Militärforschung
  Ukraine-Krieg 2.0 - 12. Update
 

Ukraine-Krieg 2.0 – Update 12 vom 9. März (D+13)

Gerhard Piper

Lageentwicklung

Nach Pressemeldungen hat Wladimir Putin als Oberbefehlshaber die Kriegsentscheidung allein, bestenfalls im engsten Beraterkreis getroffen. Selbst die Mitarbeiter der Präsidialverwaltung wurden von dem Angriff überrascht. Nach Pressemeldungen wollten die Russen die Ukraine in zwei, drei Tagen erobern und vermutlich den schmarotzenden Hochverräter, ex-Präsident Wiktor Fedorowytsch Janukowytsch (Februar 2010 bis zum 22. Februar 2014), als Quisling installieren. Diese Planung zeigt, wie weit entfernt die Kriegsphantasien von der Realität waren. Bei dem letzten Versuch, ein bestehendes Regime durch eine Marionette zu ersetzen, Operation STORM-333 am 24. Dezember 1979 in Afghanistan, dauerte der danach folgende Krieg zehn Jahre und kostete 40.000 Sowjets das Leben.

Hier stellt sich die Frage, wer denn den Grundplan und die Ausführungspläne für den Krieg gegen die Ukraine entworfen hat und wer die Operationen eigentlich führt. In diesem Zusammenhang ist das Statement des anonymen FSB-Agenten aufschlussreich. So lag zumindest ein Teil der Kriegsplanung – wie schon beim Zweiten Tschetschenienkrieg (2000-2009) in den Händen des FSB:

„I can’t say what guided those in charge to decide to proceed with the execution of this operation, but now they are methodically blaming us (FSB). We are being scolded for our analysis. Recently, we have been increasingly pressured to prepare more reports. All of these political consultants and politicians and that powers-that-be are causing  from everyone. For example – you are being asked to analyze various outcomes and consequences of a meteorite attack – (…) your research the mode of attack, and yur are being told that it´s just a hypothetical and not to stress on the details, so you understand the report is only intended as a checkbox, and the conclusions of the analysis  must be positive for Russia, otherwise you basically get interrogated for not doing good work. So, you have to write that weh ave all necessary measures available to nullify the effects of a given type of attack. We are completely overworked. But then it turned out that the hypothetical has turned into reality, and the analysis we´ve done on that hypothecial is total trash.

No one knew there’d be such a war, so no one prepared for these sanctions. It’s the flipside of the secrecy – since everyone was kept in the dark, how could we prepare for it?“ (https://rattibha.com/thread/1500301348780199937)

Zur Einschätzung der Authentizität des Dokuments erklärte der frühere BND-Agent Gerhard Conrad:

„Grundsätzlich lässt sich die Frage nach der Echtheit in diesem Fall nicht abschließend beantworten. Aus Perspektive eines Nachrichtendienstes ist eine solche Nachricht nicht mehr als ein Hinweis, der zunächst als Einzelfall betrachtet und dann im Kontext anderer bekannter Informationen bewertet wird. Ein Ausgangspunkt, um weiter zu graben, wenn man so will. Weitreichende Schlussfolgerungen lassen sich daraus allerdings nicht ableiten. Allerdings ist die Plattform „Bellingcat“ in der Vergangenheit durchaus durch ihre seriöse Investigativ-Arbeit aufgefallen.

Für mich liest sich das ganz klar wie eine private Einschätzung einer Person mit mittlerem Dienstgrad, ein Befehlsempfänger, der nun die Sinnhaftigkeit der Befehle seiner Vorgesetzten in Frage stellt. Das wird bereits durch die Kritik an den Analysen deutlich, die nur nach Vorgabe verfasst worden sein sollen. Eine solche Arbeitsweise halte ich in einem Konstrukt wie dem FSB für durchaus vorstellbar. Die Amerikaner haben dafür den Spruch: „Speaking truth to power“ – also dem Vorgesetzten die Wahrheit sagen.

Und natürlich steigt das Risiko, je autoritärer ein System ist, dass dem Vorgesetzen eben nur das gesagt wird, was er auch hören will. Insgesamt wirken die Äußerungen auf mich wie ein Schrei der Verzweiflung und Wut eines Insiders.

