschwaders 31 disloziert. Diese Hangars befanden/befinden sich im Nordteil des Flughafens. Mit der Umrüstung dieses Geschwaders auf die nicht-nuklearen Eurofighter wurden die letzten Atomwaffen Mitte der neunziger Jahre aus Nörvenich abgezogen. Daher wurde seit 1997 keine Nuklearwaffen-Sicherheitsinspektion (Nuclear Surety Inspection - NSI) in Nörvenich mehr beobachtet und die atomare Bewachungseinheit die 604 MUNSS (vormals 7502 MUNNS) spätestens 1997 abgezogen. Seitdem hatte Nörvenich als atomarer Reservestandort nur noch „Caretaker Status“.

In Nörvenich ist seit 1958 und immer noch das TaktLwG 31„Boelke“ stationiert. Die Landebahn hat eine Länge von 2.439 m bei einer Breite von 45 m. Das Geschwader umfasst 907 Soldaten und 226 Zivilbediensteten, die Soldaten sind weiter südlich in der Kaserne „Haus Hardt“ in Nörvenich untergebracht. In den Jahren 2009/2010 rüstete das Geschwader „Boelke“ um vom nuklearen Tornado auf den konventionellen Eurofighter um. Mit der Einführung des neuen Kampfflugzeuges wurden damals Investitionen von 150 Millionen Euro am Fliegerhorst vorgenommen. Das Geschwader unter dem Kommando von Oberst Timo Heimbach verfügt heutzutage über ca. 30 Maschinen. Wieviele dieser Eurofighter tatsächlich einsatzbereit sind, ist hier nicht bekannt.

Unklar ist, welche Umbaumaßnahmen am alten Tornado-Standort zur erneuten Aufnahme der Tornados notwendig waren und was diese gekostet haben. Durch die Verlegung der Tornados nach Nörvenich wird der Fluglärm in der Nähe der Basis erheblich zunehmen. Dazu stellt die Bundesregierung lediglich fest:

„Durch die temporäre Verlegung des Flugbetriebes des TaktLwG 33 nach Nörvenich wird jährlich von ca. 18.000 militärischen Flugbewegungen in den Jahren 2023 bis 2025 sowie anteilig in den Jahren 2022 und 2026 auszugehen sein. (14)

Nörvenich wird nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen in Büchel weiterhin als Ausweichstandort für den Fall zur Verfügung stehen, dass Büchel im Kriegsfall vernichtet wurde.

Verbleib der Nukes

Die Frage ist, was wird während der Sanierungsarbeiten mit den Atomwaffen in Büchel. Im Prinzip gibt es drei Möglichkeiten:

1. Die vorhandenen Atomwaffen bleiben in Büchel:

Im V-Fall müssten sie dann per Lkw-Transport erst ins 77 km entfernte Nörvenich (Luftlinie) per Lkw oder Hubschrauber gebracht werden, oder die Jagdbomber müssten zur Beladung nach Büchel zurückkehren, hier landen und beladen werden. Ein Straßentransport würde zunächst über die Bundestraße 259 bis Ulmen erfolgen, danach über die B257 bis Müllenbach, dann weiter über die B258 bis Blankenheim, dann ein kurzes Stück über die B51 und ab Nettersheim über die Bundesstraße 477 bis zum Fliegerhorst erfolgen.

Dazu erklärte die Bundesregierung lediglich:

„Der Militärflugplatz Nörvenich ist aufgrund seiner räumlichen Nähe zum Militärflugplatz Büchel sowie vorhandener infrastruktureller Kapazitäten am besten geeignet, um den Zeitraum der geplanten Flugplatzschließung ressourcenschonend zu überbrücken.“ (15)

2. Die vorhandenen Atomwaffen bleiben in Büchel, gleichzeitig werden zusätzlich weitere Atomwaffen in Nörvenich stationiert:

Während die Atombomben in Nörvenich in unmittelbarer Nähe zu den deutschen Tornados deponiert werden könnten, könnten die Atombomben in Büchel anderweitig zum Einsatz gebracht werden. So sind auf dem Fliegerhorst Spangdahlem AB in der Eifel ca. 28 US-Jagdbomber General Dynamics F-16CM/DM Block 50 Fighting Falcon der 480th Fighter Squadron „Warhawks“ stationiert. Außerdem wurden auf dem Fliegerhorst Spangdahlem am 1. Mai 2022 acht F-35A Lightning II vorübergehend stationiert, die vom 158th Fighter Wing der amerikanischen Air National Guard (ANG) aus Burlington (Vermont) stammen. Die F-35A ist ebenfalls nuklearfähig.

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine und der fortgesetzten Nukleardrohungen gegen die NATO könnte durch eine solche Maßnahme das Nuklearwaffendispositiv in Westeuropa etwas erhöht werden, ohne dass dadurch das nukleare Übergewicht Russlands im Bereich der atomaren Kurzstreckensysteme nennenswert ausgeglichen werden könnte.

3. Auch die Atomwaffen werden vorübergehend aus Büchel abgezogen und ebenfalls in Nörvenich stationiert:

Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Bomben aus Büchel abgezogen bzw. in Nörvenich erneut US-Atombomben stationiert würden. Man kann aber davon ausgehen, dass die alten WS3-Unterflurmagazine weiterhin einsatzbereit sind, zumal sich der Aufwand zu ihrer Wartung in Grenzen hält. Im Falle einer erneuten Dislozierung von Atomwaffen müsste eine Munss-Staffel in Nörvenich stationiert werden, dies ist bis heute nicht der Fall, kann aber für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden.