Ich halte den Autor mithin für einen auf Arbeitsebene gut informierten Analysten, auch recht gut versorgt mit aktuellen Lageberichten aus der Ukraine und zur „eigenen Lage“ und einigen FSB-Aktionen der vergangenen Wochen und Tage, der seiner Frustration über die von ihm wahrgenommene ausweglose Lage des vermasselten „Blitzkriegs“ in heftigen Worten Luft macht.

Er weist in dem Brief selbst darauf hin, dass ihm inzwischen der Kopf schwirrt, wohl aufgrund der Fülle an Input, Anforderungen und Vorwürfen. Hier wird wohl schon das so beliebte „Blame Game“ ausgebrochen, denn irgendjemand muss ja an den Schwierigkeiten schuld sein, und dies ist vorzugsweise einer der Geheimdienste.“ (https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/fsb_id_64877276.html)

Der Militärexperte Michael Kofman vom Center for Naval Analyses (CNA) und Mitarbeiter am Woodrow Wilson International Center in Washington, schätzt, dass die russische Armee in drei bis vier Wochen zusammenbrechen könnte. Dann steht der kleine, schmächtige Putin wie einst der kleine, dickliche Napoleon plötzlich ohne Truppen dar. (https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-militaerexperte-michael-kofman-zum-zustand-der-russischen-truppen-a-499fcf87-2585-429e-8d0d-1664b039e6dd)

Verhandlungen:

Der ukrainische Staatspräsident ist nun nicht nur bereit, mit den abtrünnigen Separatistenrepubliken über deren Status direkt zu verhandeln, sondern er hat gegenüber Russland signalisiert, dass er bereit ist, auf eine NATO-Mitgliedschaft vorerst zu verzichten.

Auch der Kreml hat Entgegenkommen signalisiert, so besteht Präsident Wladimir Putin nicht mehr darauf, den amtierenden ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj durch eine Marionette zu ersetzen. Dies ist doch nach drei Mordversuchen in den letzten zwei Wochen recht erfreulich. Vielleicht ist es am Ende Putin, der geht.

Gefechte:

Die russischen Streitkräfte setzen ihre Angriffe auf die ukrainischen Städte fort. Mehrere Städte wurden bombardiert. Die russische Militärführung beabsichtigt offensichtlich auf die Stalingradisierung der Ukraine. Statt „Brudervolk“ erinnert die Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine wohl eher an die Geschichte von „Kain und Abel“.

Kiew-Umgebung:

- Yasnohorodka:

Yasnohorodka liegt ca. 37 südwestlich von Kiew. Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs dringen seit dem 8. März jeweils zwei verstärkte Bataillone (BTGs) der 5. Selbstständigen Panzerbrigade und der 37. Selbstständigen MotSchützen Brigade auf Yasnohorodka vor. (https://www.understandingwar.org/backgrounder/russian-offensive-campaign-assessment-march-9)

Norden:

- Tschernihiw:

Einheiten der 2. Armee, der 41. Armee und der 90. Panzerdivision habe am 8. März eine erneute Offensive gegen Tschernihiw begonnen. Die 41. Armee hält ein verstärktes Bataillon der 55. MotSchützen Brigade als Reserve bereit. (https://www.understandingwar.org/backgrounder/russian-offensive-campaign-assessment-march-9)

- Kozelets:

Kozelets ist mit ca. 10.000 Einwohner eine Kleinstadt rund 65 km nordöstlich von Kiew. Die Militärtopographie um Kozelets ist durch zahlreiche kleine Flüsse geprägt. Die russischen Streitkräfte haben am 8. März Brückenbaugerät aufgefahren, um hier weiter vorzustoßen.

- Sumy:

Aus Sumy konnten bisher 7.000 Zivilisten evakuiert werden.

Süden:

- Mariupol:

In der Hafenstadt, einst Sitz der Schwerindustrie, sind mittlerweile 1.200 Zivilisten umgekommen. Am 9. März zerstörten die Russen durch einen Luftangriff ein Kinderkrankenhaus. Der Angriff forderte drei Tote und siebzehn Verletzte unter den hochschwangeren Frauen und Krankenschwestern. (https://www.bz-berlin.de/welt/putins-armee-zerstoert-kinderklinik-in-mariupol) Das russische Außenministerium behauptete zur Rechtfertigung ihrer Attacke anschließend, die ukrainische Armee hätte das Krankenhaus räumen lassen und in dem leeren Gebäude Kampfpositionen errichtet. (https://www.merkur.de/politik/ukraine-krieg-news-putin-russland-konflikt-kiew-mariupol-aktuell-selenskyj-akw-luftraum-zr-91397745.html)

- Cherson:

Die russischen Streitkräfte wollen im Südwesten weiter vorstehen, wie das „Institute For The Study Of War“ in Washington (USA) unter Berufung auf den ukrainischen Generalstab berichtet:

„The Ukrainian General Staff assessed as of March 9 that as many as 17 Russian BTGs belonging to the 49th Combined Arms Army, 22nd Army Corps, 20th Motorized Rifle Division of the 8th Combined Arms Army, and airborne troops are assembled north of Crimea from Kherson to Rozivka, roughly 47 kilometers northwest of Mariupol. The General Staff had previously suggested that this grouping of forces was preparing for an offensive in the direction of Zaporizhya, but it seems likely that only a portion of these Russian troops will participate in that advance. Russian forces around Kherson appear concentrated on the drive toward Mykolayiv and ultimately west toward Odesa, although they could attempt to drive northeast toward Zaporizhya instead of Odesa. Initial limited Russian advances along the road from Mykolayiv toward Novyi Buh were small in scale and not very successful.“ (https://www.understandingwar.org/backgrounder/russian-offensive-campaign-assessment-march-9)

In der von Russen besetzten Stadt Cherson wird die Versorgung der Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten knapp. Offensichtlich sind die russischen Streitkräfte, die noch nicht einmal ihre Soldaten ausreichend versorgen können, mit der Versorgung der Zivilbevölkerung in der von ihnen eroberten Stadt völlig überfordert.

Verluste:

Nach ukrainischen Angaben wurden bisher 61 Krankenhäuser und 211 Schulen angegriffen und beschädigt.

Angesichts des Ausmaßes der Verwüstungen stellt sich schon jetzt die Frage, wer kommt für den Wiederaufbau auf. Die Geschichte hat gezeigt, dass die Russen sehr gut sind im Zerstören aber sehr miese im Wiederaufbau. So wurde im Zweiten Tschetschenienkrieg (Vtoraja tschetschenkaja) (September 1999 – 16. April 2009) die ur-alte Provinzhauptstadt Grosny durch zehntausende von Granaten zerstört. Nach Einstellung der Kampfhandlungen hat die Regierung in Moskau zwar mehrere Hochhäuser errichten lassen, die nun das „moderne“ Stadtbild nach außen hin repräsentierren, aber diese Gebäude sind – soweit hier bekannt – lediglich unbewohnte Bauruinen.

Zivilbevölkerung:

Laut UNO sind in den ersten beiden Kriegswochen lediglich 516 Zivilisten getötet worden. (https://www.nzz.ch/international/krieg-in-der-ukraine-die-neusten-entwicklungen-ld.1613540?mktcid=nled&mktcval=166_2022-03-09&kid=nl166_2022-3-9&ga=1&trco=) Das sind noch nicht einmal 37 Kriegstote pro Tag, eine schwachsinnige Rechnung, die angesichts der sichtbaren Zerstörungen in den ukrainischen Städten niemand erstnehmen kann. So ist die UNO die weltweit größte Organisation für Desinformation.

In den belagerten Städten ist die Versorgungslage katastrophal. Zwei Wochen nach Kriegsbeginn dürften die Lebensmittelvorräte der meisten Einwohner mittlerweile gegen Null tendieren. Die Plünderung der Lebensmittelbestände aus den Geschäften und Wohnungen der Geflohenen dürfte keinen hinreichenden Ersatz schaffen.