Die Bundesregierung hält sich – wie üblich bedeckt:

„Die Informationspolitik hinsichtlich der Nuklearstreitkräfte der NATO unterliegt aus Sicherheitsgründen den verpflichtenden Geheimhaltungsregeln des Bündnisses. Demzufolge können zu der Anzahl, den Lagerorten, dem Umgang mit und den Spezifika der Nuklearwaffen sowie ihrer Trägersysteme, wie auch der Ausbildung, der Übung und der Absicherungsmaßnahmen keine Angaben gemacht werden. Aussagen und Mutmaßungen hierzu können zudem weder bestätigt noch dementiert werden. Zur Gewährleistung eines Höchstmaßes an Schutz und Sicherheit dienen neben infrastrukturellen, technischen und verfahrensmäßigen Maßnahmen auch die Mittel der Geheimhaltung dazu, rechtswidrigen Angriffen und Störungen und damit möglichen Risiken für die Bevölkerung und Umwelt vorzubeugen. Die Bundesregierung wird deshalb entsprechend den unverändert gültigen Geheimhaltungsregeln des Bündnisses und in Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis auch in Zukunft aus Sicherheitsgründen bei dem bewährten Geheimhaltungsgrundsatz bleiben.“ (16)

In Sachen Nuklearwaffen verweist man gerne auf die „Informationen, die in besonders hohem Maße das Staatswohl berühren und daher selbst in eingestufter Form nicht beantwortet werden können“. (17) Nach einer aktuellen Umfrage von infratest-dimap-Umfrage hat sich mit 52 Prozent der Bevölkerung seit langem erstmals eine knappe Mehrheit für den Verbleib der US-Atomwaffen in Deutschland ausgesprochen. Noch Mitte 2021 waren etwa laut einer Studie der Münchener Sicherheitskonferenz nur 14 Prozent der Befragten für US-Atomwaffen in Deutschland, eine Mehrheit von 57 Prozent wollte deren Abzug. Allerdings stimmen auch heute nur 12 Prozent der in den nächsten Jahren anstehenden Modernisierung der Atombomben und ihrer Trägerflugzeuge zu. Dennoch meinte die „grüne“ Bundesaußenministerin Annalena Baerbock: „Auch das hat uns der Krieg vor Augen geführt: Die nukleare Abschreckung der NATO muss glaubhaft bleiben." (18)

Angesichts der dynamischen Lageentwicklung in und um die Ukraine ist es notwendig, die Atomwaffen – die Eigenen und die Fremden – im Auge zu behalten, um kleine Veränderungen festzustellen und die Nukleardispositive immer wieder ab- und einschätzen zu können. Besser wäre es gewesen, wenn die NATO und ihre Mitgliedsstaaten seit Oktober 2021 die Ukraine rechtzeitig mit konventionellen Großwaffensystemen (Kampfpanzer, Schützenpanzer, Haubitzen, etc.) ausgestattet hätten, um so präventiv dafür Sorge zu tragen, dass ein möglicher selektiver Atomschlag der Gegenseite keine nachhaltige Wirkung auf den gesamten Frontverlauf haben würde. Außerdem sollte man Russland mit einer Großpackung Hämorrhoidalsalbe versorgen, damit Wladimir Putin die deutschen Sozialdemokraten leichter ertragen kann.

 

Quellen:

(1) https://www.merkur.de/politik/ukraine-russland-news-verhandlungen-oel-embargo-eu-scholz-deutschland-melnyk-putin-kritik-aktuell-zr-91582189.html

(2) https://www.globalsecurity.org/wmd/world/russia/rn-28.htm

(3) https://www.merkur.de/politik/ukraine-krieg-russland-plan-general-wladimir-schamanow-moskau-prozess-umerziehung-news-zr-91585633.html

(4) https://twitter.com/search?lang=de&q=%23DUMA

(5) https://www.merkur.de/politik/news-ukraine-krieg-putin-russland-propaganda-tv-skabeyeva-nato-entmilitarisierung-dritter-weltkrieg-91582633.html

(6) https://www.merkur.de/politik/russland-ukraine-krieg-nato-entfuehrung-duma-oleg-morosow-moskau-kiew-news-zr-91586113.html

(7) https://www.spiegel.de/politik/deutschland/tornado-flugzeuge-der-bundeswehr-die-radmuttern-werden-gar-nicht-mehr-hergestellt-a-00000000-0002-0001-0000-000170435625

(8) https://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_07/LP22207_031107.pdf

(9) https://www.bundeswehr.de/de/organisation/luftwaffe/aktuelles/massgeschneiderte-ausbildung-im-objektschutz-5090138

(10) https://www.kathrin-vogler.de/fileadmin/lcmskathrinvogler/Dokumente/EC_Dokumente/BMVg_-_Antwort_auf_Drs._19_26133.pdf

(11) https://www.kathrin-vogler.de/fileadmin/lcmskathrinvogler/Dokumente/EC_Dokumente/BMVg_-_Antwort_auf_Drs._19_26133.pdf

(12) https://www.flugrevue.de/militaer/familientag-des-taktlwg-33-f-35a-macht-stippvisite-in-buechel/

(13) https://www.atomwaffena-z.info/glossar/n/n-texte/artikel/eaf07e1033475cd4bdc279f6e9efa846/noervenich.html

(14) https://www.kathrin-vogler.de/fileadmin/lcmskathrinvogler/Dokumente/EC_Dokumente/BMVg_-_Antwort_auf_Drs._19_26133.pdf

(15) ebd.

(16) ebd.

(17) https://www.bundeswehr-journal.de/2019/geheime-atomwaffenuebung-steadfast-noon/

(18) https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2022/Sicherheit-Brauchen-wir-Atomwaffen,atombombe112.html