Seit rund einer Woche verfügen mehrere Großstädte über keine Wasserversorgung mehr verfügen, mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Toilettenanlagen und die Hygiene im Allgemeinen. Daher ist ein Ausbruch von Seuchen über kurz oder lang nicht auszuschließen. Ohne ausreichende Lebensmittelversorgung und Heizung droht der ohnehin geschwächten Bevölkerung der Ausbruch von Erkältungs- und Lungenkrankheiten von Covid-19 ganz zu schweigen. Gleichzeitig sind die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten durch den akuten Medikamentenmangel begrenzt.

Mittlerweile haben 1,2 Millionen Ukrainer ihre Heimat verlassen. Circa 80.000 Personen sind in der BRD angekommen. Zukünftig soll die Verteilung der Flüchtlinge soll von der Landesregierung Niedersachsen in Hannover gesteuert werden.

ABC-Waffen:

- AKW-Ruine Tschernobyl:

Der staatliche, ukrainische Informationsdienst SSSCIP teilte mit, die 750-Kilovolt-Hochspannungsleitung zwischen Tschernobyl und der ukrainischen Hauptstadt Kiew sei derzeit „aufgrund der von den Besatzern verursachten Schäden“ abgeschaltet. Infolgedessen seien das Kraftwerk Tschernobyl und alle kerntechnischen Anlagen in der Sperrzone ohne Strom. Weil nördlich von Kiew weitere Kampfhandlungen andauerten, sei es aktuell nicht möglich, die notwendigen Reparaturarbeiten durchzuführen.

Das staatliche ukrainische Atomenergieunternehmen „Energoatom“ warnte, dass radioaktive Substanzen aus dem Atomkomplex austreten könnten, wenn durch den Stromausfall die Kühlung in einem Abklingbecken für rund 20.000 abgelaufene Brennelemente ausfallen sollte. Sie werde im Moment noch durch Notstromaggregate gewährleistet. Sollte jedoch die Temperatur in den Lagerbecken ansteigen und es zu einer Verdunstung des Kühlwassers kommen, sei in ein paar Wochen mit einer Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Atmosphäre zu rechnen. Außerdem gebe es durch den Stromausfall keine hinreichende Belüftung im Inneren der Anlage zum Schutz des havarierten Reaktors. Das Überwachungspersonal vor Ort werde dadurch dann eine gefährliche Strahlendosis abbekommen. Außerdem könne das Kraftwerkspersonal durch die Präsenz russischer Truppen nicht ausgetauscht werden: 210 Techniker und lokale Sicherheitsmitarbeiter seien seit dem 24. Februar ununterbrochen im Dienst. Weil zudem das Feuerlöschsystem in der Anlage nicht funktioniere, bestehe grundsätzlich Brandgefahr. (https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/tschernobyl-wie-gefaehrlich-ist-der-blackout-am-havarierten-reaktor-a-7729d23a-a35b-499f-8b4c-a4cb709df08a)

Außerdem teilte die IAEA in Wien mit, dass ihre Fernüberwachung der Atomruine Tschernobyl und dessen „Block 4“-Sarkophag durch radiologische Messgeräte aufgrund des Stromausfalls ausgefallen ist.

- AKW Saporischschja:

Der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko hat die russischen Besatzungstruppen beschuldigt, das Bedienpersonal von Saporischschja gefoltert zu haben. Sie sollten so gezwungen werden, eine Erklärung unterschreiben. Nach Angaben des Energieministers werde das Betriebspersonal seit vier Tagen als Geisel gehalten: „Es befinden sich etwa 500 russische Soldaten und 50 Einheiten schwerer Ausrüstung in der Station.“

Am Wochenende hatte sich bereits die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) kritisierte, dass das Kernkraftwerk zwar weiter durch reguläres Personal betrieben werde, die Werksleitung jedoch nun unter dem Befehl eines Kommandeurs der russischen Streitkräfte stehe, dessen Zustimmung auch für alle Maßnahmen im Zusammenhang mit dem technischen Betrieb der sechs Reaktorblöcke nötig sei. Dies widerspreche dem Sicherheitskonzept bei AKWs, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi. Das Personal müsse ohne Druck seine Sicherheitsaufgaben erfüllen können. Außerdem hätten die russischen Streitkräfte die Kommunikation des Bedienpersonals mit den zuständigen Aufsichtsbehörden in Kiew durch das Abschalten des Internets und einiger mobiler Netzwerke stark eingeschränkt. „Zuverlässige Kommunikation zwischen der Aufsichtsbehörde und dem Betreiber ist ein entscheidender Teil der gesamten nuklearen Sicherheit und Sicherung", sagte Grossi weiter. (https://www.n-tv.de/politik/Minister-Personal-in-Saporischschja-wird-gefoltert-article23182274.html)

Die Anwohner des Atomkraftwerkes „Saporischschja“ in Enerhodar konnten die Stadt am Mittwoch durch einen „humanitären Korridor“ verlassen.

- Atomkraftwerk Chmelnyzkyj:

Der „Stern“ berichtet in seiner Ausgabe vom 10. März (S. 44-46) dass am Atomkraftwerk Chmelnyzkyj bei Netischyn vier potentielle Saboteure aus dem Donbass festgenommen wurden. Die dortige Nuklearanlage besteht aus zwei Reaktoren des Typs WWER 1000/320 und zwei Reaktoren des Typs WWER 1000/392B. (https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Chmelnyzkyj):

„Sie hatten bei ihnen verschlüsselte Laptops gefunden und Präzisionsgewehre und Zielmarkierungen für Raketen. „Diese Männer haben sich schon vor vier Monaten hier in Wohnungen in der Stadt eingemietet und versucht, sich unter die Leute zu mischen. Wir müssen die anderen kriegen, ehe etwas passiert,“ hatte der Bürgermeister (..) gesagt, bevor das Auto des Geheimdienstes vorgefahren war. (…)

Der Betrieb der zwei Reaktoren läuft derzeit fast normal. Sie haben allerdings den Großteil des Personals nach Hause geschickt. Die Gefahr für Sabotageakte auch aus dem Inneren des Kraftwerks heraus sei zu groß. Unter den knapp 3000 Angestellten sind nämlich auch viele Russen, die Suprunjuk (gemeint ist Oleksandr Suprunjuk, Bürgermeister von Netischyn, G. P.) und dem ukrainischen Geheimdienst große Sorgen bereiten. Einige ältere von ihnen waren schon als Experten am Bau beteiligt und könnten nun, das ist die Befürchtung, wichtige Informationen nach Moskau weitergeben. An einer Wand im Hauptquartier des Führungsstabs der Freiwilligenverbände hängen deshalb Steckbriefe von knapp 50 verdächtigen Männern und Frauen aus der Gegend. (…)

Einen Plan für den Fall der Fälle gibt es aber trotzdem. Er muss sich irgendwo im Computer von Oberst Petro Skyba befinden. Skyba, ein Mann mit weißen Haaren und rotem Kopf, ist Oberkommandierender der Freiwilligenarmee und hat den Notfallplan entworfen. In der Stadt wurden verschiedene Sammelpunkte festgelegt. Von dort würde man die Menschen in die Atomschutzbunker bringen, von denen es, wie er sagt, genügend gebe, um alle Bürger von Netischyn zu evakuieren.

Außerdem sei Chmelnyzkyj viel besser gesichert, als Tschernobyl es war, sagt Skyba. Sie hätten automatische Notfallprogramme, die bei einem Angriff aktiviert würden. Und seine Leute hätten in den vergangenen Tagen Flugabwehrsysteme installiert. (…)

Am Sonntag, dem elften Tag des Krieges, führt Bürgermeister Oleksandr Suprunjuk in ein gesichertes Kellergewölbe, seine Kommandozentrale für den Worst Case. An einem langen Tisch vor einer Leinwand, auf der die ukrainischen Nachrichten laufen, sitzen 20 Leute, die Notfallmannschaft der Stadt.“

- Bio-Waffen:

Die US-Regierung warnte vor Angriffen auf Bio-Anlagen bzw. dem Einsatz von biologischen Waffen. Die US-Außenstaatssekretärin Victoria Nuland warnte am 8. März in einer Anhörung vor dem US-Senat davor, dass russische Truppen die Kontrolle über „biologische Forschungseinrichtungen“ in der Ukraine erlangen könnten. Die US-Regierung arbeite „mit den Ukrainern daran, wie sie verhindern können, dass diese Forschungsmaterialien in die Hände der russischen Streitkräfte fallen, sollten diese sich nähern“. (https://www.handelsblatt.com/politik/international/nachrichtenkampagne-kriegspropaganda-aus-russland-moskau-wirft-usa-biowaffen-forschung-in-der-ukraine-vor/28146830.html)

In diesem Zusammenhang warf die russische Regierung dem Regime in Kiew nicht nur den Bau von Atomwaffen vor, was die IAEA in Wien als Unsinn bezeichnet, sondern sie unterstellt auch noch die Entwicklung von ukrainischen Bio-Waffen im Auftrag der USA. So habe man im Verlauf des Krieges Versuche registriert, Beweise für die Existenz von militärisch-biologischen Programmen zu vernichten. „Wir sprechen hier nicht von friedlichen oder wissenschaftlichen Zwecken“, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa. (https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_91796352/ukraine-krieg-moskau-erneuert-biowaffen-vorwurf-und-fordert-erklaerung-der-usa.html)

Das russische Verteidigungsministerium nannte in einer entsprechenden Erklärung vom 7. März keine näheren Einzelheiten. Experten gehen davon aus, dass es sich bei dieser Behauptung nur um eine Desinformation handelt. So erklärte UN-Sprecher Stephane Dujarric in New York, der Weltgesundheitsorganisation seien „keine Aktivitäten der ukrainischen Regierung bekannt, die ihren internationalen Vertragsverpflichtungen widersprechen, einschließlich chemischer oder biologischer Waffen.“ (https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/ukraine-krieg-usa-warnen-putin-koennte-chemie-waffen-einsetzen-79405402.bild.html)

Russland wirft der Ukraine nach Angaben britischer Geheimdienste zunehmend vor, nukleare oder biologische Waffen zu entwickeln. Diese Erzählung sei zwar nicht neu, werde aber seit Ende Februar verstärkt verbreitet, um die russische Invasion in die Ukraine nachträglich zu rechtfertigen, hieß es im Geheimdienst-Update aus dem britischen Verteidigungsministerium. Moskau hatte zuvor angekündigt, Angriffe auf Gebäude der ukrainischen Waffenindustrie auszuweiten. (www.n-tv.de/politik/Russland-wirft-Ukraine-Bau-von-Bio-Waffen-im-US-Auftrag-vor-article23180465.html)

- Chemiewaffen:

Außerdem warnte das Pentagon zeitgleich, die Russen könnten Chemiewaffen einsetzen. Zu Zeiten des Kalten Krieges besaß die Sowjetunion über 30.000 Tonnen verschiedener Kampfstoffe. Sie war durch das Chemiewaffenabkommen vom 1. Juni 1990 dazu verpflichtet, diese in einer bestimmten Frist (2012) vollständig zu delaborieren. Aufgrund des Umfangs der Depots und der Probleme einer sicheren Delaborierung konnte die Regierung in Moskau diese Bestimmungen nicht erhalten und meldete erst im September 2017 den Vollzug. Das wurde damals von internationaler Seite angesichts der Umstände akzeptiert, allerdings stellt sich jetzt die Frage, ob die Russen illegal noch über ein Restpotential verfügen. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass in Syrien die von Russland unterstützten Regierungstruppen von Baschar al-Assad über dreißig Mal C-Waffen (Chlor, Senfgas, Sarin) eingesetzt haben.

NATO:

Der Streit in der NATO über die Lieferung von Kampfflugzeugen ist in eine zweite Phase eingetreten. Zunächst hatte der US-Außenminister Antony Blinken gefordert, die polnische Regierung solle ihre MiG-29 (NATO-Code: FULCRUM) an die ukrainische Luftwaffe überstellen. Dies lehnte die Regierung in Warschau ab. Aber am Abend des 8. März stimmte die polnische Regierung der US-Forderung zu. Allerdings wollte sie ihre MiGs nicht direkt an das Nachbarland liefern, sondern zunächst zur US-Air Base in Ramstein (BRD). Dort sollten die MiGs umgespritzt und mit neuen Hoheitsabzeichen ausgestattet werden. Anschließend sollten irgendwelche Piloten die Maschinen in die Ukraine überführen. Nun lehnte die US-Regierung plötzlich ab.

Pentagon-Sprecher John Kirby heuchelte, der polnische Vorschlag sei „nicht haltbar“, er berge „schwierige logistische Herausforderungen“ und werfe „ernsthafte Bedenken für das gesamte NATO-Bündnis“ auf. (https://www.tagesschau.de/ausland/europa/polen-kampfflugzeuge-103.html) So hatte die US-Regierung innerhalb von zwei Tagen ihre Meinung um 180 Grad gewendet. Zur Begründung laberte John Kirby in seiner amtlichen Stellungnahme:

„First, we believe the best way to support Ukrainian defense is by providing them the weapons and the systems that they need most to defeat Russian aggression. In particular, anti-armor, and air defense. We along with other nations continue to send them these weapons and we know that they're being used with great effect. (…)

We assess that adding aircraft to the Ukrainian inventory is not likely to significantly change the effectiveness of the Ukrainian Air Force relative to Russian capabilities. Therefore, we believe that the gain from transferring those MIG-29s is low. And finally, the intelligence community has assessed the transfer of MIG-29s to Ukraine may be mistaken as escalatory. And could result in significant Russian reaction that might increase the prospects of a military escalation with NATO. (…)

But at this time, we believe that provision of additional fighter aircraft provides little increased capabilities at high risk. We also believe that there are alternative options that are much better suited to support the Ukrainian military in their fight against Russia. And we will continue to pursue those options. Again, we thank Poland for their incredible level of support and cooperation. Poland is a valued ally, and a very good friend.“ (https://www.defense.gov/News/Transcripts/Transcript/Article/2961792/pentagon-press-secretary-john-f-kirby-holds-a-press-briefing-march-9-2022/)

Der Grund ist klar: Wladimir Putin hatte gedroht, er wolle jedem Land den Krieg erklären, der der Ukraine in diesem Umfang Militärhilfe leisten würde. Wenn die Polen liefern, wären folglich die Polen im Krieg mit Russland und die USA müssten lediglich im Rahmen von Artikel 5 des NATO-Vertrages „Beistand“ leisten. Dieser „Beistand“ ist im Washingtoner Vertrag vom April 1949 aber nicht definiert, das Spektrum reicht von einer diplomatischen Protestnote bis zum Kriegsvollalarm. Wenn aber die USA die Flugzeuge von Ramstein aus an die Ukraine liefern würden, müsste es zu einem Krieg „Russland gegen die USA“ kommen. Dieses will aber die Regierung in Washington auf jeden Fall vermeiden.

Wie schon in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren stellt sich hier die Frage, inwieweit die Bekundungen der US-Regierung bzgl. ihres hypothetischen Beistands gegenüber ihren europäischen Verbündeten glaubhaft sind. Anscheinend will die transatlantische Regierung in Washington jeden Krieg gegen Russland auf Europa und auf Kosten der Europäer begrenzen. Somit hat sich an der US-Position in den letzten Jahrzehnten nichts geändert. Die Europäer müssen entweder ihre militärische Verteidigung selbst sicherstellen oder aber mit diesem Defizit leben und gegebenenfalls untergehen.

- USA:

Die USA wollen an Polen zwei Staffeln mit Flugabwehrraketen vom Typ MIM-104 PATRIOT liefern.

- BRD:

Obwohl die Ukraine keinen akuten Beitritt zur NATO plante, hat Wladimir Putin das Land - quasi grundlos – angegriffen, um einen solchen Beitritt zu verhindern. Dabei nimmt er einen Atomkrieg in Europa billigend in Kauf. Dennoch sind die Auswerter im Bundesnachrichtendienst der Meinung, dass Putin zwar ein ideologisch verblendeter Pseudo-Historiker ist, aber nicht wirklich verrückt sei. Nun fragt man sich, wie verrückt sind die BNDler, dass sie Putin nicht für verrückt halten?

Der BND hatte im vorliegenden Fall lange Zeit nicht geglaubt, dass Putin die Ukraine tatsächlich angreifen wolle. So reiste der BND-Präsident nach am letzten Tag vor dem Angriffsbeginn leichtfertig nach Kiew und geriet dort in Bedrängnis. Nach dem hastigen Sturz der afghanischen Regierung in Kabul im August 2021 ist dies schon die zweite schwere Aufklärungspanne des BND innerhalb von einem halben Jahr. Immerhin konnten die Informationsbeschaffer genügend Informationen beschaffen, die die Auswerter auswerten konnten, um zu erkennen, dass die russische Hauptstadt „Moskau“ heißt und sich daselbst befindet.

Rund 1.000 Bundesbürger haben sich quasi der „Internationalen Legion“ angeschlossen und beteiligen sich an den Kämpfen in der Ukraine.

Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck (Die Grünen) würde der Bundesrepublik in dem Fall, das es zu einem Totalausfall der Gas- und Ölimporte aus Russland kommen, eine schwere Rezession, die zu zahlreichen Firmenpleiten und erhöhte Arbeitslosigkeit führen würde. Die Folgen wären gravierender als durch die Corona-Pandemie. Dadurch könnte es zu gravierenden gesellschaftlichen Verwerfungen kommen:

„Wir reden dann über eine schwere Wirtschaftskrise in Deutschland und damit in Europa. (…) Wir reden dann nicht über solche Preissprünge, sondern über eine dauerhafte hohe Preisbindung der fossilen Energien. (…) Es geht darum, dass wir Unternehmenszusammenbrüche und Arbeitslosigkeit bekommen werden. (…) Aber man muss es dann auch durchhalten. Und wir reden hier nicht über drei Tage und auch nicht über drei Wochen, sondern - ich sage jetzt mal - über drei Jahre." (https://web.de/magazine/wirtschaft/habeck-warnt-schwerer-wirtschaftskrise-energie-embargo-36671534)

EU:

Die Europäische Union hat die Erwartungen der Ukraine auf eine baldige Mitgliedschaft gedämpft.

Russland:

Die Luxusyacht „Scheherazade“ (Preis: schlappe 640 Millionen Dollar) liegt gerade im Hafen von Marina di Carrara in der Toskana vor Anker. Die italienischen Behörden wollen das Schiff beschlagnahmen. Das Brisante an dem Sanktionsfall ist, die Yacht soll Wladimir Putin persönlich gehören. (https://www.focus.de/panorama/welt/640-millionen-euro-wert-mutmassliche-putin-yacht-droht-in-italien-die-beschlagnahme_id_65465120.html)

Die Ratingagentur „Fitch“ in New York (USA) hat Russland auf „Ramschniveau“ eingestuft. Die US-Agentur stufte die Bonitätsnote für Russland von „B“ auf „C" herab. „Fitch“ bewertete das Risiko, dass Russland seine Staatsschulden nicht mehr zurückzahlen könnte, in der Nacht zum Mittwoch als „unmittelbar bevorstehend“. Zur Begründung verwies die Ratingagentur auf „Entwicklungen, die Russlands Bereitschaft zur Rückzahlung der Staatsschulden weiter untergraben haben“.

Dem Finanznachrichtendienst „Bloomberg L. P.“ (New York) zufolge hat Russland aktuell 49 Milliarden Dollar an Staatsanleihen in Dollar und Euro offen. Bereits in einer Woche, am 16. März, muss Russland Zinszahlungen über mehr als 100 Millionen Dollar leisten. Am 4. April läuft eine Anleihe über zwei Milliarden Dollar aus. (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/russland-droht-staatspleite-zahlungsausfall-ratingagentur-fitch-diw-us-sanktionen-ukraine-krieg-101.html)

In Russland wurden bisher mindestens 13.400 Friedensdemonstranten festgenommen. Die „Politsiya“-Bullen kontrollieren willkürlich die Smartphones von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, ob sie irgendwelche Kriegsbilder gespeichert haben.

Sonstiges:

Ein Öltanker, der vor Tagen vor Odessa von den russischen Streitkräften beschossen worden war, ist in Brand geraten. In welchem Umfang die Gefahr einer Umweltkatastrophe in dem Binnenmeer besteht, bleibt abzuwarten.